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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 21.1978

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Nr.2
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Steinthal, Heymann: Ein Gruß von Josef Eberle
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https://doi.org/10.11588/diglit.33075#0027

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Josef Eberle:

SULPICIA
Unter den Dichtern Roms hat Namen ein weibliches Trio,
aber nur eine der drei ließ uns ein schmächtiges Werk.
Cynthia wird uns gerühmt — wer rühmte, verhebt, nicht die Seine?
So ist Properzens Lob nur von geringem Gewicht.
Willig auch folgte Ovids gelehriges Stiefkind Perilla
leichten Schrittes dem Ruf, den sie zu hören geglaubt.
Naso hat sie gewarnt vor jener Art von Gedichten,
die bei der Jugend den Wunsch, lieben zu lernen, erregt. —
Nichts davon hat überlebt, doch läßt der Verlust sich verschmerzen,
wer hat an Lyrik Bedarf, sei sie antik oder neu?
Nur Sulpicia lebt als römische Dichterin heut noch,
ihre Stimme allein dringt noch uns Späten ans Ohr.
Wenige Verse von ihr hat die Woge der Zeit nicht verschlungen,
aber das Wenige wiegt Stapel von Büchern mir auf.
Kunst für die Kunst sind sie nicht, ihr Klang ist das Echo des Herzens,
und was Apollo versagt, schenkt der geflügelte Gott.
Früh schon hörte das Kind in Messallas musischem Kreise,
wie man das sperrige Wort zwingt in melodischen Takt.
War doch Messalla ein Freund der Musen und Gönner der Dichter,
herzlich dem Freund Tibull zeit seines Lebens geneigt.
Also lehrte Tibull das Mädchen die Regeln der Dichtkunst,
bis es, gereift, in die Hand eines Gewaltigen kam.
Als dann Amor erschien, triumphierte sie heimlich, doch nicht mehr
länger zu schweigen imstand, brach sie mit Sitte und Scheu:
„Venus hat gnädig erhört, was meine Leier erbeten,
hat mir ihn zugeführt, hat mir ans Herz ihn gelegt!“
Liebt man und wird man geliebt — was sollen Vernunft und Bedenken,
was Erziehung und Scham, wenn Cytherea befiehlt?
Und Sulpicia schließt ihr offenes Brieflein mit Worten,
die eine Römerin nie früher zu sagen gewagt:
„Sünde ist süß, und prüde zu tun vor den Leuten verächtlich —
Ja! ich Würdige gab mich einem Würdigen hin.“ —
Wenn dem Catull an Kunst das gebildete Mädchen auch nachsteht,
ist es an lauterem Sinn doch eine Schwester von ihm.

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