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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 26.1983

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Nr. 1
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Parthe, Franz: Nachdenken über zwei Oberstufenreformen, [1]: eine kritische Festrede zum Mitschülerfest des Kaiser-Heinrich-Gymnasiums in Bamberg 1980
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https://doi.org/10.11588/diglit.33083#0015

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Nachdenken über zwei Oberstufenreformen
Eine kritische Festrede zum Mitschülerfest des Kaiser-Heinrich-Gymnasiums in
Bamberg 1980 (1. Teil)
Unter dem Motto „Du kannst nicht zweimal in den gleichen Fluß steigen“zeich-
net der Festredner, Abiturient des Jahrgangs 1956, die Veränderungen am Pro-
fil seiner Schule zwischen den Mitschülerfesten 1954 und 1980 nach. Da das
Kaiser-Heinrich-Gymnasium in Bamberg, eine humanistische Schule mit einer
fast 400jährigen Tradition mit einem jüngeren neusprachlichen Zweig, an zwei
Oberstufenreformen mitgewirkt hat, stehen naturgemäß didaktische Überlegun-
gen im Mittelpunkt der Festrede. Die kritische Betrachtung der 2. Oberstufen-
reform erfolgt nicht allein aus der Perspektive des sprachlichen Gymnasiums,
sondern hat die Besinnung auf das Gymnasiale überhaupt im Sinn.
Seit 1970 können unsere Schüler nach der 8. Jahrgangsstufe zwischen dem
Humanistischen und dem Neusprachlichen Gymnasium wählen, also zwischen
Griechisch und Französisch. Beiden Schulzweigen gemeinsam ist grundständiges
Latein und Englisch ab 7. Klasse. Wer heute den Schultyp sucht, der in ver-
stärktem Maße Europa und der Welt zugewandt ist — hier ist er! Fremdspra-
chenkenntnisse sind Fenster, das sprachliche Gymnasium macht seine Schüler
weltoffen. Es integriert Menschen, fördert die internationale wissenschaftliche
und wirtschaftliche Zusammenarbeit und erschließt Kulturen — als sprachliches
Gymnasium mit 3 Pflichtfremdsprachen, darunter grundständigem Latein, ist
unsere Schule zwar selbst nicht integrierbar, aber sie kann dafür viel besser als
integrierte Schulformen Menschen über nationale Grenzen und historische
Epochen hinweg integrieren: Das grundständige Latein ist ein Mehrzweckfach,
es eröffnet einen vieltorigen Zugang zu den europäischen Weltsprachen, die in
zahlreichen Wahlkursen unseren Schülern immer wieder angeboten wurden. Es
wird auch Russisch geleimt und mit Einbeziehung von Schülern anderer Schulen
bis in die Kollegstufe hinein fortgeführt. Und unsere Humanisten werden
nächstens bei den regelmäßigen Griechenlandfahrten neugriechische Sprach-
kurse im Rahmen einer kürzlich gegründeten ,,Deutsch-Griechischen Gesell-
schaft“ in Askri am Musenberg Helikon besuchen. Auch ihnen wird damit eine
zusätzliche horizontale Kommunikationsebene erschlossen.
Latein und Griechisch machen andererseits unsere Schule zu einer besonde-
ren Studienschule. Für einen Schüler des Humanistischen Gymnasiums ist die
internationale Wissenschaftsnomenklatur eine Tür zur Sache, nicht eine Hürde
vor der Sache. Das gilt nicht nur für die Medizin, das merkt heute schon der
Kollegiat, wenn er im Grundkurs Deutsch in einer Rede rhetorische Figuren
identifizieren und benennen soll — die Terminologie ist griechisch — oder im
Grundkurs Biologie genetische Probleme behandelt — die Fachbegriffe sind
lateinisch oder sogar überwiegend griechisch — oder bei einer Studienreise in
London das Natural-History-Museum besucht — von der Kosmologie bis zur
Molekularbiologie und Anthropologie systematisiert die internationale Wis-

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