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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 28.1985

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Aufsätze
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Lechle, Hartwig: Stilistische Untersuchungen in einer 8. Klasse? - Martial III, 43
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https://doi.org/10.11588/diglit.33085#0076

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Stilistische Untersuchungen in einer 8. Klasse? — Martial III, 43
Dem Gang der didaktischen Tendenz folgend, sind bekanntlich auch in das Lehrwerk
„lanua Nova" in späteren Auflagen verstärkt originale Texte aufgenommen worden.
Im Band Al handelt es sich hinsichtlich der Dichtungstexte vornehmlich um Fabeln
von Phaedrus, die weitgehend altersgemäße Lebensweisheiten vermitteln. Aus dieser
Reihe fällt der Martial-Text zu Lektion 30 auf den ersten Blick etwas heraus, scheint
sich aber auf den zweiten Blick in doppelter Weise in den Zusammenhang der ande-
ren Texte einzuordnen.
1. Die Vergleiche stammen aus dem Tierreich.
2. Der Text enthält eine der Moral, bzw. dem Schluß der Fabel vergleichbare Pointe.
Was sich aber beim flüchtigen Lesen als leicht dahingeworfene, etwas scherzhafte Ent-
larvung der menschlichen Eitelkeit darstellt, führt bei tiefergehender Interpretation zu
einem Grad von persönlicher Betroffenheit, die eine ganz andere intentionale Qualität
aufweist als die durchaus mit einer gewissen inneren Distanz zu betrachtenden (und
zu behandelnden) Fabeln. Erscheint dieser Text damit als ungeeignet für die 8. Klasse?
— Keineswegs, nur gewinnt er seine Eignung eigentlich mehr von einer anderen Seite
her, d. h. nicht vom Todesthema her, sondern von seiner sprachlichen Gestaltung.
Daß die Behandlung von Stilmitteln ihren Platz auch schon in der Sekundarstufe I hat,
ist durch staatliche Richtlinien für die Klassen 7-10 offiziell ausgewiesen und verbind-
lich gemacht. Und trotzdem stellt sich oft die Schwierigkeit, Schülern die Wirkung
sprachlicher Mittel aufzuschlüsseln. Nur allzu bekannt sind die landläufigen Interpre-
tationen, „eine Anapher oder Alliteration oder ein Flyperbaton oder ein Chiasmus
diene/dienten der Betonung, der Verstärkung von . Diese rein graduelle Deutung
der Aussagen von ihrer Intensität her ist für Schüler aber eher weniger griffig und daher
in Gefahr, im Bereich phrasenhafter Deutung stehen zu bleiben. Einprägsamer sind
schon Deutungen, die — als Folge einer Wortumstellung — in Richtung einer Junktur
(vgl. dazu u. a. AU XIX, 4, S. 11 und S. 21) weisen. Am leichtesten läßt sich der Zugang
zur sprachlichen Gestaltung aber mit der abbildenden Wortstellung vermitteln, weil
sie sprachliche Darstellung bildlich erfahrbar, „greifbar" macht. Und dafür bietet der
hier angesprochene Text ein hervorragendes Beispiel.
Mentiris iuvenem tinctis, Laetine, capillis,
tarn subito corvus, qui modo cygnus eras.
Non omnes fallis; seit te Proserpina canum:
personam capiti detrahet illa tuo.
Doch zuvor nur einige Grundlinien der Interpretation:
Der Text baut auf dem Gegensatz zweier Disticha auf, die ihre Kernaussage jeweils am
Anfang haben (mentiris — non fallis). Die Erklärung dafür folgt nach der Penthemime-
res (tinctis, bzw. seit...).Auch die beiden Pentameter entsprechen sich weitgehend in
ihrer Aussage und ihrem Aufbau, ln Vers 2 wird der Verwandlungsvorgang durch das
Färben nachdrücklich durch die Flemiepes markiert und durch die
Umkehrung in der Reihenfolge („nachher" — „vorher") die Erstaunlichkeit der Ver-
wandlung noch besonders herausgehoben („gerade eben warst du doch noch ..."). In
Vers 4 wird der Vorgang des „detrahere" sprachlich exakt nachvollzogen und der Vor-
gang von Vers 3 — auch in seiner Verteilung auf die beiden Vershälften — gleichsam

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