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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 31.1988

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Nr. 4
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Buchbesprechungen
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Burnikel, Walter: [Rezension von: Maier, Friedrich, Lebendige Vermittlung lateinischer Texte]
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https://doi.org/10.11588/diglit.35869#0125

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Friedrich Maler; Lebendige Vermittlung lateinischer Texte. Neue Lektüre- und /nterpretationsan-
stöße. 7 76 Setten, C.C. Büchners Vertag (Bamberg) 7 988 = Auxi/ia 78. DM 29,60
,,Warum lesen wir Vergils Aeneis und Tacitus' Germania, nicht aber Varros Res rusticae und Pli-
nius' Naturalis historia? Zu allererst wohl deshalb, weil den einen Werken die aktuell-humane
Substanz fehlt, die die andern haben — erwiesen durch einen langen Prozeß der Selektion im
Laufe der Geschichte" (13). — „Aktualisierung, methodisch angestrebt, geschieht im Gespräch,
im engagierten Umgang mit den Texten; weil dabei immer zwei Bezugsbereiche, Antike und Ge-
genwart, zueinander in Verbindung gebracht werden, erweist sich der Vergleich als konstitutives
Verfahren des Lektüreunterrichts" (15). Mit diesen beiden Sätzen aus dem das Büchlein einlei-
tenden Aufsatz hat M. seinen didaktischen Ansatz beschrieben: Es geht ihm (dankenswerterwei-
se!) nicht um abgelegene Raritäten, sondern um die Vermittlung der großen Autoren (Cäsar,
Ovid und Catull sind vertreten). Und diese Vermittlung geschieht nicht nur auf gewohnten philo-
logischen Pfaden, distanziert, sondern auch auf dem direkten Weg zum Schüler, engagiert. Hin-
ter dem schlichten Wort „Vergleich", das M. gebraucht, verbirgt sich auch durchaus Neues und
Unvermutetes. Davon später; zunächst sei der Inhalt vorgestellt:
Dem genannten Einleitungsaufsatz („Lebendige Vermittlung von Literatur. Zu Aktualität und Ak-
tualisierung lateinischer Texte", 5-17) folgen 7 Interpretationsbeispiele. Die ersten 4 sind an
gängigen Schulautoren orientiert (Nep. Hann. 2; Caes. BG IV 24 — 31; Ov. Met. VI 313 - 381;
Cat. c. 31). Die letzten 2 sind nicht antiken Texten gewidmet: Franz von Assisis Sonnengesang
und Hobbes' Leviathan. Eine Sonderstellung nimmt der Beitrag „2000 Jahre ARA PACIS. Cicero,
Horaz, Velleius, Tacitus im Gespräch über Augustus. Ein historisches Interview im Rundfunk-
Studio". Er bietet eine jener beliebten (aber nicht immer überzeugenden) Verfremdungen antiker
Texte, gedacht als Abschluß einer thematischen Lektüre „Augustus". — Die jeweiligen Untertitel
vermitteln einen Eindruck von der Vielfalt der Methoden der Textaneignung und der Einsatzmög-
lichkeiten. Ein paar Beispiele: „Hobbes' Leviathan im Vergleich mit Ciceros De re publica. Eine
TextauswahJ mit Interpretation"; „Erzähltechnik und politische Rechtfertigung bei Cäsar"; „Ge-
dichte im Vergleich — Ein Beitrag zur Ant7ke-Rezept7on (Ital. Inschrift; Catull, c. 31; Ovid, Trist. V
4,1 - 14^; Weinheber)"; „Franz v. Assisis Sonnengesang und seine Rezeption. Ein Vorschlag zur
'Zwfscben/ektüre'."
Den Sonnengesang für die Schule aufbereitet zu finden, war bislang ein Desiderat. Nicht nur, daß
er — wohl erstmalig in der europäischen Kulturgeschichte — gedankliche Ansätze zeigt, die wir
heute als „grün" zu bezeichnen pflegen^; er ist auch eines der ersten Dokumente des „italieni-
schen Dialektes" des Lateinischen (1225). Diese Besonderheit macht ihn hervorragend geeignet
für eine kleine sprachgeschichtliche und -vergleichende Studie (dankenswerterweise sind im Buch
Urtext und lateinische Version abgedruckt). So läßt sich die Behandlung einer nicht originalen,
späten lateinischen Fassung im Unterricht rechtfertigen. Es wird Schülern der Oberstufe (nur für
sie dürften Text und Problematik in Frage kommen) nicht schwerfallen, die beträchtlichen Abwei-
chungen des lateinischen Übersetzers festzustellen, die der poetischen Aussage und Struktur gar
nicht bekommen. Wichtiger sind gewiß die interpretatorischen Belange, auf die M. ausschließ-
lich eingeht. Hier zeigt er sich nicht nur als solider Philologe, sondern auch als unermüdlicher
Aufspürer von Rezeptionsdokumenten, von Bildern, Texten, Musik. Luise Rinser wird vorgestellt
mit ihrem Roman „Bruder Feuer", Nikos Kazantzakis mit dem Roman „Mein Franz von Assisi",
Carl Orff mit der Vertonung der „Laudes Creaturarum quas fecit Beatus Franciscus ad Laudem et
Honorem Dei" u.v.a. M. versäumt auch nicht, den „Sitz im Leben" des Sonnengesangs zu skiz-
zieren, so daß der Lehrer alles Material für eine anregende Zwischenlektüre beisammen hat.
Anderes soll nur gestreift werden:
— „Hannibals Eid auf die ewige Feindschaft mit Rom" bietet eine Auseinandersetzung mit dem
bekannten 2. Kapitel der Hannibal-Vita des Nepos. Dankbar ist man hier, über die detaillierte In-
terpretation hinaus, für den spannenden Zweittext aus einem neueren Roman (M. Jelusich: Han-

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