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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 35.1992

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Buchbesprechungen
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Wölke, Hansjörg: [Rezension von: Die griechische Literatur in Text und Darstellung. 1. Archaische Periode. Hrsg. v. Joachim Latacz]
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https://doi.org/10.11588/diglit.35880#0040

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Die griechische Literatur in hext und Darste/iung. ?. Archaische Periode, hirsg. v. Joachim Latacz.
Stuttgart. Rec/am 1997 ddniversai-Sih/iotheh Nr. 806?). 606 5., 24,— DM.
Mit diesem Band liegt nun die nützliche Reihe ,,Die griechische Literatur in Text und
Darstellung" vollständig vor. Daß die Arbeit an ihm schwieriger war und länger dauerte als an
den übrigen Bänden, glaubt man dem Herausgeber, dem Basler Professor für Griechische Philo-
logie Joachim Latacz, gern. Wo nur Fragmente oder Teile von Werken erhalten sind — die Aus-
nahme bildet ja lediglich das Epos —, kann man keine Auswahl aus einem Ganzen treffen, die
das Wesentliche oder Charakteristische herausstellt. Was Latacz vorlegt, ist so ,,nicht ein Aus-
wahlband, sondern ein auf der neueren Forschung basierender Rekonstruktionsversuch" (S. 7).
Einleitungen zu den Texten können da nicht nur Hinführung, sondern müssen Hintergrund und
Deutung, Zusammenschau der überlieferten Fragmente sein. Latacz selbst versteht das Buch als
knappe Zwischenbilanz auf dem Weg zu einem Werk, das einmal Fränkels,,Dichtung und Philo-
sophie des frühen Griechentums" ersetzen könnte (läßt es freilich wohlweislich offen, ob er dies
Werk zu schreiben vorhat).
Bei den Autoren bzw. Werken, die, wohl der Übersichtlichkeit wegen, nach Gattungen und
nicht chronologisch geordnet präsentiert werden, wird man Überraschungen nicht erwarten. Irm
merhin ist kein homerischer Hymnos enthalten (ausschließlich aus Platzgründen; vgl. S. 20), da-
für eine Auswahl aus echten Epigrammen von Weihgaben, Gräbern und Denkmälern und aus
wissenschaftlichen Texten (Hekataios, Xenophanes, Heraklit, Parmenides). Die Terminologie ist
teilweise ungewohnt: narratives Epos heißt es da und nicht Heldenepos, Sach-Epos und nicht un-
genau Lehrgedicht, Distichon-Dichtung und nicht für Heutige mißverständlich Elegie. Auch die
Auswahl aus den homerischen Epen bewegt sich abseits des Üblichen: nicht die berühmten Sze-
nen bilden das Gerüst. Weder Hektor und Andromache noch Glaukos und Diomedes, kein ein-
ziges der Abenteuer des Odysseus sind berücksichtigt; auch das Prooimion der Odyssee fehlt.
Dafür sind es Erzählstrategien, die dokumentiert werden: ,,Dramatische Erzählung: Wie es zum
Streit zwischen Achilleus und Agamemnon kam" (II.1,8-52) oder,,Lenkung der Hörer-Erwartung
durch zukunftsgewisse Vorausdeutung: Wie Zeus das Kampfgeschehen dirigiert" (11.15,592-614).
Die Einleitungen berücksichtigen in großem Umfang die Textpragmatik, also die Entstehungsbe-
dingungen, die Adressaten, die gesellschaftliche Funktion der Texte. Die Ilias, d.h. den Zorn des
Achilleus, sieht Latacz so auch als Reflex aktueller politischer Auseinandersetzungen, nämlich
von Konflikten ,,innerhalb der Adelsschicht zwischen alten und neuen Herrschafts- und Füh-
rungsansprüchen, die zu Solidaritätsverfall führten und damit eine Bedrohung der Adelsgesell-
schaft insgesamt darstellten" (S. 27). Alkaios' Werk versucht er im Anschluß an Wolfgang Rösler
und andere wesentlich aus dessen Funktion ,,im Rahmen einer politisch-militärischen Männerge-
meinschaft" (S. 367) zu deuten. Hier und da wird man auch Dinge finden, die problematisch er-
scheinen. Den Übergang zum wissenschaftlichen Weltbild in lonien und speziell in Milet erklärt
Latacz in wesentlichen Teilen aus den äußeren Bedingungen der Kolonisation: ,,Eine sinnvolle
Kolonisationspolitik setzte die Bändigung, Auswertung und Verplanung der Informationsmasse
durch Sichtung und Ordung voraus" (S. 514). So wird ein neuer Menschentyp hervorgebracht:
der Forscher. ,,Forschungsobjekt ist dabei zunächst die Natur. ... Schon bald aber greift das Fra-
gen über den rein synchronischen Funktionszusammenhang hinaus und sucht nach Erklärungen
für dessen Gewordensein" (S. 516). Aber war umgekehrt die Frage nach der archö bei den milesi-
chen Naturphilosophen nicht am Anfang, wie sie auch bei Hesiod noch am Anfang stand? Ent-
stand die Frage nach dem Gewordensein erst als logische Konsequenz, nachdem das So-Sein er-

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