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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 35.1992

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Nr. 1
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Buchbesprechungen
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Wölke, Hansjörg: [Rezension von: Die griechische Literatur in Text und Darstellung. 1. Archaische Periode. Hrsg. v. Joachim Latacz]
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Spranger, Peter: [Rezension von: Vera U. G. Scherr: Aufführungspraxis Vokalmusik. Handbuch der lateinischen Aussprache]
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https://doi.org/10.11588/diglit.35880#0041

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forscht war, oder wurde, wie die Dinge sind, nicht von vornherein daraus erklärt, wie sie gewor-
den sind — so, wie es auch der Mythos vorgegeben hatte? Im übrigen werden die ionischen Na-
turphilosophen nicht eigens behandelt. Latacz gibt dafür einen äußerlichen Grund an: da so gut
wie nichts von ihnen im Wortlaut erhalten sei, fügten sie sich nicht dem Charakter der Reihe. Xe-
nophanes, Heraklit und Parmenides dagegen gelten, beruhend ,,auf ausgedehnten eigenen Vor-
arbeiten" (S. 518), ausführliche Darstellungen.
Die Übersetzungen stammen größtenteils von Latacz selbst (nur für Homer verließ er sich teil-
weise auf Schadewaldt, für Pindar auf Eugen Dönt und für Bakchylides auf Herwig Maehler).
Übersetzungen in zweisprachigen Ausgaben sollten nicht in erster Linie selbständig, als Ersatz
des Originals ihre Wirkung entfalten, sondern zum Original hinführen. Andererseits hat es La-
tacz, und das ist begreiflich, nicht über sich gebracht, Lyrik nicht in Verse zu fassen. Jedoch hat er
die Strophenformen nicht Silbe für Silbe nachgeahmt. Warum er allerdings ausgerechnet das ein-
zige Stück, das Semonides in Distichen abgefaßt hat (29 Diehl = Simonides 8 West) in die sonst
bei ihm üblichen lamben umgeformt hat (wie übrigens auch den ganzen Theognis), verstehe ich
nicht recht. Manchmal arbeitet Latacz, statt Anmerkungen zu geben, auch Interpretationen, die
die vermutete Aussage des Fragments verdeutlichen, vorsichtig in die Übersetzung ein. Das man-
cher Kompromiß nötig war, weiß Latacz selbst. Mir scheint das Ganze recht gelungen.
An diesem Ort lautet die entscheidende Frage: ist das Buch in der gymnasialen Oberstufe ver-
wendbar? Ich denke: es ist. Als Grundlage z.B. von Schülerreferaten eignet es sich gerade des-
sentwegen, was manch einer, von Werner Jaeger oder Friedrich Klingner kommend, vermissen
mag: nicht die geistige Physiognomie eines Autors oder einer Zeit stehen im Vordergrund, nicht
Wertungen, die Schüler nur nachplappern könnten, sondern Objektivierbares, Nachprüfbares,
auch Exemplarisches, auf andere Werke der Literatur Übertragbares. Das Buch ist eine wertvolle
Bereicherung.
DR. HANSjöRG WÖLKE, Görresstr. 26, W-1000 Berlin 41

Vera U.G. Scberr: Aufführungspraxis Voka/mus/k. Handbuch der /ate/nischen Aussprache; k/as-
sisch-itahenisch-deutsch; mit ausfühdicher Phonetik des /ta/ienischen. Kasse/, Base/, London, New
York. Bärenreiter 7 99/. XV/, 275 5., 64,— DM.
Es ist nicht leicht, auf einem jahrhundertelang nach allen Seiten hin wieder und wieder durch-
pflügten Acker aufsehenerregende Funde zu machen. Dies gilt mutatis mutandis für viele Wis-
sensgebiete. Um so beachtenswerter sind gelegentliche Ausnahmen. Auf eine solche ist im Be-
reich der Musikwissenschaft nunmehr zu verweisen, auf ein Buch, das trotz des in Teilaspekten
bereits gründlich untersuchten Themas dank seiner neuen Perspektiven und seines nachdrück-
lich herausgearbeiteten Praxisbezugs ausgesprochenen Aktualitätswert besitzt.
Der Entstehung des Werkes lagen persönliche Erfahrungen zugrunde. Die Autorin, als Solistin
und Chorsängerin häufig mit Vokalmusik in lateinischer Sprache befaßt, sah sich immer wieder
mit Unsicherheiten, ja Streitigkeiten von Dirigenten und Sängerkollegen konfrontiert, wie man
nun das Latein in Palestrinas,,Missa Papae Marcelli", Bachs h-Moll-Messe, Mozarts ,,Exu!tate, ju-
bilate" oder Strawinskys ,,Oedipus Rex" zu artikulieren sei: in klassisch lateinischer, traditionell
deutscher oder italienischer Aussprache. Die zumeist recht willkürlich begründeten Antworten
legten es nahe, nach Kriterien zu suchen, die ganz allgemein als verläßliche Orientierungshiifen
in solchen Fragen dienen konnten.

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