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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 35.1992

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Nr. 4
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Aktuelle Themen
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Bauer, Anton: Ziele und Inhalte einer zentralen Lehrerfortbildung im Fach Latein
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https://doi.org/10.11588/diglit.35880#0174

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rungsgemäß Anlaß zur Nachahmung geben. Besondere Aufmerksamkeit finden hier Projekte wie
Schülerzeitungen, die in lateinischer Sprache von Schülern herausgegeben wurden, oder Comics
und Cartoons, die mit lateinischen Sentenzen unterlegt sind, ja sogar selbst verfaßte lateinische
Theaterstücke, die mit großer öffentlicher Resonanz aufgeführt wurden, konnten vorgestellt wer-
den.
Zur sprachreflektorisch orientierten Methodik gehören auch ganz wesentlich systematische Vi-
sualisierungsmodelle zur Satzglied- und Periodenanalyse. Während erstere vorbildlich in den
eingeführten Lehrwerken dargestellt ist, hat es sich die Lehrerfortbildung in den letzten fahren
verstärkt zur Aufgabe gemacht, die bekannten, aber häufig der satzsemantischen Komplexität
nicht genügenden Strukturmodelle wie das Kästchenmodell, die Einrückmethode, das Kolum-
nenmodell, sowie Zahlen- und Symbolmodelte weiter zu verfeinern, zu optimieren und so aus-
zuarbeiten, daß die vorgeführten Modelle sowohl a-priori als methodische Hilfe beim Entschlüs-
seln komplexer Perioden eingesetzt werden können als auch als Analysemodell a-posteriori zur
Darstellung der syntaxlogischen Strukturen etwa von Abituraufgaben in zufriedenstellender, un-
zweideutiger Weise taugen. Gerade für den Klassischen Philologen interessant ist hier die De-
monstration moderner linguistischer Strukturmodelie, so die generative Transformationsgramma-
tik und die an der Valenztheorie von Satzgliedern orientierte Dependenzgrammatik, die der Alt-
philologe wenigstens kennengelernt haben sollte. Ergänzend zur Syntax werden immer wieder
grammatische Phänomene zu behandeln sein und zwar dort, wo der Lehrer vor Ort heute auf im-
mer größere Schwierigkeiten beim Verständnis durch seine Schüler stößt; hilfreiche Ansätze soll-
ten angeboten werden etwa bei der semantischen Opposition von Gerund und Gerundiv, der
Dekodierung verschränkter Relativsätze durch die Entschränkungsmethode, der Transkription ei-
nes schwierigen Textes in kolometrische Schreibweise oder etwa bei der Analyse von Kasuskate-
gorien unter Hinzuziehen tiefenstruktureller Entschlüsselungsmethoden. Daneben darf aber
auch nicht vergessen werden, immer neue Anregungen für den wichtigsten Bereich im Spracher-
werb, den der Wortschatzaneignung, bereitzustellen. Wortkundliche und sprachwissenschaftli-
che Betrachtungen zur v.a. visuellen Verankerung des lateinischen Wortschatzes müssen heute
auch stets im Lichte der multiplen Anbindung zum Englischen, Französischen und Deutschen
vorgenommen werden und zwar möglichst unter Einbindung der modernen lernpsychologi-
schen Erkenntnisse, wie dies leider noch viel zu wenig in der Praxis geschieht; zumindest Frede-
ric Vesters Buch „Denken, Lernen, Vergessen" sollte jeder Lateinlehrer einmal gelesen haben.
Ein weiteres großes Gebiet im schier grenzenlosen Bereich moderner methodischer Ansätze ist
die Textlinguistik, die gerade für die kunst-prosaische und dichterisch-gebundene Textsorte eine
dem gymnasialen Niveau entsprechende Interpretationshilfe darstellt. Hier geht es hauptsächlich
um das Erkennen des inneren Bauplanes einer Rede, eines Gedichtes oder einer zentralen Text-
passage oder eines Briefes anhand von vorgegebenen Kriterien.
In der Regel wird auch ein eigener Fachwortschatz mit den Phänomenen eingeführt, den sich der
Lehrer häufig eben auf der Universität oder im Seminar nicht aneignen konnte. In Anlehnung an
textlinguistische und sprach- bzw. wirkungspsychologisch ausgerichtete Interpretationsmetho-
den z.B. von einer lateinischen Rede oder einem Gedicht werden den Lehrkräften für den Ober-
stufenunterricht stets auch Visualisierungshilfen meist im Folien-Overlay-Verfahren am OH-
Projektor vorgeführt, die im Unterricht erprobt wurden und sich bewährt haben; dabei kann es
sich um ein Strukturprogramm handeln, um ein Prädikatenrelief, eine in-group/out-group-
Relation, im Bereich der Stilphänomene um textgeometrische Strukturen wie konzentrische Ver-
dichtung, Symmetrien, Mehrfachparallelismen, catenationes oder iuxtapositiones, um nur einige

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