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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 36.1993

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https://doi.org/10.11588/diglit.35882#0068

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normalen Overhead-Folien nicht zum Tragen kommt. Aber die Zeichnungen sprechen auch so
für sich. FIXLUJA!'
DR. NORBERT GERiz, 4800 Bielefeld

Amerikanische und antike Rhetorik
Der amerikanische Professor Gray Wills hat einen für Altphilologen hochinteressanten Essay
über die berühmte Rede vorgelegt, die der amerikanische Präsident Abraham Lincoln am 19.
November 1863 anläßlich der Einweihung des Friedhofs in Gettysburg gehalten hat und „die mit
ihren Ausdrucksmitteln ganz in der Tradition der antiken Redekunst steht". Joachim Becker stellt
das Buch in der F.A.Z. vom 3.2.1993 (S. 9) vor: Gary Wl/Is; Lincoln af Gettysburg. The Worbs
fbaf Remabe America. Simon &ScL)usfep New York 1992, 319 Seifen, 23,- Dollar. Lincolns Rede
umfaßte nur 272 Worte und stand stilistisch in starkem Kontrast zu der auf derselben Feier
gehaltenen zweistündigen Ansprache des Gräzisten, Theologen und Staatsmannes Edward
Everett. In Beckers Besprechung heißt es u.a.: „Akribisch genau - es ist ein intellektuelles
Vergnügen, dem Gang der Gedanken zu folgen - rekonstruiert Wills den historischen und
geistesgeschichtlichen Fl intergrund dieser 272 Worte in der Welt des Geistes und des rednerischen
Stils. [...] im Anhang sind die Rede von Everett sowie Reden von Perikies, Gorgias und die
Gettysburger Ansprache abgedruckt, was dem Leser einen unmittelbaren Vergleich ermöglicht
und die überraschenden Ähnlichkeiten des Aufbaus und der Redefiguren noch deutlicher macht.
Gary Wills hat den Zusammenhang zwischen der griechischen Tradition des gesprochenen
Wortes und der amerikanischen politischen Rhetorik und dem von ihr beeinflußten kollektiven
Bewußtsein überzeugend dargelegt. Die antithetischen Redeformen der Griechen begegnen uns
in der zeitgenössischen Redepraxis wieder - besonders bei John F. Kennedy, der zur Vorberei-
tung seiner Inauguralrede seinen Redenschreiber Theodore C. Sorensen gebeten hatte, heraus-
zufinden, worin das Geheimnis der Gettysburger Ansprache bestanden habe. Das Buch von
Wills ist der Schlüssel zu diesem Geheimnis: wägende Kürze, antithetische Zuspitzung,
Abstraktion als ästhetische Kraft und Antrieb der inneren Bewegung (,movere'), Macht der
Symbole und Gleichgewicht von Gedanke und Satz. Die antike Redekunst ist im vergleichswei-
se jungen Amerika so gegenwärtig, wie sie der politischen Rede in Deutschland fern ist."
A.F.

Zeitsch riftenschau

Fachdidaktik
Der A!tsprach!iche Unterricht 1/93 ist unter dem Titel „Ficta-Facta-Monumenta" der unter-
richtlichen Vermittlung von „Historie im Medium lateinischer Sprache" (Einleitung) gewidmet.
- Das Verhältnis von „Gefundenem und Erfundenem" bei Sallust und Tacitus untersucht G.
PETERSMANN unter dem Titel „Die Fiktionalisierung von Fakten": Es „wird niemand an der
Tatsache Vorbeigehen, daß es nicht eine, d.h. öle Geschichtsdarstellung einer Epoche etwa gibt,
sondern viele und z.T. sehr unterschiedliche. Gibt es demnach die ,Literatur der Fakten' nicht,
sondern nur eine ,Fiktion der Darstellung des Faktischen'? ... Gibt es überhaupt Kriterien, die es
ermöglichen, zwischen Fakten und Fiktionen zu unterscheiden?" Eine „Didaktik des richtigen

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