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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 37.1994

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Aktuelle Themen
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Maier, Friedrich: Zukunft nicht ohne die Antike: Perspektiven des altsprachlichen Unterrichts : zur Eröffnung des DAV-Kongresses in Bamberg 1994
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https://doi.org/10.11588/diglit.33059#0047

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Zukunft nicht ohne die Antike
Perspektiven des altsprachlichen Unterrichts
Zur Eröffnung des DAV-Kongresses in Bamberg 1994
Unsere Zeit ist von hektischer Unruhe und Aufgeregtheit Viel Altes bricht zusammen Das Neue,
das auf uns zukommt, stimmt uns nicht immer zuversichtlich. Auf dem Weg über die Jahrtausend-
grenze fühlen sich die Menschen, wer kann es verdenken, verunsichert und nicht ohne Ängste,
Analysen zeigen es: Soll man sich festklammern an den überkommenen Denk- und Verhaltensmu-
stern, den Traditionen, oder davon lösen? Liegt alles Heil im Neukommenden, im Fortschritt? Sol-
che Gespanntheit spürt jeder in sich; sie ist aber auch Signum der Gesellschaft im ganzen, heute
noch ausgeprägter als früher. Um so mehr trifft das zu, was der polnische Philosoph Leszek Kola-
kowski schon vor 30 Jahren schrieb, als er den Kampf zwischen Altem und Neuem, der immer auch
ein Konflikt der Generationen ist, auf die markante Formel brachte: „Es gibt zwei Umstände, deren
wir uns immer gleichzeitig erinnern sollen: Erstens, hätten nicht die neuen Generationen unauf-
hörlich gegen die ererbte Tradition revoltiert, würden wir heute noch in Höhlen leben; zweitens,
würde die Revolte gegen die ererbte Tradition universell, befänden wir uns wieder in den Höhlen.
Eine Gesellschaft, in der die Tradition zum Kult wird, verurteilt sich zur Stagnation, eine Gesell-
schaft, die von der Revolte gegen die Tradition leben will, zur Vernichtung."
Der Deutsche Altphilologenverband, von Haus aus wegen der Inhalte der von ihm vertretenen Fä-
cher Hüter von „ererbter Tradition", macht sich mit dem Blick auf die 2000-Marke Gedanken über
seine Zukunft. Der Kongreß, der dieser Aufgabe dient, findet an einem Ort statt, der zu den tradi-
tionsreichsten Städten Deutschlands gehört, in der in diesem Jahr unter die schützenswertesten
Kulturwerte der Welt aufgenommenen Stadt Bamberg. [...]
Fragen wir uns aber: Ist die Wahl dieses Ortes in Bayern nicht etwa Zeichen von Schwäche, da uns
diese Stadt mit ihrer bekannt konservativen Atmosphäre kaum zwingt, die Höhlen zu verlassen? Zu
viel Geborgenheit in einem Reservat humanistischer Bildung? Wenig Anlaß, uns der Gefährdung
unserer Position bewußt zu werden? Also auch mangelnder Sinn für eine tiefgreifende Diskussion
über die neuen Aufgaben der Alten Sprachen? Fehlen dazu das Umfeld und die aufreizenden Hin-
tergründe? Das wäre falsch kombiniert. Auch in Bamberg kennt man den Fortschritt, auch diese
Stadt ist alt und modern zugleich. Und die Welt ist durch die Medien von Fernsehen, Rundfunk und
Presse so eng zusammengerückt, daß universelle Entwicklungen immer zugleich auch lokal erfah-
ren und in ihren Wirkungen gespürt werden. Die „Weltszenarien 2000" sind ja unlängst nicht weit
von hier, in Nürnberg, von einem kompetenten Kenner der Materie in nüchterner Offenheit vorge-
zeichnet worden, von Dr. Konrad Seitz, dem Deutschen Botschafter in Rom, beim Kongreß des
Deutschen Philologenverbandes 1992 Was Seitz damals sagte, klang sehr - beim ersten Anhören -
nach Revolte gegen die Tradition. Europa werde, wenn es nicht an der in Gang befindlichen
„technologischen Revolution" teilhabe, zur wirtschaftlichen Provinz verkommen, da es in der Welt-
konkurrenz - es war sogar von einem „Wirtschaftskrieg der Großmächte" die Rede - gegenüber
Japan und USA mit Notwendigkeit den kürzeren ziehe, mit schlimmsten Folgen für den zivilisatori-
schen Standard der Völker Europas und ihrer Menschen Dem Gymnasium als der allgemeinbilden-
den Schule obliege es deshalb zu allererst, die Jugend für eine solche gewissermaßen erdteilsi-
chernde Aufgabe zu konditionieren. Die Karte, auf die allein hier, wie es schien, gesetzt wurde, ist
der Fortschritt in Naturwissenschaft und Technik; von anderen ,Bildungs'-Aufgaben war nicht die

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