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34

Die Federzeichnung.

Mittel«
Italien.

Gotik.

Früh*

renaissance.

Draht»
kontur.

Naturalis
stischer
Kontur.

Italien. Die Primafederzeichnung setzte stets eine große Schulung und
Sicherheit voraus. Darum empfahl Cennini als Vorübung zuerst das BleigriffeL
zeichnen, dessen Fehlstriche sich mit Brotkrumen entfernen ließen, und erst
nach einem vollen Jahre die freie Federübung nach vorausgegangenem
Kohleentwurf1. Man fing mit einfachen Übungen im Figuralen (eserzio)
an, mit Kopien nach guten Vorbildern; dann erst folgten eigene Entwürfe,
Kompositionen (Tocchi di penna, sdxizzi di penna, Componimenti schizzati)
und schließlich jene ausgeführten, fertigen Vorzeichnungen für Gemälde, welche
bei Bestellungen oder Konkurrenzen vorzulegen waren (Bestellzeichnungen).
Wiewohl die Feder zum Klarmacher der Idee in jeder Art darstellender Kunst
wurde und die Komposition ihr eigenstes Gebiet bedeutete, liefen nebenbei
Bewegungsmotive, Akte, Draperiestudien, Hintergründe, Tier* und Pflanzens
Studien. Vor 1500 treten bereits Landschaften auf.

Die Federzeichnungen der GiottosPeriode zeigen noch eine bedächtige Form,
gleichmäßige Konturen mit langen, meist vertikal laufenden Parallelstrichen
längs der Faltenzüge oder mit sanften Pinselstrichen für die Hauptschatten
(Abb. 100, 266). Erst später werden kurze, schiefe Schattierungsstriche mit
gleichzeitiger Anwendung von Kreuzlagen für die dunkleren Partien angewandt.
Persönliche Ausdrucksweisen oder Schulunterschiede sind nicht so leicht bes
merkbar; es ist noch die Zeit des korporativen Schaffens von Meister und
Gesellen. Der Maßstab bleibt klein und die Figuren schweben noch in der
Oberfläche des Papieres, vielfach ohne jeden Hintergrund.

Mit dem Erwachen der Frührenaissance treten Zeichnungsindividualitäten
auf, die in Kontur und Schattierung allerlei Differenzierungen hervorbringen.
Es melden sich Schulunterschiede. Die Figuren drängen nach einem
größeren Maßstab und damit nach freierem kräftigen Duktus. In den Kon*
turen beachtet man eine sorgfältig herausgearbeitete kontinuierliche Linie,
eine fein durchgefühlte Silhouette nach Bildhauerart, mit angehauchten Lavie*
rungen, die bescheiden auf die Gesamtfläche Rücksicht nehmen. Der Umriß
gleicht oft Drahtlinien. Nur in unvollendeten Zeichnungen kommen pentis
mentreiche Formen vor. Von dem vorhandenen Zeichnungsmateriale ausgehend,
lassen sich hier Fra Angelico, Gozzoli, Fra Filippo, Pollaiuolo (Abb. 102, 60,
148, 150), Botticelli, del Garbo und Leonardo in eine Linie stellen. Der Schluß
wird nicht fehlgehen, wenn wir — beglaubigte Zeichnungen fehlen — auch
Masolino, Masaccio3, Uccello, Castagno mit dieser Technik in Verbindung bringen.

Die Vorliebe für festgefügte, gut konturierte Figuren wird in Florenz gar
bald gestört. Durch eine neue Strömung, die, weil sie formenreicher, bewegter sein
wollte, auf den typischen, streng zusammenhängenden Kontur verzichtet und ihre
Gestalten und Kompositionen aus lockeren, übergreifenden, schmissigen

' Diese Kohlevorzeichnungen lassen sich oft noch neben den Federzügen entdecken.

2 Ant. Pollaiuolo, Entwürfe für monochrome Fresken für eine Villa in Arcetri, aufs
gedeckt 1897. Vgl. Cruttwell, A. Pollaiuolo, London 1907, S. 116, Taf. 22. \- Aus: Vas.
Soc. VIII, 3* und 3b; 36'8 X 68"2 cm.

3 Die von A. Schmarsow (Masaccio»Studien, Kassel 1898—1900) ihm zugeschriebene
Zeichnung: Dioscur, Taf. 14, heute nicht allgemein zuerkannt, zeigt uns tatsächlich diesen
Typus.
 
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