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Meder, Joseph
Die Handzeichnung: ihre Technik und Entwicklung — Wien, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.9755#0497
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Teilstudien.

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sitzt er vor den Käfigen in Amsterdam und skizziert unermüdlich in wuchtigen
Strichen jedes neue Regen des gewaltigen Tieres. Entsprechend seinen biblischen
Stoffen erwecken noch Kamele und Elephanten sein zeichnerisches Interesse.
Wenn wir die heute zerschnittelten und verstreuten Originale und Kopien nach
verlorenen Stücken zusammenhalten wollten, sie müßten ein ganzes Skizzen«
buch ergeben. Fast jede große Sammlung besitzt Studien oder Nachzeichnungen1.

Auch sonst entstammt die Mehrzahl der vorhandenen holländischen Blätter Studien
mit Rindern, Pferden, Schafen, Ziegen, Hunden den Skizzenbüchern (Abb. 335). und lnre
In einzelne Stücke zerteilt, um nach altem Mißbrauch nach Gattungen ein* Bewertung,
geordnet zu werden, fast durchwegs in Kreide, Rötel, seltener Kreide«Rötel,
tragen sie — von jenen hervorragender Künstler abgesehen — heute manches
Konventionelle an sich, das häufig jeder sicheren Bestimmung widerstrebt.
Größere Wertschätzung erfuhren schon frühzeitig kompositioneile Anlagen,
Zeichnungen mit Bildwirkung, vielfach von den Meistern mit echten, oder von
Sammlern und Händlern mit nachgetragenen Signaturen versehen. A. Cuyps oder"
P. Potters vollendet gezeichnete Tierstücke für Staffeleibilder, wie z. B. des letzteren
Kalbende Kuh (A.), beanspruchen den Wert abgeschlossener Kunstwerke (Abb. 121).

Eine Weiterführung zum selbständigen Kunstobjekt erfuhr die Tierzeichnung Tier*
in der Radierung. Einzelne Maler wie Potter, A. Cuyp, Adriaen v. d. Velde, radierungen.
Karel Dujardin, N. Berchem widmeten ihre Platten ausschließlich dem Tierstück.
Aber selbst in Fällen, wo letzteres nur zur Staffage geworden, dringt des
Künstlers Absicht deutlich durch, die gewonnenen Resultate der Freilichtstudien
in einer ähnlichen Technik künstlerisch weiterzuführen, in klaren Umrissen
Erscheinung und Charakter herauszuarbeiten und alle stofflichen Unterschiede
strichmäßig zur Geltung zu bringen. Sie gleichen virtuosen Federzeichnungen
in bildmäßiger Auffassung. Holland war und blieb die Schule für alle anderen
Länder. Der Export seiner Bilder nach allen Seiten hin gab Anregung zur Nach«
ahmung, aber auch den Antrieb zu neuen nationalen Werten. Deutschland, Frankreich
und selbst Italien zeigen an ihren Tiermalern diese mächtige Beeinflussung.

Im Anschlüsse an das Tierstudium sei noch jener wenigen auf die große Stilleben.
Gruppe der Stilleben bezugnehmenden Zeichnungen gedacht. Die große Mehr?
zahl der Jagd* und Küchenstücke, beladenen Speisetische und Vorratskammern,
Frucht? und Blumenstücke hatten eine andere Entstehung. Die möglichst getreuen
Naturnachahmungen eines buntschillernden Gefieders, der Rauh« oder Glatt«
haarigkeit von Fellen, der Früchte voller Glanz oder mit Reifestaub, halb«
durchsichtiger Trauben in feinster Ausführung waren rein koloristische Auf«
gaben. Ein vorhergehendes zeichnerisches Durcharbeiten erbrachte geringen
Vorteil. Wohl aber bedurften derartige kunterbunte Zusammenstellungen einer
wohlabgestimmten kompositioneilen Anlage, um eine geschickte Verbindung
der Einzelheiten zur Einheit in Fläche und Farbe zu erzielen. (Abb. 103—106).

1 Vgl. Hofstede, Rembrandt*Urkunden, S. 203, Nr. 249.

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