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Meder, Joseph; Dürer, Albrecht [Ill.]
Dürer-Katalog: ein Handbuch über Albrecht Dürers Stiche, Radierungen, Holzschnitte, deren Zustände, Ausgaben und Wasserzeichen — Wien, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.25797#0070
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Technische Erläuterungen

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noch im letzten Moment angebrachten Korrekturen und das Fehlen aller Modellierung. Hiezu
diente eine andere Vorlage in feiner Federtechnik, welche die Körper- und Draperiebildung
enthielt.1

Eine weitere Stufe sehen wir in dem bereits gestochenen, reinen Konturabdruck der „Kreu-
zigung“ (P. 109, D. 107), die, wiewohl von einzelnen Forschern Dürer abgesprochen, doch auf
seine noch erhaltenen großen Vorstudien von Einzelfiguren zurückgeht, welche ob ihrer sorg-
fältigen Ausführung zwar mit größerer Wahrscheinlichkeit für ein Gemälde bestimmt gewesen
sein mochten, schließlich aber mit dem Aufgeben eines solchen in jenem Stich Verwendung fanden.

Eine ähnliche stecherische Ausnützung vorhandenen Materials begegnet uns deutlich bei den
Aposteln Bartholomäus (B. 47) und Philippus (B. 46), die ihre Entstehung gleichfalls den als Gemälde-
studien gedachten Vorzeichnungen (L. 581 und 580) verdankten. Den klarsten Einblick in das
Wesen seiner gewissenhaften Arbeitsweise gewährt uns das auf einem weitgehenden und gründ-
lichen Studium beruhende Material zum Adam- und Eva-Stich. Während die beiden zwei
Stufen bezeichnenden Probedrucke der Albertina noch die konturmäßige Übertragung auf die
Platte erkennen lassen, die mit dem Stichel nachgezogen wurde, zeigen Komposition und
Modellierung die Verwendung von Detailstudien, wie wir sie in gleicher Gründlichkeit bis dahin
noch nicht kennen.2

Ging Dürer darauf aus, besondere Effekte zu erzielen, wie gute Akte, Pflanzengruppen,
naturalistische Felsgruppen, Riemenzeug oder metallische Objekte mit interessanten Glänzen,
dann war ihm keine Mühe für jedes Detail zu groß und die säuberlichst ausgeführten Einzel-
studien gingen, so wie bei Gemälden, auch für stecherische Aufgaben voran, worin er alle
Möglichkeiten zu Niegesehenem und Niedagewesenem anstrebte und auch erreichte. Wenn wir
die Eisenhelme im Totenkopf- und Hahnenwappen in ihrer unglaublichen Vollendung bestaunen,
dann müssen wir auch zur Erklärung dieser heute noch unnachahmlichen Technik die beiden
Studien im Louvre (L. 357) heranziehen.3

Der Holzschnitt hatte andere Ziele, bedurfte nicht derartiger, aber anderer Vorarbeiten, bei Holz-
Wie gewissenhaft Dürer auch hier vorgegangen sein mochte, z. B. bei den großen Holzschnitten schnitten
zu Kaiser Max oder Varnbfiler, erschließen wir nicht nur aus den hiezu gehörigen Naturstudien
(L. 546, 578), sondern auch aus einer dritten Zeichnung, einer richtigen Werkzeichnung zu einem
geplanten, aber nicht ausgeführten Holzschnitt des Kardinals Lang von Wellenburg (L. 548), Lang von
die den stufenweisen Vorgang erhellt. Weil Dürer nicht nur auf das in den Naturstudien erzielte Wellenburg
Porträtmäßige und Künstlerische der Komposition den größten Wert legte, sondern auch auf eine
klare und charakteristische Linienführung in der Schattierung, um den Holzschnitt zu einem
neuen Stil zu erheben, unterzog er sich sogar der Mühe, dem Formschneider die Aufgabe der
Modellierung durch Mustervorlagen in der Weise zu erleichtern, wie sie uns die Albertina-
zeichnung des Kardinals Lang überliefert hat (Abb. jy). Sie trägt bereits alle Kennzeichen einer
fertigen Holzschnittzeichnung an sich: in der Klarheit der Linien, in den wohlberechneten
Federzügen, zumal in den wenigen Kreuzlagen und den vereinfacht gelegten Haarformen. Das
fettige Oleat, auf dem die Tinte stellenweise in Tröpfchen zerrann, überzeugt außerdem, daß

1 Vgl.Tietze, Wiener Jahrb.VII, S. 250 und Abb. 12. — Ferner Beets, Vier neue Dürer-Zeichnungen, Zs. f. b. K.

1930/31, S. 192 ff. und Abb. S. 197.

2 Meder, Handzeichnung, S.353; Hände- und Armstudien für Adam L.234, London. Ferner für beide Figuren
L. 173, dann L.234, 235, 241, 242, 393, 475, 476.

3 Die jeweiligen für Stiche und Holzschnitte verwendeten und noch vorhandenen Entwürfe und Studien werden
im Texte dieses Kataloges unter den einzelnen Nummern angeführt.
 
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