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Österreich / Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale [Hrsg.]
Mittheilungen der K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale — 8.1863

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Nr. 2 (Februar 1863)
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Vocel, Jan Erazim: Die Baudenkmale zu Mühlhausen (Milevsko) in Böhmen, [2]
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Sava, Karl von: Beiträge zur mittelalterlichen Sphragistik
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https://doi.org/10.11588/diglit.25927#0056

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— 46 —

geführte Bauwerk zeugt von der Eite, mit welcher dasselbe
im angstvollen Drange der Verhältnisse aufgeführt wurde,
und das abgeschlagene Mauerwerk rings um die Schiess-
lucken, zumal an der Chorseite gibt Kunde von den gewal-
tigen Angriffen der Feinde, welche die Vertheidiger hinter
den Schiessscharten und die in den Räumen der Kirche
angstvoll zusammengedrängten Weiber und Kinder mit dem
Tode bedrohten. Welch' erschütternde Scenen mögen
wohl innerhalb jener Mauern vorgefallen sein, Scenen, von
denen unsere papierene Geschichte keine Kunde gibt, die
aber durch die Gesammtanlage dieses Baues lebhaft vor
die Seele gerückt werden!
So linden wir denn zu Mühlhausen, jenem von den
Hauptadern des Verkehrs abgelegenen, wenig bekannten
Städtchen Baudenkmale, durch welche fast alle Baustyle
des Mittelalters repräsentirt erscheinen. In der Kloster-
basilica stellen sich die romanischen Formen in ihrer fast

primitiven Einfachheit dar, während dieselben an der
Westseite der Ägidiuskirche zierlich entwickelt Vorkom-
men. Das Gepräge des Ühergangsstyles vom Anfänge des
XIII. Jahrhunderts gewahrt man im Presbyterium der
Basilica und in der schönen an dieselbe anstossenden
Capelle. Die reinsten Formen der Gothik des XIV. Jahr-
hunderts bieten sich in dem gothischen Erweiterungsbau
der St. Ägidiuskirche dem Auge dar, und als ein Nothbau
des XV. Jahrhunderts, als eine in der Eile aufgeführte
Castellkirche erhebt sich noch bis zu dieser Stunde die
St. Bartholomäuskirche am Stadtplatze, allerdings, um in
nächster Zeit einem neuen Baue Platz zu machen; und
endlich muss bemerkt werden, dass auch die Renaissance
Spuren ihrer Bauweise an der Deckenwölbung der Basilica
und an dem Täfelwerk der St. Ägidiuskirche hinterlassen
hatte.

Beiträge zur mittelalterlichen Sphragistik.
Von Kar] v. Sava.

I.
Bischöfliche Siegel in Öslerreich unter der Unns.
Für das Studium der Entwickelung des Kunststyles
sind die Porträtsiegeider hohen geistlichen Würdenträger,
auf weichen diese in Bruststücken, oder stehend, oder
auf Faidistorien thronend erscheinen , von besonderer
Wichtigkeit. Derlei Siegel sind zahlreich, oft in ununter-
brochenen Reihen erhalten, und zeigen anfangs einen ern-
sten und strengen Styl; in der fortschreitenden germa-
nischen Periode eine tüchtige Durchbildung des Faltenwur-
fes und in der zweiten Hälfte des XIV. und im XV. Jahr-
hundert mit Zuhilfenahme architektonischer Ausschmückun-
gen und Aufnahme von Schutzheiligen und Engeln nicht
sehen eine hohe Kunstvollendung.
Wir erwähnen hier nur der Siegel des Bischofes Cas-
par von Pomesanien vom Jahre 1440*) mit seiner reichen
und zierlich durchgeführten Architectur, des Erzbischofes
von Magdeburg Ernst von Sachsens), der Bischöfe von
Halherstadt und Breslau; und wenden wir unser Augen-
merk auf nicht deutsche Länder, so müssen vor Allem die
herrlichen Siegel der Bischöfe von Durham genannt werden.
Einen einfacheren und ernsten kirchlichen Styl bewah-
ren die Thronsiegel der drei geistlichen Kurfürsten; erst
mit dem Ausgange des Mittelalters treffen wir auf den Sie-
geln des Cardinal-Erzhischofes von Mainz, Albert von Bran-
denburg (1514—1543), eine bis dahin nicht gebräuch-
liche Prachtentwickelung, die mit ihm auch wieder ver-
schwindet. Eine Abbildung seines schönen Ablasssiegels


und eine genaue Beschreibung der übrigen zwölf Siegel
dieses Kirchenfürsten hat Dr. Römer-Büchner im 6. Hefte
des Archives tür Frankfurts Geschichte und Kunst mit-
getheilt i).
In Österreich unter der Enns, dessen beide Bisthümer
zu Neustadt und Wien erst in der zweiten Hälfte des
XV. Jahrhunderts gegründet wurden, müssen die Siege!
der Äbte und Pröpste der Klöster die Stelle der bischöf-
{ichen vertreten, und in dieser Richtung bieten die Siegel
der regulirten Chorherren und der Benedictiner in archäo-
logischer und kunstgeschichtlicher Beziehung eine reiche
Ausbeute dar; weniger jene der Cistercienser, denen schon
ihre Regel eine grössere Einfachheit gebot, doch bilden
hierin die Siegel der Cistercienser-Äbte in Wr.-Neustadt
mit der Darstellung der Dreieinigkeit und der Krönung
Mariens eine erfreuliche Ausnahme. — Es werden die Sie-
gel der Äbte und des niederen Curatclerus den Gegenstand
einer grösseren und eingehenderen Abhandlung bilden.
Es ist auffallend, dass keiner der Pröpste zu St. Ste-
phan ein Porträtsiegel führte, während der prunkliebende
Erzherzog Rudolph IV. seiner Stiftung ein prachtvolles
Capitelsiegel verlieh-)- für die Domherren eine mehr rit-
terliche als geistliche Kleidung anordnete, und den äusse-
ren Glanz vor Allem im Auge behielt, begnügten sich die
Pröpste mit einfachen Wappensiegeln, meist von unter-
geordneter Ausführung; das schönste darunter ist von dem

i) Ahlassbulle, ertheilt vom Cardina] Albert von Brandenburg, Erzbischof
von Mainz, .Magdeburg' und Bischof von Haibersladt, dem Weiss-
frauenkloster. Frankfurt am Main 1854. — Die übrigen Siegel Alberts
sind bei: Dreyhaupt Beschreibung des Saalkreises, theils bei: Würdt-
Juni-Heft.
 
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