Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Österreich / Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale [Hrsg.]
Mittheilungen der K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale

DOI Artikel:
Bock, Franz: Evangelienbuch aus dem IX. Jahrhundert im Prager Domschatz
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.25449#0125

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
97

Evangelienbuch aus dem IX. Jahrhundert im Prager
Domschatz.
Von Mgr. Dr. Franz Bock.
(Mit einer Tafel und einem Holzschnitte.)

Die Ungunst der Zeit hat leider nicht nur den reichhaltigen Schatz an Reliquienschreinen und
Grefässen, in deren Besitz die Metropole des heil. Vitus zu Prag durch die väterliche Fürsorge
und den Kunstsinn Karl’s IV. gelangt war, fast gänzlich schwinden lassen, sondern es ist auch
die Anzahl jener kostbaren Initial- und Miniaturwerke, der „Codices membranacei purpurei“, die
das Sammeltalent des Kaisers aus den verschiedenen Ländern der Christenheit nach Prag zusam-
mengebracht hatte, so sehr vermindert worden, dass man bei ihrer heutigen Betrachtung sich mit
Recht entsetzt über den Vandalismus der letztverflossenen Jahrhunderte, welcher diese prächtigen
Monumente der Frömmigkeit und des Kunstsinnes unserer Vorfahren preisgeben und vernichten
konnte. Der heutige Schatz der Kirche des heil. Vitus bewahrt nur noch wenige Beispiele von
solchen prachtvollen Initial- und Miniaturwerken aus dem frühesten Mittelalter, die aber immerhin
noch ahnen lassen, welche werthvollen Schätze auch in dieser Beziehung ehemals hier aufgehäuft
waren.
Unter diesen jetzt noch in der Schatzkammer befindlichen Codices beansprucht ohne
Zweifel den hervorragendsten Platz ein höchst merkwürdiges Evangeliarium , zu dessen
Ausstattung im Innern und Aussern sich viele Künste die Hand gereicht haben. Es ist dies ein
gut erhaltener und prachtvoll geschriebener Evangeliencodex, dessen Blätter 0,35 Mm. lang und
0,26 Mm. breit sind; seine Dicke beträgt 0,055 Mm. Diesem seltenen Manuscripte eine genauere
Betrachtung der einzelnen Theile zuwendend sei es uns gestattet, im Folgenden einige allge-
meine Bemerkungen vorauszuschicken über die reichen Einbände der werthvollen kirchlichen
Pergamentbücher in den ersten Jahrhunderten des Mittelalters.
Auf die innere und äussere Ausstattung zweier Ritualbücher pflegte das Mittelalter die
grösste Sorgfalt zu verwenden. Das erste dieser Bücher enthält die vier vollständigen Evangelien
nach Matthäus, Lucas, Johannes und Marcus nebst dem Prolog des heil. Hieronymus und wurde
codex Evangeliorum oder schlechthin Evangeliarium genannt1. Das zweite enthielt die vorge-
i Wohl zu unterscheiden von dem Evangelistarium, welches auch zu den Ritualbüchern gehörte, aber nicht die vollstän-
digen Evangelien enthielt, sondern nur einige ausgewählte Theile derselben sammt Lesestücken aus den Briefen der Apostel,
wie sie für jeden Tag des Kirchenjahres vorgeschrieben waren,
XVI.

15
 
Annotationen