Zeitschrift für Humor und Kunst x
27
Os8 sincl c>ss Xsisecs lllsnsn.
I?ukt Osutscks sus blutigem Ltcsuk
Osr l'ocl ru sisgrslcbsn kiknsn,
Hetin cl!s lllsnsn vorsus.
Die Jlluminaüvnskerzen
stichhaliigsten aller Gründe nicht zu
beschreiten: unsere Mittel waren
leichtsinnigerweise völlig erschöpft,
und Taschengeld gab es erst wieder
am nächsten Ersten. And darüber
war eigentlich schon mit beträchtlichen
Etatsüberschreitungen verfügt.
So umgab uns feindliche Dunkel-
heit, bis endlich der 27. Ianuar
herankam und dieses Datum zum
erstenmal Kaisers Geburtstag wurde.
Eine großartige Illumination wurde
vorbereitet: die Zeitungen sprachen
von einem Lichtermeer, das sich über
die Stadt ergießen würde. And siehe
da. Tante Laura wollte auch ihren
Anteil zu diesem Lichtermeer bei-
tragen. Wahrhaftig: sie ging zn
Krämer Priebe und ließ sich 24 Kerzen
geben, schöne dicke Kerzen. Vier
Fenster der Wohnung gingen nach
der Straße hinaus; also kamen auf
jedes Fenster sechs Kerzen, und das
war gewiß anständig illuminiert.
Wirklich, man mußte Tante Laura
das hoch anrechnen; es war ein
patriotisches Opfer, das, an ihrer
ängstlichen Sparsamkeit gemessen,
fast bewundernswerte Größe hatte.
Vetter Walter und ich mußten die
Kerzen in kleinen Gipsuntersätzen
aufftellen, — unter Beobachtung sym
metrischer Abstände. Es war bei
dieserBeschäftigung einnaheliegender
Gedanke, der von denKerzen hinüber-
fiihrte zu denbeidenneuestenBänden,
die wir unserer Teilnahme an der leb-
haften Bücherzirkulaton innerhalb
der Tertia verdankten. „Anter Kor-
saren" von S. Wörishöfer hieß der
eine und „Der blaurote Methusalem" von Karl May der
andere. Nur abschnittweise konnten wir während der Ar-
beitsstunden hineinsehn. Aber solche Bücher müssen doch
verschlungen werden, wenn sie richtig genossen sein sollen. In
ein paar Abendstunden hätten wir sie bewältigen lönnen.
Am halb acht Ahr abends steckte Tante Laura die Gar-
dinen an den Fenstern hoch, damit es keinen Brandschaden
gäbe, zündete die Kerzen an, freute sich an ihrem Schein
und sagte: „So, passieren kann nichts, — jetzt gehen wir
alle uns die Illumination ansehen." —
Wir wanderten durch die Lauplstraßen. Tante Laura
zählte an den Fenstern der Privathäuser die Kerzen, und
wenn sie irgendwo nur vier Stück pro Fenster erblickte,
freute sich ihr Lerz. Auf einmal stieß mich Vetter Walter
heimlich an. „Paß' auf, — ich verschwinde! Richte es so
ein, daß ihr in einer Viertelstunde an der Börse seid."
And dann war er fort, untergetaucht in der sich drängen-
deu Menge. Taute Laura merkte es erst nach füns
Minuten. Sie jammerte: „Daß der
Junge auch nicht aufpassen kann!
Ich habe ihm doch die Schlüssel ge-
geben — wie kommen wir nun in
die Wohnung?" Denn Tante Laura
hatte keine für die sichere Verwah-
rung von Lausschlüsseln geeignete
Tasche an sich. Einen Pompadour
wollte sie nicht tragen — der wäre
nur für ältere Damen, meinte ste in
schöner Selbsttäuschung —, und die
eleganten Landtäschchen waren da-
mals auch noch nicht erfunden. Aber
sie wurde ihrer Sorge bald enthoben.
Als wir an der Börse waren —
Tante Laura ließ stch unbewußt dort-
hin steuern —, tauchte Vetter Wal-
ter harmlos und unauffällig wieder
bei uns auf. Wo er denn gesteckt
hätte? - O, am Rathaus, — und über-
all hätte er sich nach uns umgeschaut.
„Na, — gut, daß du da bist.
Dann können wir ja nach Lause
gehn," sagte Tante Laura, und wir
wanderten zurück in unsere stillere
Straße. Aeberall brannten dort in
den Fenstern noch die Kerzen, hier
vier und dort sechs, aber beim
Pferdehändler Kleemann sogar acht,
was unsere Tante ärgerte. „Das
ist Protzerei," meinte ste. „Sechs
ist das Richtige. wie bei uns. Das
macht sich doch am-" „Am
besten" hütte ste jedenfalls sagen
wollen, aber sie vollendete den Satz
nicht. Denn schwarz und dunkel
lagen unsere Fenster da, während alle
übrigen ringsherum noch erstrahlten.
Nicht schnell genug konnte Tante
Laura in ihre Wohnung kommen.
Aber es war alles in Ordnung, nicht
das geringste war passiert. Die Kerzen
mußten in ganz normaler Weise
niedergebrannt sein; die schwarzen
Dochtreste lagen verkohlt auf den
Gipsuntersätzen. Tante Laura zitterte
vor Aerger. „Betrogen hat mich der Kerl, der Krämer!
Das sollen Stearinkerzen gewesen sein? Irgend einen
Schund hat er mir gegeben. Nie und nimmer bezahle ich
ihm das Zeug!" —
And wirklich, Tante Laura hat die Kerzen auch nicht
dem Krämer Priebe bezahlt. Sie händigte den Vetrag
dem Gerichtsvollzieher ein, der ein Iahr später erschien,
nachdem ste in zwei Instanzen einen mit erheblichen Kosten
verknüpften Prozeß verloren hatte.
An jenem Abend von Kaisers Geburtstag aber, als
Tante Laura unsere Kerze aus dem Schlafzimmer geholt
hatte, zündete Vetter Walter eine neue an. And noch
dreiundzwanzig andere hielt er sorglich verborgen, schöne
dicke Kerzen, denen nur die vberen Drittel fehlten, die er
mit glattem Messerschnitt abgetrennt und in Tante Lauras
Fenstern festlich hatte weiterbrennen lassen. Es war ein
prächtiger Kerzenvorrat, der viel genußreiche, befruchtende
und durchaus bekömmliche Lektüre ermöglicht hat.
— „Ia, wissen Sie, als der Krieg anfing,
hat da ein Russe ein Kästchen mit Gold
hineingeschmissen, damit die Polizei es
nicht kriegen sollte."
— „Blödsinn! Wer hat denn das gesehen?"
— „O bitte, — eine alte Frau hat es
plumpsen gehört."
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Os8 sincl c>ss Xsisecs lllsnsn.
I?ukt Osutscks sus blutigem Ltcsuk
Osr l'ocl ru sisgrslcbsn kiknsn,
Hetin cl!s lllsnsn vorsus.
Die Jlluminaüvnskerzen
stichhaliigsten aller Gründe nicht zu
beschreiten: unsere Mittel waren
leichtsinnigerweise völlig erschöpft,
und Taschengeld gab es erst wieder
am nächsten Ersten. And darüber
war eigentlich schon mit beträchtlichen
Etatsüberschreitungen verfügt.
So umgab uns feindliche Dunkel-
heit, bis endlich der 27. Ianuar
herankam und dieses Datum zum
erstenmal Kaisers Geburtstag wurde.
Eine großartige Illumination wurde
vorbereitet: die Zeitungen sprachen
von einem Lichtermeer, das sich über
die Stadt ergießen würde. And siehe
da. Tante Laura wollte auch ihren
Anteil zu diesem Lichtermeer bei-
tragen. Wahrhaftig: sie ging zn
Krämer Priebe und ließ sich 24 Kerzen
geben, schöne dicke Kerzen. Vier
Fenster der Wohnung gingen nach
der Straße hinaus; also kamen auf
jedes Fenster sechs Kerzen, und das
war gewiß anständig illuminiert.
Wirklich, man mußte Tante Laura
das hoch anrechnen; es war ein
patriotisches Opfer, das, an ihrer
ängstlichen Sparsamkeit gemessen,
fast bewundernswerte Größe hatte.
Vetter Walter und ich mußten die
Kerzen in kleinen Gipsuntersätzen
aufftellen, — unter Beobachtung sym
metrischer Abstände. Es war bei
dieserBeschäftigung einnaheliegender
Gedanke, der von denKerzen hinüber-
fiihrte zu denbeidenneuestenBänden,
die wir unserer Teilnahme an der leb-
haften Bücherzirkulaton innerhalb
der Tertia verdankten. „Anter Kor-
saren" von S. Wörishöfer hieß der
eine und „Der blaurote Methusalem" von Karl May der
andere. Nur abschnittweise konnten wir während der Ar-
beitsstunden hineinsehn. Aber solche Bücher müssen doch
verschlungen werden, wenn sie richtig genossen sein sollen. In
ein paar Abendstunden hätten wir sie bewältigen lönnen.
Am halb acht Ahr abends steckte Tante Laura die Gar-
dinen an den Fenstern hoch, damit es keinen Brandschaden
gäbe, zündete die Kerzen an, freute sich an ihrem Schein
und sagte: „So, passieren kann nichts, — jetzt gehen wir
alle uns die Illumination ansehen." —
Wir wanderten durch die Lauplstraßen. Tante Laura
zählte an den Fenstern der Privathäuser die Kerzen, und
wenn sie irgendwo nur vier Stück pro Fenster erblickte,
freute sich ihr Lerz. Auf einmal stieß mich Vetter Walter
heimlich an. „Paß' auf, — ich verschwinde! Richte es so
ein, daß ihr in einer Viertelstunde an der Börse seid."
And dann war er fort, untergetaucht in der sich drängen-
deu Menge. Taute Laura merkte es erst nach füns
Minuten. Sie jammerte: „Daß der
Junge auch nicht aufpassen kann!
Ich habe ihm doch die Schlüssel ge-
geben — wie kommen wir nun in
die Wohnung?" Denn Tante Laura
hatte keine für die sichere Verwah-
rung von Lausschlüsseln geeignete
Tasche an sich. Einen Pompadour
wollte sie nicht tragen — der wäre
nur für ältere Damen, meinte ste in
schöner Selbsttäuschung —, und die
eleganten Landtäschchen waren da-
mals auch noch nicht erfunden. Aber
sie wurde ihrer Sorge bald enthoben.
Als wir an der Börse waren —
Tante Laura ließ stch unbewußt dort-
hin steuern —, tauchte Vetter Wal-
ter harmlos und unauffällig wieder
bei uns auf. Wo er denn gesteckt
hätte? - O, am Rathaus, — und über-
all hätte er sich nach uns umgeschaut.
„Na, — gut, daß du da bist.
Dann können wir ja nach Lause
gehn," sagte Tante Laura, und wir
wanderten zurück in unsere stillere
Straße. Aeberall brannten dort in
den Fenstern noch die Kerzen, hier
vier und dort sechs, aber beim
Pferdehändler Kleemann sogar acht,
was unsere Tante ärgerte. „Das
ist Protzerei," meinte ste. „Sechs
ist das Richtige. wie bei uns. Das
macht sich doch am-" „Am
besten" hütte ste jedenfalls sagen
wollen, aber sie vollendete den Satz
nicht. Denn schwarz und dunkel
lagen unsere Fenster da, während alle
übrigen ringsherum noch erstrahlten.
Nicht schnell genug konnte Tante
Laura in ihre Wohnung kommen.
Aber es war alles in Ordnung, nicht
das geringste war passiert. Die Kerzen
mußten in ganz normaler Weise
niedergebrannt sein; die schwarzen
Dochtreste lagen verkohlt auf den
Gipsuntersätzen. Tante Laura zitterte
vor Aerger. „Betrogen hat mich der Kerl, der Krämer!
Das sollen Stearinkerzen gewesen sein? Irgend einen
Schund hat er mir gegeben. Nie und nimmer bezahle ich
ihm das Zeug!" —
And wirklich, Tante Laura hat die Kerzen auch nicht
dem Krämer Priebe bezahlt. Sie händigte den Vetrag
dem Gerichtsvollzieher ein, der ein Iahr später erschien,
nachdem ste in zwei Instanzen einen mit erheblichen Kosten
verknüpften Prozeß verloren hatte.
An jenem Abend von Kaisers Geburtstag aber, als
Tante Laura unsere Kerze aus dem Schlafzimmer geholt
hatte, zündete Vetter Walter eine neue an. And noch
dreiundzwanzig andere hielt er sorglich verborgen, schöne
dicke Kerzen, denen nur die vberen Drittel fehlten, die er
mit glattem Messerschnitt abgetrennt und in Tante Lauras
Fenstern festlich hatte weiterbrennen lassen. Es war ein
prächtiger Kerzenvorrat, der viel genußreiche, befruchtende
und durchaus bekömmliche Lektüre ermöglicht hat.
— „Ia, wissen Sie, als der Krieg anfing,
hat da ein Russe ein Kästchen mit Gold
hineingeschmissen, damit die Polizei es
nicht kriegen sollte."
— „Blödsinn! Wer hat denn das gesehen?"
— „O bitte, — eine alte Frau hat es
plumpsen gehört."