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42 Meggendorfer-Blätter, München

^xii'gblgii.

kin ^xlrsbistt u/ii'b sppiixienl,
isisn i<i'ilisiei't nncl expüxiei't
Uncl mecliliei't unb ünmmentiei'ü
ki'eikei'I sinb unb cÜLputiei't.
blncl memni'iei'I uncl pi'nlestiei't.

IDei' ist vni' üeeucle exsitiei'I,

kin snbei'ei' füb!l sinb eesigniei'!.

Uncl bis ein jectee cleüniei'Ii
Ulsi'um uncl u/ie msn npei'iei't,
Uüi'cl clui'iib ein neues bxti'sbislt
llsL eeste u/ieclec clementiei'I.

Der weMose Schatz

Kommode in der guten Stube. Dort steckte sie in einem
gelblackierten Vlechkästchen, von dem Lerr Nappenus nicht
das geringste wußte. 1250 Taler waren es, ganze 1250
preußische Taler. Sie stammten von einer Tante, bei der
Frau Mathilde als Mädchen und Waise gelebt hakte. Die
Tante hatte jenes Geld vor der Steuerbehörde verheimlicht.
Weil die Steuerbehörde sie so oft ärgerte, sagte sie. Als
dann aber die Zeit kam, und die Tante mit Sicherheit
fühlte, daß sie stch bald nicht mehr über die Steuerbehörde
und überhaupt über gar nichts mehr ärgern würde, da
hatte sie einfach der Nichte die 1250 Taler von Land zu
Äand übergeben. Dann gibt es keine Scherereien, hatle
sie gesagt.

Bald darouf hatte Mathilde Lerrn Rappenus ge-
heiratet. Sie hatte ihm nichts von ihrem heimlichen Besitz
gesagt. Warum nicht, das wußte sie später eigentlich selbst
nicht mehr so recht. Melleicht war es aus der unklaren
Ueberlegung geschehen, daß so ein kleiner sicherer Rückhalt

auf alle Fälle ganz schätzenswert
wäre. Denn sie hatte sich damals
sehr bestnnen müssen, ehe sie zu
Lerrn Rappenus ja sagte, und war
ein wenig bedenklich gewesen, ob sie
nicht doch ein Wagnis eingehe.

Nun, es war gut ausgeschlagen.
Sie waren vortrefflich miteinander
ausgekommen und hatten wacker
Seite an Seite gestritten, im Kampfe
um Dreier, Groschen und Taler,
fünsundzwanzig Iahre lang. Dann,
am silbernen Lochzeitstage, holte
Frau Mathilde früh morgens das
gelblackierte Blechkästchen aus der
Kommode hervor undsetzte es auf den
Frühstückstisch vor ihren Gatten.
So, das war ihre Festgabe.

Lerr Rappenus gab ihr einen
Kuß, ließ seine Augen einen Moment
wohlgefällig auf dem Blechkästchen
ruhen und klappte dann mit froher
Land den Deckel hoch. Da lagen
die 1250 Taler, — 50 Fünfund-
zwanzigtalerscheine. Wie?DasGeld
war gar nicht zinstragend angelegt
gewesen! Ia, das war doch aber —
— — Frau Rappenus erschrak.
Da hatte sie wohl gar etwas ver-
säumt! Ach ja, sie verstand sich
wohl darauf, um eines Groichen
willen sich etwas abgehen zu lassen;
sie wußte Groschen um Groschen auf-
zustapeln, aber daß die Summe der
Groschen dazu veranlaßt werden
kann. aus sich selbst heraus weiter
zu hecken, — dies zu bedenken, hatte
sie außer acht gelaffen.

Lerr Rappenus unterdrückte
eine aufkeimende böfe Stimmung.
Es war doch einmal der silberne
Lochzeitstag, und Mathilde hatte
es trotz alledem gut gemeint, ihn mit
dem Gelde zu überraschen. Er sagte,
die Sache wäre nicht so schlimm,
und gab ihr noch einen Kuß, und
das muß ihm hoch angerechnet werden, so hoch, daß ihm
darob die Lälfte aller Uebungen scines Geizes verziehen
werden kann. Dann machte cr sich daran, die Scheine zu
zählen, aber dieses Geschäft brachte ihm eine zweite und
viel peinlichere Entdeckung. Fünfundzwanzig Iahre lang
hatte Mathilde die Scheine versteckt gehalten, aber die
Tante mußte sie auch schon eine ganze Reihe von Iahren
dem öffentlichen Geldverkehr entzogen gehabt haben. Längst
verfallen waren sie, keinen Taler wert, keinen Groschen,
keinen Dreier. Einst hatten diese schön gehüteten Fünf-
undzwanzigtalerscheine wohl berechligte Anspriiche gegen
den preußischen Staat gewährt, aber damit war es lange
aus. Einem mittlerweile längst kassierten Iahrgang von
Noten gehörten sie an, und Lerr Rappenus gab sich nicht
im geringsten der Loffnung hin, daß der preußische Staat
nachträglich ohne Zwang etwas herausgeben würde. And
den preußischen Staat zu zwingen, — o Lerrschaften, das
ist verflucht schwer; das bringen ganz andere Leute nicht
fertig, wie Lerr Rappenus.
 
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