92 Meggerrdorfer-Blätter, München
Unbeabsichtigte Wendung — „Äeute laufen wir zum letztenmal zusammen,
Lerr Doktor. Morgen kommt mein Bruder. der wird
immer mit mir laufen wollen."
— „Aber ich bitte, — wo fo viele junge Damen hier
sind. wird er doch irgend eine nette Partnerin finden."
Serr Taucher mit der Klammer
wurde nun Inhaber des Geschäfts. Drei Iahrc nachher —
da war auch Mutter Karoline schon dahin gegangen — hei-
ratete er, reichlich spät. Der Name der Gattin tut nichts
zur Sache, die Person auch nicht; sie war eine Bürgers-
tochter der Stadt. Der Sohn, den sie ihm fchenkte, wurde
Otto gcnannt, nach dem Großvater mütterlicherseits.
Ludwig Taucher der Iüngere hatte fchon vom Vater
einen ansehnlichen Kasten mit Lypothekenbriefen und Ren-
tentiteln ererbt und konnte selbst alljährlich ein Ansehnliches
dazulegen. Das alte Geschäft am Marktplatz machte wie ein
braver Gaul allein seinen Weg. Für die Arbeit waren die
Gesellen da, aber vieles wurde in der neuen Zeit auch gleich
fertig bezogen. Lerr Taucher selbst hatte eigentlich zu wenig
zu tun, — nach außen hin, was ihm durch lästigen Fett-
ansatz merkbar wurde,
und auch nach innen hin,
was ihm wenigerbewußt
wurde. Der Vater hatte
oft tagelang über die
schönste Form eines
Schmuckstückes nachsin-
nen können, die Mutter
hatte ihre Olaire äs la
Ross Träume gehabt,
aber der Sohn hatte kei-
nerlei wohltätige Exerzi-
tien für die Seele; er
wurde übellaunig. Dann
fing er an, öfters aufRei-
sen zu gehn, erst in die
Nähe,dann in die Weite.
1900, als die Weltaus-
stellung war, fuhr er
nach Paris. Vierzehn
Tage hatte er dort blei-
ben wollen, aber es wur-
denfünfWochen daraus.
Das ließe sich begreifen,
Paris kann einen noch
viel länger festhalten,
aber in diesemFall lagen
die Gründe nicht in der
Stadt Paris, sond ernin
Äerrn Taucher selbst.
Monsieur Taucher
— Toschee — hatte der
Oberkellner in seinem
L>otel vom ersten Tage
an gesagt. Das war ihm
angenehm ins Ohr ge-
klungen, wie ein lange
vermißter Ton. Erhöht
kam er sich vor, in eine
feinere Sphäre gehoben.
Eine Saite war in ihm
berührt, die er von der
Mukter Olairs «IsHto -
in stch trug. Al» er
schließlich wieder nach
Äausekam und schon auf
dem Bahnhof mit „Gu
ten Morgen, Lerr Tau-
cher" begrüßt wurde,
war ihm das wie ein
unfreundlicher Ellbogenstoß. Im nächsten Iahre fuhr er.w' >-
der nach Paris; im Intereffe des Geschäfts, sagte ei>^her
eigentlich wollte er wieder einmal Monsieur Taucher
Toschee sein. Wie er zu Lause dann wieder das erste
„Äerr Taucher" vernahm, hatte er diesmal sogar beinahe
die Empfindung eines Faustschlags.
Wer hatte nun recht: die Leute in Paris oder die zu
Lause? Das war noch erst einmal festzustellen. Die Mutter
wäre zweifellos für Taucher — Toschee — gewesen. Ach
ja, die Mutter! Latte ste ihn nicht immer Louis nennen
wollen? Louis Taucher Toschee , klang das nicht vor-
trefflich! Wer wollte denn überhaupt behaupten, daß Toschee
nicht die richtige Aussprache wäre? Der Vater und der
Großvater freilich hatten Taucher ausgesprochen, wie es
geschrieben wurde, und der Argroßvater, der Reepschlägex,
Unbeabsichtigte Wendung — „Äeute laufen wir zum letztenmal zusammen,
Lerr Doktor. Morgen kommt mein Bruder. der wird
immer mit mir laufen wollen."
— „Aber ich bitte, — wo fo viele junge Damen hier
sind. wird er doch irgend eine nette Partnerin finden."
Serr Taucher mit der Klammer
wurde nun Inhaber des Geschäfts. Drei Iahrc nachher —
da war auch Mutter Karoline schon dahin gegangen — hei-
ratete er, reichlich spät. Der Name der Gattin tut nichts
zur Sache, die Person auch nicht; sie war eine Bürgers-
tochter der Stadt. Der Sohn, den sie ihm fchenkte, wurde
Otto gcnannt, nach dem Großvater mütterlicherseits.
Ludwig Taucher der Iüngere hatte fchon vom Vater
einen ansehnlichen Kasten mit Lypothekenbriefen und Ren-
tentiteln ererbt und konnte selbst alljährlich ein Ansehnliches
dazulegen. Das alte Geschäft am Marktplatz machte wie ein
braver Gaul allein seinen Weg. Für die Arbeit waren die
Gesellen da, aber vieles wurde in der neuen Zeit auch gleich
fertig bezogen. Lerr Taucher selbst hatte eigentlich zu wenig
zu tun, — nach außen hin, was ihm durch lästigen Fett-
ansatz merkbar wurde,
und auch nach innen hin,
was ihm wenigerbewußt
wurde. Der Vater hatte
oft tagelang über die
schönste Form eines
Schmuckstückes nachsin-
nen können, die Mutter
hatte ihre Olaire äs la
Ross Träume gehabt,
aber der Sohn hatte kei-
nerlei wohltätige Exerzi-
tien für die Seele; er
wurde übellaunig. Dann
fing er an, öfters aufRei-
sen zu gehn, erst in die
Nähe,dann in die Weite.
1900, als die Weltaus-
stellung war, fuhr er
nach Paris. Vierzehn
Tage hatte er dort blei-
ben wollen, aber es wur-
denfünfWochen daraus.
Das ließe sich begreifen,
Paris kann einen noch
viel länger festhalten,
aber in diesemFall lagen
die Gründe nicht in der
Stadt Paris, sond ernin
Äerrn Taucher selbst.
Monsieur Taucher
— Toschee — hatte der
Oberkellner in seinem
L>otel vom ersten Tage
an gesagt. Das war ihm
angenehm ins Ohr ge-
klungen, wie ein lange
vermißter Ton. Erhöht
kam er sich vor, in eine
feinere Sphäre gehoben.
Eine Saite war in ihm
berührt, die er von der
Mukter Olairs «IsHto -
in stch trug. Al» er
schließlich wieder nach
Äausekam und schon auf
dem Bahnhof mit „Gu
ten Morgen, Lerr Tau-
cher" begrüßt wurde,
war ihm das wie ein
unfreundlicher Ellbogenstoß. Im nächsten Iahre fuhr er.w' >-
der nach Paris; im Intereffe des Geschäfts, sagte ei>^her
eigentlich wollte er wieder einmal Monsieur Taucher
Toschee sein. Wie er zu Lause dann wieder das erste
„Äerr Taucher" vernahm, hatte er diesmal sogar beinahe
die Empfindung eines Faustschlags.
Wer hatte nun recht: die Leute in Paris oder die zu
Lause? Das war noch erst einmal festzustellen. Die Mutter
wäre zweifellos für Taucher — Toschee — gewesen. Ach
ja, die Mutter! Latte ste ihn nicht immer Louis nennen
wollen? Louis Taucher Toschee , klang das nicht vor-
trefflich! Wer wollte denn überhaupt behaupten, daß Toschee
nicht die richtige Aussprache wäre? Der Vater und der
Großvater freilich hatten Taucher ausgesprochen, wie es
geschrieben wurde, und der Argroßvater, der Reepschlägex,