102 Meggendorfer-Blätter, München
Auch ein Mittel „Zn die Stiefel von der Frau Rat laß 'n paar Nägel
rausstehen, auf Mahnbriefe reagiert se nich' mehr."
Das Schwein Von Friedrich Kipp
Traurig und öde lag das Dorf da.
Die Ruffen hatten es übel mitgenommen und die meisten
Läufer in Brand gesteckt, so daß fast alles einem großen
Trümmerhaufen glich. In den wenigen Läusern, die noch
unversehrt geblieben waren, standen die Ställe leer, waren
die Gegenstände zertrümmert und Kisten und Schränke
ihres Inhalts beraubk. Die Bewohner waren geflüchtet,
in alle Windrichtungen zerstreut und keiner wagte zurück-
zukehren.
Nur in einem kleinen Bauerngehöft, unten am Eingang
des Dorses, schien noch Leben zu sein. Man sah es am
aufwirbelnden Rauch des Kamins.
Dort lag in einem dunklen Bettkasten die junge Bäuerin,
die gerade ihrer schweren Stunde entgegensah, als die
Russen gekommen waren. Nun barg sie ein kieines mensch-
liches Wesen in ihren Armen, das jämmerlich schrie und
der Mutter Leid und Schmerz erhöhte, so daß es ihr tief
ins Lerz schnitt.
Die Ruffen hatten sie in Nuhe gelassen, doch hatten
ste alles mitgenommen, was sie mit ihren gierigen Länden
erreichen konnten und was sich fortschleppen ließ. Dann
waren sie auf ihren struppigen Gäulen davongejagt.
Nun erwachte in dem kleinen, baufälligen Lause die
Not, und durch die zersprungenen Fensterscheiben grinste
mit höhnischem Gestchte die Sorge, das Entsetzen herein.
Und doch kam die Ret-
tung, die Lilfe, die die
junge Frau mit ihrem
kleinen Erdenbürger
nicht umkommen ließ.
Durch das Fenster
schaute bald nach dem
Abzug der Kosaken ein
anderes Gesicht herein;
es war ein freundliches,
gutmütiges Antlitz, das
sich da an die kleinen
Fensterscheiben drückte
und in dem sich Teil-
nahme und Mitleid ab-
spiegelte; es war das
Gesicht des alten Schenk-
jakob.
Iakob, der bislang
Lausknecht im Dorf-
kruge gewesen war, hatte
einen sicheren Schlupf-
winkel gefunden, in dem
er sich verborgen hatte,
als die Ruffen so übel
hausten, und nun war
er der alleinige Be-
herrscher des allerdings
jetzt fast ganz zerstörten
Wirtschaftsgebäudes.
Da er die Lausgelegen-
heit kannte, so wußte
er sich noch einige
Lebensmittel zu ver-
schaffen, die die Kosaken
nicht fanden, und er
hatte daher vorläufig
keine Not. — Nun war
er aus seiner Ecke geschlichen, um zu sehen, wie es im
Dorfe aussah und dabei an das Laus der jungen Bäuerin
gekommen, wo er sie nun in ihrer Not und Bedrängnis
liegen sah.
Ihr wurde Iakob zum rettenden Engel.
Er schleppte von seinen Vorräten herbei, was sich
finden ließ und erhielt dadurch das Leben von Mutter und
Kind. —
Da steht eines Mittags, wie zu Eis erstarrt, der Iakob
neben dem Feuerherd und schaut auf die Türe.
Polkernd und fluchend kommt ein Ruffe herein, ein
Unteroffizier; draußen eilen drei oder vier russtsche In-
fanteristen vorbei.
Eine Patrouille ist's, die unter der Leitung des Anter-
osfiziers ausgezogen ist, um zu requirieren und die den
Versuch macht, in dem verödeten Dorf noch etwas auf-
zutreiben, denn im Lager, weit draußen, brennt der Lunger
in den Eingeweiden der Leute. Rußland schickt keine Lebens-
mittel, und die Dörfer sind ausgeraubt; da wird eben alles
versucht-
Wild schaut der Ruffe hinein und sieht die Pfanne
auf dem Lerd, in der der Iakob der Wöchnerin ein Luhn
brät. Er faßt an sein Seitengewehr und zeigt auf die Pfanne.
Iakob weiß, was das zu bedeuten hat, und lädt den
Ruffen zum Sitzen ein.
Dieser will Schnaps haben, denn er deutet auf den
irdenen Krug, der am Fenstersims steht, und in dem der
Copyright 1915 by I. F. Schreiber
Auch ein Mittel „Zn die Stiefel von der Frau Rat laß 'n paar Nägel
rausstehen, auf Mahnbriefe reagiert se nich' mehr."
Das Schwein Von Friedrich Kipp
Traurig und öde lag das Dorf da.
Die Ruffen hatten es übel mitgenommen und die meisten
Läufer in Brand gesteckt, so daß fast alles einem großen
Trümmerhaufen glich. In den wenigen Läusern, die noch
unversehrt geblieben waren, standen die Ställe leer, waren
die Gegenstände zertrümmert und Kisten und Schränke
ihres Inhalts beraubk. Die Bewohner waren geflüchtet,
in alle Windrichtungen zerstreut und keiner wagte zurück-
zukehren.
Nur in einem kleinen Bauerngehöft, unten am Eingang
des Dorses, schien noch Leben zu sein. Man sah es am
aufwirbelnden Rauch des Kamins.
Dort lag in einem dunklen Bettkasten die junge Bäuerin,
die gerade ihrer schweren Stunde entgegensah, als die
Russen gekommen waren. Nun barg sie ein kieines mensch-
liches Wesen in ihren Armen, das jämmerlich schrie und
der Mutter Leid und Schmerz erhöhte, so daß es ihr tief
ins Lerz schnitt.
Die Ruffen hatten sie in Nuhe gelassen, doch hatten
ste alles mitgenommen, was sie mit ihren gierigen Länden
erreichen konnten und was sich fortschleppen ließ. Dann
waren sie auf ihren struppigen Gäulen davongejagt.
Nun erwachte in dem kleinen, baufälligen Lause die
Not, und durch die zersprungenen Fensterscheiben grinste
mit höhnischem Gestchte die Sorge, das Entsetzen herein.
Und doch kam die Ret-
tung, die Lilfe, die die
junge Frau mit ihrem
kleinen Erdenbürger
nicht umkommen ließ.
Durch das Fenster
schaute bald nach dem
Abzug der Kosaken ein
anderes Gesicht herein;
es war ein freundliches,
gutmütiges Antlitz, das
sich da an die kleinen
Fensterscheiben drückte
und in dem sich Teil-
nahme und Mitleid ab-
spiegelte; es war das
Gesicht des alten Schenk-
jakob.
Iakob, der bislang
Lausknecht im Dorf-
kruge gewesen war, hatte
einen sicheren Schlupf-
winkel gefunden, in dem
er sich verborgen hatte,
als die Ruffen so übel
hausten, und nun war
er der alleinige Be-
herrscher des allerdings
jetzt fast ganz zerstörten
Wirtschaftsgebäudes.
Da er die Lausgelegen-
heit kannte, so wußte
er sich noch einige
Lebensmittel zu ver-
schaffen, die die Kosaken
nicht fanden, und er
hatte daher vorläufig
keine Not. — Nun war
er aus seiner Ecke geschlichen, um zu sehen, wie es im
Dorfe aussah und dabei an das Laus der jungen Bäuerin
gekommen, wo er sie nun in ihrer Not und Bedrängnis
liegen sah.
Ihr wurde Iakob zum rettenden Engel.
Er schleppte von seinen Vorräten herbei, was sich
finden ließ und erhielt dadurch das Leben von Mutter und
Kind. —
Da steht eines Mittags, wie zu Eis erstarrt, der Iakob
neben dem Feuerherd und schaut auf die Türe.
Polkernd und fluchend kommt ein Ruffe herein, ein
Unteroffizier; draußen eilen drei oder vier russtsche In-
fanteristen vorbei.
Eine Patrouille ist's, die unter der Leitung des Anter-
osfiziers ausgezogen ist, um zu requirieren und die den
Versuch macht, in dem verödeten Dorf noch etwas auf-
zutreiben, denn im Lager, weit draußen, brennt der Lunger
in den Eingeweiden der Leute. Rußland schickt keine Lebens-
mittel, und die Dörfer sind ausgeraubt; da wird eben alles
versucht-
Wild schaut der Ruffe hinein und sieht die Pfanne
auf dem Lerd, in der der Iakob der Wöchnerin ein Luhn
brät. Er faßt an sein Seitengewehr und zeigt auf die Pfanne.
Iakob weiß, was das zu bedeuten hat, und lädt den
Ruffen zum Sitzen ein.
Dieser will Schnaps haben, denn er deutet auf den
irdenen Krug, der am Fenstersims steht, und in dem der
Copyright 1915 by I. F. Schreiber