>20 Meggendorfer-Blätter, München
Protest
— „Du mußt nun auch lernen, dich im Einkaufen zu betätigen. Gehe auf den
Markt und hole ein Gansjung."
— „Ach, Mama, muß ich denn gerade damit den Anfang machen?"
„Deine Wünsche follen dir ersüllt
werden," sprach der Geist, betupfte erst
meine Gedichte mit dem Finger, dann
mich felbst, und zum Schluß füllte er
aus einem großen Sack die eiserne Kiste
hier, die ich von meinem Großvaler ge-
erbt habe, bis an den Rand mit Gold-
stücken, und die große rote Truhe da,
ein Vermächtnis meiner seligen Tante,
mit Silber."
„Ein schöner Traum," sagte ich.
„Nicht wahr?" stimmte er leuchten-
den Auges zu. „Aber nun liege ich
schvn den ganzen Vormittag hier auf
der Erde und rechne nach dem Raum-
inhalr der beiden Kisten aus, wie hoch
sich die Summe etwa belaufen würde,
die mir der Geist geschenkt hat. Ach,
und das ist eine jchreckliche Arbeit.
Denn du weißt, ich bin kein Rechner."
„Das weiß ich, Wolsgang," gab ich
zur Antwort. „Aber weißt du was
ich nun glaube? Daß du ein Dichter
bist. And zwar ein echter."
C. A. Lennig
Schwieriges Durchbrennen
war.
„Guten Tag, Wolfgang " sagte ich, „was
machst du denn da?"
— „Meinem Kassierer würde ich Mil-
lionen anvertrauen!"
— „Zst das so 'n ehrlicher Kerl?"
— „O ja; und außerdem hat er auch
nur ein Bein!"
„Ach," crwiderte er und sprang auf, „das
ist eine ganz merkwürdige Geschichte. Denke
dir nur, was icb diese Nacht für einen merk-
würdigen Traum hatte. Mir träumte nämiich
nichts gering-res, als daß ein Geist zu mir
ins Zimmer gekommen wäre und mir drei
Wünsche gewährt hätte. Na, fürs erste
wünschte ich mir, daß ich einen Verleger für
meine Gedichte finden möchle; fürs zweite,
daß ich hunderl Iahre alt werden möchte, und
zum dritten, was einem gewiß kein Mensch übel-
nimmt, wünschte ich mir soviel Geld, daß ich
mein Leben lang ohne Sorgen leben könne.
SpekulattL Gerichtsvollzieher lder vor dcr Bude des LtudiosuS Spund
mtt dem Geldbrieftriiger zusammentrifft): „Bltte Nach Ihnen!"
Der Beweis
Mein Freund Wolfgang nannte sich einen Dichter, obwohl er der Mit-
welt noch den vollen unantastbaren Beweis schuldig geblieben war. Er wohnte
zwar in einer Mansardenstube, aß Butterbrol und trank Tee dazu, guckte als
großes Kind in den wirren Trubel der Welt
und hatte bisher noch nie eins seiner Gedichte
verkauft. Allein das passtert auch anderen
sogenannten Dichtern, und eine richtige Probe
auf die Echtheit ist es doch nicht.
Eines Tages trat ich bei ihm ein, und
statt zu arbeiten, was sonst immer der Fall
war, kniete er auf dem Boden seines Stüb-
chens und hantierte, hochrot im Gesicht und
helle Schweißtropfen auf der Stirn, vor zwei
geöffneten Kasten herum. In der linken L>and
hieli er einen Zentimeterstab, in der rechten
einen Bleistift und auf den Dielen lag ein
Zettel, der mit langen Zahlenreihen bedeckt
Protest
— „Du mußt nun auch lernen, dich im Einkaufen zu betätigen. Gehe auf den
Markt und hole ein Gansjung."
— „Ach, Mama, muß ich denn gerade damit den Anfang machen?"
„Deine Wünsche follen dir ersüllt
werden," sprach der Geist, betupfte erst
meine Gedichte mit dem Finger, dann
mich felbst, und zum Schluß füllte er
aus einem großen Sack die eiserne Kiste
hier, die ich von meinem Großvaler ge-
erbt habe, bis an den Rand mit Gold-
stücken, und die große rote Truhe da,
ein Vermächtnis meiner seligen Tante,
mit Silber."
„Ein schöner Traum," sagte ich.
„Nicht wahr?" stimmte er leuchten-
den Auges zu. „Aber nun liege ich
schvn den ganzen Vormittag hier auf
der Erde und rechne nach dem Raum-
inhalr der beiden Kisten aus, wie hoch
sich die Summe etwa belaufen würde,
die mir der Geist geschenkt hat. Ach,
und das ist eine jchreckliche Arbeit.
Denn du weißt, ich bin kein Rechner."
„Das weiß ich, Wolsgang," gab ich
zur Antwort. „Aber weißt du was
ich nun glaube? Daß du ein Dichter
bist. And zwar ein echter."
C. A. Lennig
Schwieriges Durchbrennen
war.
„Guten Tag, Wolfgang " sagte ich, „was
machst du denn da?"
— „Meinem Kassierer würde ich Mil-
lionen anvertrauen!"
— „Zst das so 'n ehrlicher Kerl?"
— „O ja; und außerdem hat er auch
nur ein Bein!"
„Ach," crwiderte er und sprang auf, „das
ist eine ganz merkwürdige Geschichte. Denke
dir nur, was icb diese Nacht für einen merk-
würdigen Traum hatte. Mir träumte nämiich
nichts gering-res, als daß ein Geist zu mir
ins Zimmer gekommen wäre und mir drei
Wünsche gewährt hätte. Na, fürs erste
wünschte ich mir, daß ich einen Verleger für
meine Gedichte finden möchle; fürs zweite,
daß ich hunderl Iahre alt werden möchte, und
zum dritten, was einem gewiß kein Mensch übel-
nimmt, wünschte ich mir soviel Geld, daß ich
mein Leben lang ohne Sorgen leben könne.
SpekulattL Gerichtsvollzieher lder vor dcr Bude des LtudiosuS Spund
mtt dem Geldbrieftriiger zusammentrifft): „Bltte Nach Ihnen!"
Der Beweis
Mein Freund Wolfgang nannte sich einen Dichter, obwohl er der Mit-
welt noch den vollen unantastbaren Beweis schuldig geblieben war. Er wohnte
zwar in einer Mansardenstube, aß Butterbrol und trank Tee dazu, guckte als
großes Kind in den wirren Trubel der Welt
und hatte bisher noch nie eins seiner Gedichte
verkauft. Allein das passtert auch anderen
sogenannten Dichtern, und eine richtige Probe
auf die Echtheit ist es doch nicht.
Eines Tages trat ich bei ihm ein, und
statt zu arbeiten, was sonst immer der Fall
war, kniete er auf dem Boden seines Stüb-
chens und hantierte, hochrot im Gesicht und
helle Schweißtropfen auf der Stirn, vor zwei
geöffneten Kasten herum. In der linken L>and
hieli er einen Zentimeterstab, in der rechten
einen Bleistift und auf den Dielen lag ein
Zettel, der mit langen Zahlenreihen bedeckt