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134 Meggendorfer-Blätter, München

Verhaspelt

Lerr Buttermilch ist zu
Dsch geladen. Während des
Essens passtert es ihm, daß
ihm ein Stück Fleisch, das er
sich vorlegen will, von der
Gabel gleitet und auf das
Tischtuch fällt.

Als wohlerzogenerIüng-
ling wird er ob des fatalen
Mißgeschicks bis über die
Ohren rot, und eine Weile
ist er unschlüssig. was er tun
soll. In dieser Verlegenheit
aber kommt ihm die Laus-
frau zu Lilfe.

„Ach,Lerr Buttermilch/'
sagt sie lächelnd, „legen Sie
doch das Stück Fleisch bei-
seite und nehmen Sie sich ein
anderes."

Lerr Buttermilch fühlt
aber instinktiv, daß er sich,
wenn er es täte, einer Krän-
kung gegen die Lausfrau
schuldig machen würde, und
ist bestrebt, durcb ein Kom-
pliment mit fein humoristi-
scher Pointe die Situation
zu retten.

„O bewahre, gnädige
Frau," ruft er deshalb en-
thusiastisch aus, „warum sollte
mich das genieren, daß das
Fleisch auf das Tischtuch ge-
fallen ist? Kann ich nicht
ebensogut vom Tischtuch es-
sen, wie ich es vom Teller
tue? Das Tischtuch ist doch Widerlegt
sauber, ja sogar," setzte er
mit nachdrücklichem Bezug
auf dessen blendende Weiße
hinzu, „sogar sauberer als
die Teller." C. A. Lg.

Summarisch

Lausfrau: „Aber Anna, Sie haben ja
fast jeden Tag einen andern Soldaten in
der Küche, was soll das sein?"

— „Das ist die elste Kompagnie, gnä' Frau."

Streng

Lerr Barthel kommt am Sonntag Mor-
gen aus dem Schlafzimmer herunter ins
Wohnzimmer und findet dort seinen drei-
zehnjährigen Sohn Alois eisrig über einem
Buche beschäftigt.

„Was tust denn da, Alois?" fragt er.
„Lernen tu' ich," erwidert Alois. „Mei
Religion auf morgen muß ich noch lernen."

„Was, schreit aber der erzürnte Vater,
„am Sonntag? Gleich machst dei' Buch zu!
Am Sontag wird kei' Religion g'lernt!"

Kindliche Frage

Onkel Leinrich hat den
ganzen Feldzug durch Vel-
gien mitgcmacht, hat sich das
Eiserne Kreuz verdient und
ist überall mit heiler Laut
davongekommen. VorArras
aber hat auch ihn das Schick-
salereilt. EineschwereWunde
am Schulterblatt hat ihn
außer Gefecht gesetzt, und
nachdem diese notdürftig ge-
heilt ist, erhält er zur völ-
ligen Wiederherstellung Ar-
laub in die Leimat.

Große Freude herrscht
natürlich darob unter den
Seinen. Abend für Abend
sitzt man um den runden
Familientisch und lauscht ge-
spannt den Kriegserlebnissen
Onkel Leinrichs.

„Schön war's," erzählte
er eines Tages unter an-
derem, „als wir nach der
Einnahme von Antwerpen
in einem flandrischen Dörs-
chen einmal zu längerer Rast
kamen. Wir hatten da Muße,
endlick einmal unserem äuße-
ren Menschen wieder einige
Aufmerksamkeit zuzuwenden
und mit Nadel und Zwirn
dessen verschiedenfacheWun-
den zu heilen Was aber
das schönste war, das war
der Amstand, daß der Ort
Gelegenheit zur Iagd bot.
Namentlich auf Enten. Tag
für Tag zogen wir hinaus
und kehrten reich mit Beute
beladen ins Quartier zurück."

Aufmerksam hatder kleine
Max den Berichten gelauscht.
Besonders denen über die Iagd. Nachdem
aber Onkel Leinrich geendet hat, bricht er
in die verwunderte Frage aus: „Auf der
Iagd warst du auch, Onkel Leinrich? Ich
habe gar nicht gewußt, daß du schießen
kannst!" C. A. Lg.

Der eifersüchtige Zigarrenfabrikant

Fräulein: „Eigentümlicher Kauz, mein
Bräuligam! Benennt eine neue Zigarren-
sorte nach mir, und wenn Lerren kommen und
sie kaufen, da wird er jedesmal eifersüchtig!"

Naiv

Advokat: „Das Gericht wird Ihren An-
gaben keinen Glauben schenken, und einen
Zeugen haben Sie nicht?"

Klient: „Nee, haben Sie nicht einen?"

— „Ich könnte mir Sie nicht in Ani-
sorm vorstellen, Lerr Knaxlingen."

— „O bitte sehr; mit sieben Iahren
habe ich einmal eine getragen."

Näöchenlieö

Mein Liebster ritt nach Flandern
Durch Lüttich unü Brabant,

Und meine Träume wanüern
2hm nach ins weite Land.

Wenn mutig er ;u Ielüe
Dem Ieinü entgegenzieht,

Raujcht dunkel ihm die Schelüe
2hr fremtes falsches Lieü.

Um Ehre will er werben
Und freit gar um üen Tod!

Dann muß ich einsam sterben
Jn Leid und Liebesnot.

Du Schirmer aller Streiter,

Halt' gnädig üeine Hand
Wohl über meinen Reiter
2m fernen Ilandernlanü!

Thusnelda N)olff-Aettner

Copyrtght 1915 by b- Schreiber
 
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