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-z Meggendorfer-Blätter, München
„ ^ „ Lerr: „Bringen Sie einen Verunglücklen
Kurzer Prozeß Krankenhaus?"
— „Bewahre; den Kerl sollen wir verhaften,
aber er weigert sich aufzustehen/und die
Kleider stnd auch nicht aufzufinden, da haben
wir 'n einfach mit dem Bett fortgetragen."
Gold
Aepfel. und wenn ich dann einmal Lust zu einem größeren
Ausfluge habe, dann fahre ich nach Mittel-Wiefenfeld hin-
aus und bezahle, was ich schuldig bin.
Vor vierzehn Tagen habe ich zum letztenmal folch
einen Ausflug gemacht. Korbinian Äammelberger hatte
achtzehn Mark von mir zu bekommen. Ich hatte nur wenig
Kleingeld bei mir und versuchte deshalb, auf dem Bahnhof
bei Bezahlung meiner Fahrkarte einen Lundertmarkschein
gewechielt zu bekommen. Aber der Beamte am Schalter
war schlechter Laune. Jch will ihm keinen Vorwurf daraus
machen, denn er ist ja nicht nur Beamter, sondern nebenbei
auch noch Mensch. Kurz und gut, er verwies mich auf die
bekannte, aber wie vieles Bekannte meist wenig beachtete
Vorschrift, daß der Betrag für die Karte abgezählt bereit
zu halten ist. Notgedrungen zählte ich also ab und behielt
außer meinem Lundertmarkschein noch siebenundvierzig
Pfennige.
In Mittel-Wiesenfeld setzte mir Korbinian Lammel-
berger, wie immer, zuerst einen Enzianschnaps zur Stärkung
vor. Im Schrank, wo die Schnapsflasche steht, verwahrt
er auch seine Schreibereien, und jedesmal, wenn er die
Flasche zurückstellt, sagt er dann so ganz nebenbei:
„Ach, da liegt ja auch Ihre Rechnung, Lerr Kreuslich,
für die letzten Aepsel. Aber es hat gar keine Eile."
Ich nehme an, daß Korbinian Lammelberger
mich nur deshalb mit dem Schnaps bewirtet, um bei
dieser Gelegenheit unschuldig und zufällig die Rech-
nung finden zu können. Denn für die Begleichung
von Rechnungen hat er eine große Vorliebe, wenigstens
wenn er der passive Teil dabei ist. In andern Fällen
möchte ich das bezweifeln, ohne damit Korbinian
Lammelberger einen Vorwurf machen zu wollen. Er
hat in dieser Linsicht ja viele Gestnnungsgenossen.
Von den mannigfachen Gegensätzen des Lebens ist
der zwischen Bezahlen und Geld bekommen so ziemlich
am schwersten zu überbrücken.
„Aber es hat gar keine Eilel" sagte Korbinian
Lammelberger auch diesmal. Aber damit ich nicht
nach seinen Worten, sondern nach seinen Taten mich
richten möchte, tunkte er auch schon die Feder ei»
und quittierte die Rechnung.
Ich holte meinen Lundertmarkschein hervor. Da
machte Lammelberger ein bedenkliches Gesicht. „La-
ben Sie's nicht kleiner?" fragte er.
Ich versicherte ihm, daß ich kein anderes Geld
hätte. Man versichert das oft und besonders treu-
herzig, wenn es gar nicht wahr ist und man nur be-
strebt ist, das so oft nötige Kleingeld in reichlicher
Menge sich zu verschaffen. Bei mir aber, wie gesagt,
stimmte es diesmal wirklich.
Lammelbergers Blicke wanderten zwischen seiner
Quittung und meinem Lundertmarkschein hin und her,
so etwa sechsmal, und dann wandten sie sich der
alten Truhe in der Zimmerecke zu, aber mit auffäl-
ligem Widerwillen und auch nur für einen Augen-
blick. „Ia, du mein Gott, wie soll ich das recht
machen!" sagte er.
Korbinian Lammelberger ist kein Schalterbeamter
auf einem Bahnhof, und deshalb hatte ich es nicht
nötig, den Betrag für ihn abgezählt bereit zu halten.
Er schien meinen Lundertmarkschein nicht gern neh-
men zu wollen. Er hatte keine Lust, ihn zu wechseln.
Daß es ihm an der Möglichkeit dazu wohl nicht
fehlte, hatte sein Blick nach der Truhe verraten. Run,
ich meinerseits hatte auch keine Lust, meinen Gläubiger lange
zu überreden. Dazu war es ein viel zu schöner Wintertag,
und ich hatte Eile, wieder hinaus zu kommen und die frische
Luft zu genießen. Denn die Luft in Lammelbergers Stube
war zu menschlichem Genuß weniger geeignet.
„Na, also dann auss nächste Mal!" sagte ich und faltete
meinen Lundertmarkschein wieder zusammen. „Oder ich
kann Ihnen das Geld ja auch schicken. Aber ich wohne
eben ein wenig weit vom Postamt, und wie das dann so
ist, — da verbummelt man solche Sachen leicht." — Das
setzte ich hinzu, weil ich nun doch einmal gern meinen Schein
gewechselt haben wollte. Schon um für den Rückweg und da-
bei notwendige Verpflegung nicht ohne kleine Münze zu sein.
And wirklich, Korbinian Lammelberger ließ sich bestim-
men, wenn auch sehr widerwillig, an seine Truhe zu gehn.
Er kniete so davor nieder, daß sein breiter Rücken mir den
Einblick in die Geheimnisse dieses Schatzbehälters verwehren
mußte. Dann klimperte er, und als er wieder aufstand,
schnaufte er schwer, und ich weiß nicht, ob es von der An
strengung des Niederkniens war, oder ob sein Lerz sich
noch im lehten Augenblick dagegen wehren wollte, daß schönes
-z Meggendorfer-Blätter, München
„ ^ „ Lerr: „Bringen Sie einen Verunglücklen
Kurzer Prozeß Krankenhaus?"
— „Bewahre; den Kerl sollen wir verhaften,
aber er weigert sich aufzustehen/und die
Kleider stnd auch nicht aufzufinden, da haben
wir 'n einfach mit dem Bett fortgetragen."
Gold
Aepfel. und wenn ich dann einmal Lust zu einem größeren
Ausfluge habe, dann fahre ich nach Mittel-Wiefenfeld hin-
aus und bezahle, was ich schuldig bin.
Vor vierzehn Tagen habe ich zum letztenmal folch
einen Ausflug gemacht. Korbinian Äammelberger hatte
achtzehn Mark von mir zu bekommen. Ich hatte nur wenig
Kleingeld bei mir und versuchte deshalb, auf dem Bahnhof
bei Bezahlung meiner Fahrkarte einen Lundertmarkschein
gewechielt zu bekommen. Aber der Beamte am Schalter
war schlechter Laune. Jch will ihm keinen Vorwurf daraus
machen, denn er ist ja nicht nur Beamter, sondern nebenbei
auch noch Mensch. Kurz und gut, er verwies mich auf die
bekannte, aber wie vieles Bekannte meist wenig beachtete
Vorschrift, daß der Betrag für die Karte abgezählt bereit
zu halten ist. Notgedrungen zählte ich also ab und behielt
außer meinem Lundertmarkschein noch siebenundvierzig
Pfennige.
In Mittel-Wiesenfeld setzte mir Korbinian Lammel-
berger, wie immer, zuerst einen Enzianschnaps zur Stärkung
vor. Im Schrank, wo die Schnapsflasche steht, verwahrt
er auch seine Schreibereien, und jedesmal, wenn er die
Flasche zurückstellt, sagt er dann so ganz nebenbei:
„Ach, da liegt ja auch Ihre Rechnung, Lerr Kreuslich,
für die letzten Aepsel. Aber es hat gar keine Eile."
Ich nehme an, daß Korbinian Lammelberger
mich nur deshalb mit dem Schnaps bewirtet, um bei
dieser Gelegenheit unschuldig und zufällig die Rech-
nung finden zu können. Denn für die Begleichung
von Rechnungen hat er eine große Vorliebe, wenigstens
wenn er der passive Teil dabei ist. In andern Fällen
möchte ich das bezweifeln, ohne damit Korbinian
Lammelberger einen Vorwurf machen zu wollen. Er
hat in dieser Linsicht ja viele Gestnnungsgenossen.
Von den mannigfachen Gegensätzen des Lebens ist
der zwischen Bezahlen und Geld bekommen so ziemlich
am schwersten zu überbrücken.
„Aber es hat gar keine Eilel" sagte Korbinian
Lammelberger auch diesmal. Aber damit ich nicht
nach seinen Worten, sondern nach seinen Taten mich
richten möchte, tunkte er auch schon die Feder ei»
und quittierte die Rechnung.
Ich holte meinen Lundertmarkschein hervor. Da
machte Lammelberger ein bedenkliches Gesicht. „La-
ben Sie's nicht kleiner?" fragte er.
Ich versicherte ihm, daß ich kein anderes Geld
hätte. Man versichert das oft und besonders treu-
herzig, wenn es gar nicht wahr ist und man nur be-
strebt ist, das so oft nötige Kleingeld in reichlicher
Menge sich zu verschaffen. Bei mir aber, wie gesagt,
stimmte es diesmal wirklich.
Lammelbergers Blicke wanderten zwischen seiner
Quittung und meinem Lundertmarkschein hin und her,
so etwa sechsmal, und dann wandten sie sich der
alten Truhe in der Zimmerecke zu, aber mit auffäl-
ligem Widerwillen und auch nur für einen Augen-
blick. „Ia, du mein Gott, wie soll ich das recht
machen!" sagte er.
Korbinian Lammelberger ist kein Schalterbeamter
auf einem Bahnhof, und deshalb hatte ich es nicht
nötig, den Betrag für ihn abgezählt bereit zu halten.
Er schien meinen Lundertmarkschein nicht gern neh-
men zu wollen. Er hatte keine Lust, ihn zu wechseln.
Daß es ihm an der Möglichkeit dazu wohl nicht
fehlte, hatte sein Blick nach der Truhe verraten. Run,
ich meinerseits hatte auch keine Lust, meinen Gläubiger lange
zu überreden. Dazu war es ein viel zu schöner Wintertag,
und ich hatte Eile, wieder hinaus zu kommen und die frische
Luft zu genießen. Denn die Luft in Lammelbergers Stube
war zu menschlichem Genuß weniger geeignet.
„Na, also dann auss nächste Mal!" sagte ich und faltete
meinen Lundertmarkschein wieder zusammen. „Oder ich
kann Ihnen das Geld ja auch schicken. Aber ich wohne
eben ein wenig weit vom Postamt, und wie das dann so
ist, — da verbummelt man solche Sachen leicht." — Das
setzte ich hinzu, weil ich nun doch einmal gern meinen Schein
gewechselt haben wollte. Schon um für den Rückweg und da-
bei notwendige Verpflegung nicht ohne kleine Münze zu sein.
And wirklich, Korbinian Lammelberger ließ sich bestim-
men, wenn auch sehr widerwillig, an seine Truhe zu gehn.
Er kniete so davor nieder, daß sein breiter Rücken mir den
Einblick in die Geheimnisse dieses Schatzbehälters verwehren
mußte. Dann klimperte er, und als er wieder aufstand,
schnaufte er schwer, und ich weiß nicht, ob es von der An
strengung des Niederkniens war, oder ob sein Lerz sich
noch im lehten Augenblick dagegen wehren wollte, daß schönes