Nr. 1268
Zeitschrift für Humor und Kunst
29
Gold
hätte ihm doch nicht erzählen können: Ach, hören Sie nur mal,
mein Lieber, wie ich zu dem Golde gekommen bin! Da habe
ich mir Aepfel schicken lassen von Korbinian Lammelberger
in Mittel-Wiesenfeld, und dieser Kerl, der Lammelberger,
der hat doch wahrhaftig-.
Also das wäre doch wirklich nicht gegangen, dass ich
da am Schalter solch eine Geschichte aufsagte. Und wenn
schon —, der Beamte hätte fle mir wohl gar nicht geglaubt.
Wie meinen Sie? Es hätte mir gleichgültig sein können,
was der Beamte sich dachte. O bitte, so ganz gleichgültig
ist das nicht. Wenigstens mir nicht. In gewöhnlichen
Zeitläuften ist das ja nicht so schlimm. Aber in den Tagen
des herrlichsten Aufschwungs vaterländischer Gefühle auch
nur von cinem einzigen Mitdeutschen als Wurm angesehen
zu werden, der an der Finanzkraft des Vaterlandes genagt
hat, — nein, das paßte mir nicht. And es hätten ja auch
noch mehr Leute am Schalter stehen können, und einer hätte
mich vielleicht gekannt, und der hätte die Sache dann
weiter erzählt, und noch nach Iahren hätten die Leute
dann mit den Fingern auf mich gezeigt: Das ist der herz-
lose Goldaufspeicherer!
Nein, nein, ich konnte nicht auf die Post gehn. And
zu einer andern Behörde und Kassenstelle auch nicht, denn
da wäre es ganz dieselbe Geschichte gewesen.
Aber was, um Äimmels willen, sollte ich tun. Ich
dachte schon daran, das Gold zu einem Klümpchen um-
zuschmelzen und dann das Klümpchen auf die Reichsbank
zu tragen, als von altem Familienschmuck herrührend.
Denn der Reichsbank ist es natürlich ganz egal, in welcher
Form sie das Gold bekommt. Aber im Konversations-
lexikon, das ich als vorstchtiger Mensch zuerst aufschlug,
fand ich, daß Gold bei einer Temperatur von 1200° schmilzt,
und ich glaubte nicht, eine solche Lihe erzeugen zu können.
Denn jn der Küche haben wir kein Kohlenfeuer; wir kochen
auf Gas, ganz offen, und das gibt keine so kräftige
Temperatur.
Ich kann Ihnen sagen, ich war ganz ratlos. Beinahe
unglücklich war ich. Denn das Gold brannke mir in der
Tasche, als wenn ich es gestohlen hätte. Aber dann kam
mir auf einmal ein Gedanke. Die Schwierigkeit, sagte ich
mir, liegt lediglich darin, daß du nur vier Goldstücke hast.
Wäre es dir gelungen, tausend zu bekommen, irgendwo,
an vielen Stellen zu sammeln, — ja, dann könntest du
fröhlich damit auf die Neichsbank wandern und sagen:
Lier, auch ich habe etwas für das Vaterland getan! —
!lnd tatsächlich haben auch hier und dort mit'der nötigen
Aeberredungskunst begabte Männer es verstanden, ansehnliche
Summen Goldes aus heimlichen Winkeln herauszulocken.
Gut, das wollte ich auch tun. Zuerst versuchte ich es
an meinem Stammtisch. Aber dort hatte ich kein Glück.
Niemand hatte Gold. Mein Freund, der frühere Leder-
händler Semmelmann, auch nicht, trotzdem er der Neichste
an meinem Stammtisch ist. Der hat jetzt sogar eine Anti-
pathie gegen Gold. Das kommt daher, daß er sich gleich
im August eine große Banknotentasche gekauft hat mit
vielen Abteilungen für alle die verschiedenen Scheine, und
darin zu wirtschaften, macht ihm großen Spaß. Denn
sonst hat er überhaupt nichts zu tun.
Du mußt aus deinem engen Kreise heraus! sagte ich
mir. Geh' in die Oeffentlichkeit! Tritt auf als ein Apostel
des Wortes: Das Gold in die Reichsbank!
ln blenäenäem Olanre ei-Zll-ablt clie Kücbe, vvenn benster,
bukboden, Oerüte unb Oe8cbil-re mit clem neureitlicben Zcbeller-
unä putrpulver Zereini^t vvercten. Oie8e8 Omver8aImittel i8t
voIl8täncb§ un8cbäcilicb un6 verclient cte^balb vor vielen cbemi^cben
putrmitteln cten Vorru§.
^irc! nocb ru cten ulten Ori§in3l-?rei8en obne ^ui8cblu§ verlcauit.
I^eue Lunlickl Oeselkekakl von 1914 m. b. H.
kkeinau-^annkeim.
-Ulsruixo luserLteuLuualims: kuilolk Uossö, ^uuouoeu-Lxxöckitiou.
Zeitschrift für Humor und Kunst
29
Gold
hätte ihm doch nicht erzählen können: Ach, hören Sie nur mal,
mein Lieber, wie ich zu dem Golde gekommen bin! Da habe
ich mir Aepfel schicken lassen von Korbinian Lammelberger
in Mittel-Wiesenfeld, und dieser Kerl, der Lammelberger,
der hat doch wahrhaftig-.
Also das wäre doch wirklich nicht gegangen, dass ich
da am Schalter solch eine Geschichte aufsagte. Und wenn
schon —, der Beamte hätte fle mir wohl gar nicht geglaubt.
Wie meinen Sie? Es hätte mir gleichgültig sein können,
was der Beamte sich dachte. O bitte, so ganz gleichgültig
ist das nicht. Wenigstens mir nicht. In gewöhnlichen
Zeitläuften ist das ja nicht so schlimm. Aber in den Tagen
des herrlichsten Aufschwungs vaterländischer Gefühle auch
nur von cinem einzigen Mitdeutschen als Wurm angesehen
zu werden, der an der Finanzkraft des Vaterlandes genagt
hat, — nein, das paßte mir nicht. And es hätten ja auch
noch mehr Leute am Schalter stehen können, und einer hätte
mich vielleicht gekannt, und der hätte die Sache dann
weiter erzählt, und noch nach Iahren hätten die Leute
dann mit den Fingern auf mich gezeigt: Das ist der herz-
lose Goldaufspeicherer!
Nein, nein, ich konnte nicht auf die Post gehn. And
zu einer andern Behörde und Kassenstelle auch nicht, denn
da wäre es ganz dieselbe Geschichte gewesen.
Aber was, um Äimmels willen, sollte ich tun. Ich
dachte schon daran, das Gold zu einem Klümpchen um-
zuschmelzen und dann das Klümpchen auf die Reichsbank
zu tragen, als von altem Familienschmuck herrührend.
Denn der Reichsbank ist es natürlich ganz egal, in welcher
Form sie das Gold bekommt. Aber im Konversations-
lexikon, das ich als vorstchtiger Mensch zuerst aufschlug,
fand ich, daß Gold bei einer Temperatur von 1200° schmilzt,
und ich glaubte nicht, eine solche Lihe erzeugen zu können.
Denn jn der Küche haben wir kein Kohlenfeuer; wir kochen
auf Gas, ganz offen, und das gibt keine so kräftige
Temperatur.
Ich kann Ihnen sagen, ich war ganz ratlos. Beinahe
unglücklich war ich. Denn das Gold brannke mir in der
Tasche, als wenn ich es gestohlen hätte. Aber dann kam
mir auf einmal ein Gedanke. Die Schwierigkeit, sagte ich
mir, liegt lediglich darin, daß du nur vier Goldstücke hast.
Wäre es dir gelungen, tausend zu bekommen, irgendwo,
an vielen Stellen zu sammeln, — ja, dann könntest du
fröhlich damit auf die Neichsbank wandern und sagen:
Lier, auch ich habe etwas für das Vaterland getan! —
!lnd tatsächlich haben auch hier und dort mit'der nötigen
Aeberredungskunst begabte Männer es verstanden, ansehnliche
Summen Goldes aus heimlichen Winkeln herauszulocken.
Gut, das wollte ich auch tun. Zuerst versuchte ich es
an meinem Stammtisch. Aber dort hatte ich kein Glück.
Niemand hatte Gold. Mein Freund, der frühere Leder-
händler Semmelmann, auch nicht, trotzdem er der Neichste
an meinem Stammtisch ist. Der hat jetzt sogar eine Anti-
pathie gegen Gold. Das kommt daher, daß er sich gleich
im August eine große Banknotentasche gekauft hat mit
vielen Abteilungen für alle die verschiedenen Scheine, und
darin zu wirtschaften, macht ihm großen Spaß. Denn
sonst hat er überhaupt nichts zu tun.
Du mußt aus deinem engen Kreise heraus! sagte ich
mir. Geh' in die Oeffentlichkeit! Tritt auf als ein Apostel
des Wortes: Das Gold in die Reichsbank!
ln blenäenäem Olanre ei-Zll-ablt clie Kücbe, vvenn benster,
bukboden, Oerüte unb Oe8cbil-re mit clem neureitlicben Zcbeller-
unä putrpulver Zereini^t vvercten. Oie8e8 Omver8aImittel i8t
voIl8täncb§ un8cbäcilicb un6 verclient cte^balb vor vielen cbemi^cben
putrmitteln cten Vorru§.
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I^eue Lunlickl Oeselkekakl von 1914 m. b. H.
kkeinau-^annkeim.
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