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54 Meggendorfer-Blätter, München

Das Titelbild dieser Nummer,

„Alan auf Vorposten",
ist von Professor Angelo Iank, München.

Schadenfreude Iunggeselle: „Das ist ein feiner Roman.

Ieder Ehemann kriegtPrügel von seinerFrau!"

Fürs Vaterland

Vor zwei Monaten hat die Sache begonnen. Als ich
zum Frühstückstisch trat, lag ein Kuvert da, das den Auf-
druck „Cafö Mirandola", meine Adresse und einige Kaffee-
flecken aufwies. Die Schrift war mir vollkommen unbekannt.

Trotzdem begann der Brief:

Bester Freund!

Im Äinblick auf unsere seit Iahren bestehende
treue Freundschaft —

Nun guckte ich sofort nach der Anterschrift.

Amadeus Lans Adols Bemmerl.

Jch erinnerte mich dunkel. Vor fünf Zahren —
Faschingstreiben — Atelierfest — Darlehen von zwanzig
Mark meinerseits an einen russischcn Fürsten —.

Dann las ich weiter:

— erlaube ich mir, Dich mit einer Bitte zu belästigen.
Du weißt, ich bin Lyriker — die schwere Zeit —
widrige Amstände und die Tatsache, daß dein be-
währter Rat-

Ich wußte genug. Der Brief endete mit der Beteue-
rung, daß ich demnächst gelegentlich aufgesucht werden solle,
um meinen bewährten Rat —

In diesem Augenblick klopfte es und Amadeus Lans
Adols Bemmerl trat auch schon ein. Er begrüßte mich
überschwenglich, und da ich ein sehr erstauntes Gesicht
machte, versicherte er wiederholt, daß er mir doch versprochen
habe, mich demnächst zu besuchen und daß er sein Wort
noch immer gehalten habe und —

Dabei saß er mir schon gegenüber am Frühstückstisch
und hatte aus Versehen meine Buttcrsemmel in der Land.

Ich sagte — ich sei doch Iurist und hätte kein Ver-
ständnis für Lyrik, außerdem eben den Kops sehr voll von

andern Dinge», aber zufällig zehn Mark übrig und
wenn er vielleicht diese —

Da sprang Amadeus Lans Adolf Bemmerl
flammend vor Entrüstung auf und schrie — das sei
eine Beleidigung und ich habe ihn falsch verstanden
und er sei Idealist — und dann nahm er die zehn Mark
und verließ mich mit einem lehten Verachtungsblick.

Am andern Tage erjchien er zum Mittagessen. Er
war wieder äußerst befreundet mit mir und erklärte,
mein bewährter Rat habe ihm eine neue Existenz
geschaffen. Ermutigt durch den Besitz beträchtlicher
Barmittel habe er die Kraft zu neuen Plänen
gefunden und beschlossen, die Lyrik aufzugeben und
Kriegsberichterstatter zu werden.

„Sie wollen auf den Kriegsschauplatz?!"

„Keine Ahnungl"

„Aber wie —"

Amadeus Lans Adolf Bemmerl lächelte über-
legen. Er sei es von der Lyrik her gewohnt über
Dinge zu schreiben, die er sich zuerst einbilden müsse,
und an Land der Tageszeitungen sei es ihm ein
Leichtes, Stimmungsbilder und Szenen aus dem
Kriege zu verfassen.

Die nächsten Wochen vergingen damit, daß
Bemmerl mich beim Frühstück besuchte — um sich
meine Tageszeitungen anzueignen, daß er mittags
kam — um mich von dem Fortschreiten seiner Arbeiten
zu unterrichten — und daß er beim Abendeffen erschien,
um mir zu klagen, daß keine Zeitung seine Beiträge
nehmen wolle.

Plötzlich blieb er aus.

Als ich ihn einige Tage später auf der Straße
traf, grüßte er ziemlich gönnerhaft, beehrte mich
aber dennoch mit einer Ansprache.

„Aeh — wissen Sie schon — mein neuestes Werk:
,Im Kampf um die Ehre'.

„Was -?"

„Na — mein großes Drama!"

„Sie haben ein Drama —"

„Aber natürlich! Sie wissen doch — meine Kriegs-
berichte —"

„Iawohl, ich erinnere mich."

die hat doch keine Zeitung nehmen wollen!"

„Weiß ich auch noch."

„Na — die hab' ich einfach umgearbeitet!"

„?"

„Zu einem Filmdrama. ,Aus großer Zeit' oder ,Im
Kamps um die Ehre'."

Ich erbleichte.

Bemmerl aber fuhr triumphierend sort: „Wurde selbst-
verständlich sofort angenommen — morgen Araufführung —
Schlager ersten Ranges — bei dem Geschäft bleib ich!"

Damit hatte er mir ein Freibillet für die Araufführung
,Im Kampf um die Ehre' in die Land gedrückt.

Ich bin ins Kino gegangen und habe wiederholt be-
dauert, daß ich militäruntauglich bin, weil ich dann wenigstens
um diese Zeit wirklich im Krieg gewesen wäre und nicht
das Kriegsfilmdrama von Amadeus Lans Adolf Bemmerl
hätte erleben müssen.

Dann aber habe ich etwas getan, worauf ich stolz bin,
und wenn ich auch keine Auszeichnung dafür bekomme, kann
mir das Vaterland doch dankbar dasür sein.

Ich habe den Amadeus Lans Adolf Bemmerl zu
mir kommen lassen und habe ihm auf Lebensdauer eine
tägliche Rente von fünfzig Pfennigen ausgesetzt, wenn
er — wieder Lyriker wird! Effka

Copyright 1915 by I. F. Schreiber
 
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