88 Meggendorfer-Blätter, München
Protest
Wie Nikifor doch hineinfiel Von Gevanensis
Nikifor hatte keine Lust mehr, ganz und gar nicht.
Im Sommer hatte sich die Sache schließlich mitmachen
lassen. Da hatte man auch noch seine kleinen Loffnungen
gehabt. Eine hatte sich sogar fiir Nikifor erfüllt: er hatte
wirklich eine fihr bekommen. In irgendeinem der lleinen
Städtchen da oben in Feindesland hatte er sie auf der
Straße einem Bürger abgenommen, abends i» der
Dämmerung. Es war eine schöne Uhr. Nur ging sie
leider nicht mehr. Nikifor hatte der Gier nicht wider-
stehen können, sie einmal aufzumachen und an das
lustige Getriebe mit dem Finger zu tippen. Wenn
ihr Nikifors Finger gesehen hättet, würdet ihr be-
greifen, daß die Ahr nicht mehr weiter konnte.
Ia, das war im Sommer gewesen. Aber jetzt
im Winter, — nein, danke fchön! Nikifor wollte
sich einmal ausruhen, aber in Wärme und Behag-
lichkeit, und angenehm gepflegt wollte er werden.
Nur mußte man das nicht so dumm anstellen wie
der Dimitri. Der hatte sich durch den Arm ge-
schoffen, durch das dicke Fleisch im Oberarm. Aber
dem Schafskopf hatten seine Kleider zu leid getan.
Wahrhaftig, der Esel hatte sich vorher den Rock
ausgezogen und dcn Kemdärmel aufgekrempelt. Da
hattcn sie es natürlich gemerkt. Nein, so ein Rind-
vieh war Nikifor nicht.
Es war eine prächrig dunkle Nacht. Nikifor stand
auf Posten. Er schoß sein Gewehr ab. Die linke Land
hatte er auf die Mündung des Laufs gelegt. Großer
Alarm. Die Deutschen hatten
eineAnnäherung versucht, aber
der Posten Nikifor Duimkow
hätte sie verscheucht. Nikifor
war verwundetworden. Schuß
durch die linke Land.
Die Geschichte wäre nun
ganz vortrefflich abgelaufen,
wenn Nikifor es nicht so
eilig gehabt hätte, zum Arzt
zu kommen. Viel zu eilig,
denn der Arzt konnte den
Braten noch riechen. And
zwar buchstäblich; er merkte
der frischen Wunde an, daß
die Schußöffnung angesengt
war. „Also, Freundchen,"
meinte er, „sage mir lieber
gleich die Wahrheit."
Nikifor wollte noch ein-
mal die Geschichte erzählen,
die er vorhin feinem Laupt-
mann aufgetifcht hatte. Also:
so ein paar hundert Meter
entfernt hatte er einige dunkle
Gestalten bemerkt, und da —
„Du Gauner!" sagte der
Arzt und zeigte auf Nikifors
Landfläche, die noch rauch-
geschwärzt war.
Nikifor fing an zu zittern.
Verflucht,daranhatte erja gar
nicht gedacht. Warum hat der
Teufel seine Großmutter ver-
hauen? Weil sie keine Ausrede
wußte. Also forsch gelogen!
Ia freilich, einer von den Deutfchen wäre ihm ganz
nahe gekommen. Dem hätte er das Gewehr forlreißen
wollen, und dabei-
„Lalt!" sagt der Arzt. „Du Schweinekerl, das ist der
gemeinste Schwindel! Wenn dir ein Deutscher so nahe
gekommen wäre, hättest du dich doch gefangen nehmen lassen."
— „Loppla, Sie, kommen S' doch net daher
g'saust, als wiera 17 neinadneinz'g!"
Rücksichtsvoll - „Was, das Lotterielos hast nicht
gekauft? Versoffen hast das Geld?"
— „Weißt, Alte, ich hab' g'meint, darüber ärgerst dich weniger,
als wenn nachher 's Los nir g'winnt."
Protest
Wie Nikifor doch hineinfiel Von Gevanensis
Nikifor hatte keine Lust mehr, ganz und gar nicht.
Im Sommer hatte sich die Sache schließlich mitmachen
lassen. Da hatte man auch noch seine kleinen Loffnungen
gehabt. Eine hatte sich sogar fiir Nikifor erfüllt: er hatte
wirklich eine fihr bekommen. In irgendeinem der lleinen
Städtchen da oben in Feindesland hatte er sie auf der
Straße einem Bürger abgenommen, abends i» der
Dämmerung. Es war eine schöne Uhr. Nur ging sie
leider nicht mehr. Nikifor hatte der Gier nicht wider-
stehen können, sie einmal aufzumachen und an das
lustige Getriebe mit dem Finger zu tippen. Wenn
ihr Nikifors Finger gesehen hättet, würdet ihr be-
greifen, daß die Ahr nicht mehr weiter konnte.
Ia, das war im Sommer gewesen. Aber jetzt
im Winter, — nein, danke fchön! Nikifor wollte
sich einmal ausruhen, aber in Wärme und Behag-
lichkeit, und angenehm gepflegt wollte er werden.
Nur mußte man das nicht so dumm anstellen wie
der Dimitri. Der hatte sich durch den Arm ge-
schoffen, durch das dicke Fleisch im Oberarm. Aber
dem Schafskopf hatten seine Kleider zu leid getan.
Wahrhaftig, der Esel hatte sich vorher den Rock
ausgezogen und dcn Kemdärmel aufgekrempelt. Da
hattcn sie es natürlich gemerkt. Nein, so ein Rind-
vieh war Nikifor nicht.
Es war eine prächrig dunkle Nacht. Nikifor stand
auf Posten. Er schoß sein Gewehr ab. Die linke Land
hatte er auf die Mündung des Laufs gelegt. Großer
Alarm. Die Deutschen hatten
eineAnnäherung versucht, aber
der Posten Nikifor Duimkow
hätte sie verscheucht. Nikifor
war verwundetworden. Schuß
durch die linke Land.
Die Geschichte wäre nun
ganz vortrefflich abgelaufen,
wenn Nikifor es nicht so
eilig gehabt hätte, zum Arzt
zu kommen. Viel zu eilig,
denn der Arzt konnte den
Braten noch riechen. And
zwar buchstäblich; er merkte
der frischen Wunde an, daß
die Schußöffnung angesengt
war. „Also, Freundchen,"
meinte er, „sage mir lieber
gleich die Wahrheit."
Nikifor wollte noch ein-
mal die Geschichte erzählen,
die er vorhin feinem Laupt-
mann aufgetifcht hatte. Also:
so ein paar hundert Meter
entfernt hatte er einige dunkle
Gestalten bemerkt, und da —
„Du Gauner!" sagte der
Arzt und zeigte auf Nikifors
Landfläche, die noch rauch-
geschwärzt war.
Nikifor fing an zu zittern.
Verflucht,daranhatte erja gar
nicht gedacht. Warum hat der
Teufel seine Großmutter ver-
hauen? Weil sie keine Ausrede
wußte. Also forsch gelogen!
Ia freilich, einer von den Deutfchen wäre ihm ganz
nahe gekommen. Dem hätte er das Gewehr forlreißen
wollen, und dabei-
„Lalt!" sagt der Arzt. „Du Schweinekerl, das ist der
gemeinste Schwindel! Wenn dir ein Deutscher so nahe
gekommen wäre, hättest du dich doch gefangen nehmen lassen."
— „Loppla, Sie, kommen S' doch net daher
g'saust, als wiera 17 neinadneinz'g!"
Rücksichtsvoll - „Was, das Lotterielos hast nicht
gekauft? Versoffen hast das Geld?"
— „Weißt, Alte, ich hab' g'meint, darüber ärgerst dich weniger,
als wenn nachher 's Los nir g'winnt."