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Meggendorfer-Blätter, München
Nr. 1272
Genügt — „Wcnn ihr ins Feld kommt, grüßt mir meinen Sohn."
— „Iawohl, aber von wem denn?"
— „Na, von seinem Muttecl."
Aus dcr Zugendzeit eines bekannken Mannes
Der eiwähnte kleine Knabe war etwa siinf Iahre alt, als
man ihn einmal allein im Eßzimmer ließ, wo der Tisch sür den
Nachmittagstee gedeckt war. Es stand eine Schale mit süßer
Schlagsahne da. Der kleine Knabe liebte Schlagsahne, und so
fing cr an, sie mit den Fingern herauszuholen. Als nach fünf
Minuten nur noch ein kleiner Rest in der Schale war, hörte
der Knabe mit einem Seufzer des Bedauerns auf, holte die Katze
und sctzte sie auf den Tisch vor die Schale. Die Katze war ein
gutes, wohlerzogenes Tier und wollte zuerst nicht an die Schale
heran. Da steckte der Knabe ihren Kopf in die Sahne, und nun
gab es für die Katze keinen Lalt mehr, — sie schleckte den Rest
der Sahne ganz und gar auf. Als sie fertig war, lief der kleine
Knabe zu seiner Mutter und schrie: „Mama,
die Katze hat die Sahne ganz aufgefressen!" —
And das stimmte doch auch wirklich.
Ms der Knabe etwas älter geworden war
und in die Schule ging, gab es einmal eine
Probearbeit, die ihm zu schwer fiel. Deshalb
sah er einige Male auf das Left seines Nach-
barn. „Löre, ich glaube, du hast abgeschrieben!"
sagte nachher der Lehrer zu ihm. Der Knabe
aber schwor bei dem Andenken des wahrheits-
liebenden kleinen George Washington, er hät-
1e wahrhaftig nicht abgeschrieben. „Mensch,
kannst du aber schwindeln!" meinte nach der
Stunde eben jener Banknachbar zu ihm. Da
aber warf sich der Knabe in die Brust und
erklärte, er müßte sich so etwas verbitten.
Er hätte nicht abgeschrieben, sondern ab-
gelesen.
Ein andermal jedoch hatte der Lehrer Ver-
anlassung, den Knaben eine Stunde länger da zu
behalten. In der Natur der Veranlassung lag
es, daß er ihn diese ganze Stunde hindurch sogar
in der Ecke stehn ließ. Als der Knabe nach Lause
kam, meinte sein Vater: „Du kommst ja so spät.
Last du etwa nachgesessen?" — „Nein, lieber
Vater," antwortete der Knabe mit offenem
Blick, „ich habe nicht nachgesessen." Er sprach
ja auch die lautere Wahrheit: er hatte nicht
nachgesessen, sondern nachgestanden. —
Als der Knabe ein junger Mann gewor-
den war, verliebte er sich in ein hübsches Mäd-
chen. Das wurde ihm aber bald leid, denn
das Mädchen war arm und hatte auch keine
einzige Erbschaft zu erwarten. Deshalb hielt
es der junge Mann für angezeigt, sich auch mit
anderen jungen Damen zu beschäftigen. Seine
offene Natur konnte diesen Entschluß natürlich
nicht hinter der Maske der Leuchelei verstecken.
So kam es, daß eines Tages das arme Mäd-
chen zu ihm sagte: „Ach, Liebster, du bist so
liihl zu mir; gewiß denkst tu an eine andere."
Da hob der junge Mann die Land und sprach feierlich: „Ich
schwöre dir, — ich denke nicht an eine andere!" Er dachte
nämlich an zwei andere, von dene» er noch nicht wußte, welche
die reichere wäre.-
Der junge Mann wurde ein Mann und hat noch oft
Gelegenheit gehabt, starke und ehrliche Versicherungen abzu-
geben. Neulich erst hat er vor der ganzen Welt gesagt:
Wenn die Vereinigten Staaten den Alliierten Waffen und
Munition liefern, so beobachten sie gerade damit die echte
und wahre Neulralität."
Aus dem kleinen Knaben und dem jungen Mann wurde
nämlich Mister Bryan, der Staatssekretär des Auswärtigen
der Vereinigten Staaten. -o»
VgpkiI^unL7..Linjskn. ,pfim. ,Abit.
- tiaranss ^nst.. ttalls ^.26.
W00 verscli. 12.—. 100 veber»ee 1.35,
40 äeudiebe XoI 2.75,200engl.Xo! 4.50.
/^ibsrl ssrisclsmsnn
Ädl >_^>^>Q, l-Iärlslstr. 23-U.
i'-!?gi."i°» !»nel>>>!>slie>> Ii>>ti>Iozk!>>kop»^
veuisokk Kriegsmsrken
in verausxrrdt. 3, 5, 1t), 25 0.
75 ?fg-, 86slsmpslt I ftßsrl«
Oesterr. Kriegsmsrken
10 ilsllsr 25 ?ig. ssestsmpsit 35 pkg.
1l33»'r6»'8lö»'6»'
c.ftorLter
Ustsgtskis!
Serlin ffl.
fneäriciisirl/
l iofort kerzengrade bei Ge-
I brauch oon „progrssso"
»ges gesch. Tas Neueste>
' Ietztzeit l Glänzendc Dank-1
üvLtatklont, NsrüedurrLuH
Lchi)nede>rerstr. 89.
verantwortticker Keclakteur: peräinanct Llkreider. dlüncken. — Oruär unä verisg von I.p. 5ärreider in Münären unä kjlingen.
ln oetterreick-llng-rn kür Nerau5gsde unä Neäaktion vcrsntworttick: Nodertkäokrinl0ien!., tt"'-.gLlse 4 — Mle Neckte für kLmtlicke Nrtikel unä lllustratio'.en vorbekalten.
7ür äcn Nnreigenteil versntworttick in Veutscklanä: klsr Nsinäl, Nünck-n; in Sellerreick-llngarn: krnll Uakle. lüien.
Meggendorfer-Blätter, München
Nr. 1272
Genügt — „Wcnn ihr ins Feld kommt, grüßt mir meinen Sohn."
— „Iawohl, aber von wem denn?"
— „Na, von seinem Muttecl."
Aus dcr Zugendzeit eines bekannken Mannes
Der eiwähnte kleine Knabe war etwa siinf Iahre alt, als
man ihn einmal allein im Eßzimmer ließ, wo der Tisch sür den
Nachmittagstee gedeckt war. Es stand eine Schale mit süßer
Schlagsahne da. Der kleine Knabe liebte Schlagsahne, und so
fing cr an, sie mit den Fingern herauszuholen. Als nach fünf
Minuten nur noch ein kleiner Rest in der Schale war, hörte
der Knabe mit einem Seufzer des Bedauerns auf, holte die Katze
und sctzte sie auf den Tisch vor die Schale. Die Katze war ein
gutes, wohlerzogenes Tier und wollte zuerst nicht an die Schale
heran. Da steckte der Knabe ihren Kopf in die Sahne, und nun
gab es für die Katze keinen Lalt mehr, — sie schleckte den Rest
der Sahne ganz und gar auf. Als sie fertig war, lief der kleine
Knabe zu seiner Mutter und schrie: „Mama,
die Katze hat die Sahne ganz aufgefressen!" —
And das stimmte doch auch wirklich.
Ms der Knabe etwas älter geworden war
und in die Schule ging, gab es einmal eine
Probearbeit, die ihm zu schwer fiel. Deshalb
sah er einige Male auf das Left seines Nach-
barn. „Löre, ich glaube, du hast abgeschrieben!"
sagte nachher der Lehrer zu ihm. Der Knabe
aber schwor bei dem Andenken des wahrheits-
liebenden kleinen George Washington, er hät-
1e wahrhaftig nicht abgeschrieben. „Mensch,
kannst du aber schwindeln!" meinte nach der
Stunde eben jener Banknachbar zu ihm. Da
aber warf sich der Knabe in die Brust und
erklärte, er müßte sich so etwas verbitten.
Er hätte nicht abgeschrieben, sondern ab-
gelesen.
Ein andermal jedoch hatte der Lehrer Ver-
anlassung, den Knaben eine Stunde länger da zu
behalten. In der Natur der Veranlassung lag
es, daß er ihn diese ganze Stunde hindurch sogar
in der Ecke stehn ließ. Als der Knabe nach Lause
kam, meinte sein Vater: „Du kommst ja so spät.
Last du etwa nachgesessen?" — „Nein, lieber
Vater," antwortete der Knabe mit offenem
Blick, „ich habe nicht nachgesessen." Er sprach
ja auch die lautere Wahrheit: er hatte nicht
nachgesessen, sondern nachgestanden. —
Als der Knabe ein junger Mann gewor-
den war, verliebte er sich in ein hübsches Mäd-
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das Mädchen war arm und hatte auch keine
einzige Erbschaft zu erwarten. Deshalb hielt
es der junge Mann für angezeigt, sich auch mit
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nicht hinter der Maske der Leuchelei verstecken.
So kam es, daß eines Tages das arme Mäd-
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