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104 Meggendorfer-Blätter, München VVVVVVVVVVVVV>?VVVV

^rz" Zieh! Zie biläen eine kictte!

^ Tanzen spielt um Busch unä Baum,

Mas sie in äcn Morgen flüftern,

Baufällig

Lausbesitzer: „Wer hat Ihne» erlaubt, da an meinem
Lause Zettel anzukleben?"

Zettelankleber: „Seien Sie doch zufrieden! Durch die
Zettel hält ja Ihre Baracke noch 'n bißchen zusammen ...
sonst wäre ste ja längst eingefallen!"

Angst

Lerr: „Deine Tochter sollte ja an die Universität kom-
men . . . Du tust es nicht?"

Freund: „Fürchte, da ste zu sehr der Alten nachgeraten ...
daß sie nicht geeignet ist. . . wird es nicht aushalten, nur
zuhören und selber nix reden!"

Aalfcho Taltil Von Pekcr Robinson

Marcel Piscot war der einzige Sohn seiner Mutter,
der Madame Veuve Piscot. Der alte Piscot war ge-
storben, als der Iunge zehn Iahre alt war. Er hatte
Frau und Kind gerade die nötige Menge Nententitel
hinterlassen, daß ste von den Zinsen ganz gut hätten leben
können. Das taten sie aber nicht. Sie lebten nicht gut,
sondern schlecht, so schlecht, wie es sich gerade noch aus-
halten ließ. Vater Piscot hätte es nicht ausgehalten,
behaupteten die Nachbarn. Sein genügsamer Geist wäre
zwar auf das Zusammenleben mit seiner Gattin eingerichtet
gewesen, aber nicht sein Magen: wenn der etwas reichlicher
gefüllt worden wäre, hätte sein Besitzer totsicher noch lange
Iahre sich des Lebens erfreuen können. Aber so wäre der
arme Piscot dahingeschwunden wie ein Kanarienvogel,
den man zu füttern vergessen hat.

Darin lag vielleicht einige Aebertreibung. Daß Madame
Piscot sehr geizig war, stimmte freilich, und es traf auch
zu, daß sie von den viclen Stufen des Geizes mühelos so
ziemlich die höchste erreicht hatte. Wer in ihre Wirtschaft
hineinsah, konnte schon davon Magenknurren bekommen,
Dem kleinen Marcel aber knurrte der Magen eigentlich
jeden Tag.

Sie wohnten in der Rue Cardinet, gerade dort, wo
die Straße nur auf der einen Seite Läuser hat und auf
der andern der Vars aux Narvbanäisoe von Clichy liegt.
Mit klugem Vorbedacht hatte Madame Piscot sich hier
angesiedelt. Lier ließ sich sehr billig einkaufen, in den
kleinen Landlungen, die ihre Bestände aus den Resten und
Abfällen der Großhändler recht skrupellos ergänzen. Es
gab mitunter prächtige Gelegenheitskäufe, die die Küche
für eine ganze Woche versorgten. Die Wohnung lag im
vierten Stock, und aus den Fenstern konnte man die ganzen
dem Lebensmittclvertriebe dienenden Anlagen überschauen,
wie auch die aufsteigenden Gerüche genießen, von denen
Madame Piscot behauptete, daß sie allein schon halb satt
machten. Aber der Anblick und die Gerüche schufen dem
kleinen Marcel im Gegenteil manche Qualen, denn er war
zwar ein kleines und dürrcs Kerlchen, bewies aber doch
ein recht starkes Nahrungsbcdürfnis und schien einen recht
soliden Magen zu haben. !lnd in der Tat: dieser Magen
mußte jedenfalls sehr gut gebaut sei» sonst hätte er ohne
merkliche Schädigung die Kochkunst der Mutter Piscot
gar nicht vertragen können. Diese Kochkunst hatte große
Aehnlichkeit mit mancher modernen Kunst: sie gab ein
lächerliches Wenig sür ein durchaus ernst zu nehmendes
Viel aus.

Manchmal, wenn sich der Magen gar nicht bändigen
lassen wollte und die Gelegenheit sich bot, kam es zu einer
Unterschlagung auf einem Einholgange oder einem Diebstahl
aus dem Frühstückskörbchen oder gar zu einem Einbruch
in die Speisekammer, die nur deshalb Vorräte aufwies,
weil außergewöhnliche Einkaussgelegenheiten doch nicht
unbenützt bleiben durften. Aber es wäre ein Wunder ge-
wesen, wenn Marcel nicht ertappt worden würe, und
Wunder gab es bei Madame Piscot nicht. Dann gab es
jedesmal ein Strafgericht, und das war das einzige Gericht,
bei dem die Mutter nicht sparsam war, nicht mit Schlägen
und nicht mit kräftigen Worten, die den Sohn als zu-
künftigen Abschaum der Menschheit hinstellten, als nutzlosen
Fresser und Schlemmer. So lebte der kleine Marcel zwischen
derLoffnung aufjene günstigen Gelegenheiten und der Furcht
vor der Entdeckung nach ausgenützter Gelegenheit. Das war
kein fröhliches Dasein, aber schließlich bewegt sich das mensch-
liche Leben überhaupt meist zwischen Furcht und Loffnung.
 
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