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Nr. 1273

Zeitschrift für Humor und Kunst

109

Falsche Tallik

Arlaub für militärische Aebungen beanspruchen, und wenn
es der Teufel wollle, daß es wirklich einmal losging, —
na, da mußte man froh sein, wenn man jemand im Geschäst
behielt. Denn die allermeisten jungen Leute würden leider
mit müssen.

Madame Piscot fügte ssch dem seiner Fesseln ent-
ledigten Appetit ihres Sohnes. Der Iunge war ihrer
Zucht jetzt ja auch entwachsen. Für Wohnung und Kost
zahlte er von seinem Gehalt monatlich eine ihr sehr will-
kommene Summe, die sie doch auch nicht einbüßen mochte.
Deshalb kochte sie jetzt ausreichend. Das heißt, nur für
den Sohn, -- sis selbst bezähmte sich.

Marcels Magen halte sich in langen Iahren gewöhnt,
das ihm Zugeführte sehr gründlich auszunützen. Er behielt
diese Gewohnheit auch bei, als ihm jetzt bedeutend größere
Mengen verabsolgt wurden. Das Essen schlug bei Marcel
gewaltig an. Seine Rippen begannen sich unter angenehmer
Lülle zu verbergen, Arm- und Wadenmuskeln wuchsen,
und schließlich meldete sich noch ein kleiner Bauch an, der
zusehends gedieh. Marcel war glücklich und guter Dinge. —

Als es im August 1914 losging, war Marcel Piscot
ganz ungemein froh. Er streichelte seinen Bauch und dachte:
„Wenn ich den Anfang dazu vor zwei Iahren gehabt hätte,
säße ich jetzt verdammt in der Tinte. Jch müßte die
Schweinerei wahrhastig mitmachen. !lnd ganz sicher würde
ich totgeschossen werden." — Ia, das war ein sehr an-
genehmes Gefühl, so glücklich entkommen zu sein. Bei
Monsteur Bertrand aber gab es jetzt sogar ein besonders
hohes Gehalt, denn es war furchtbar viel zu lun. Monsieur

Bertrand, für dessen feine Landschuhe gegenwärtig kein
Bedarf war, verkaufte jetzt an die Armeeverwaltung
Tornister und Seitengewehre und Feldkochapparate und
Fleischkonserven und ähnliche Dinge, deren Verkauf im
Kriege ganz ungewöhnliche Gewinns abwirft. Mit seiner
Branche der feincn Landschuhe hatken diese Artikel zwar
nicht das geringste zu tun, aber darauf kam es ja nicht an.
Der Krieg ist ein ungewöhnlicher Zustand des bürgerlichen
Lebens, und deshalb mllssen dabei auch ungewöhnliche
Geschäfte gemacht werden.

Eines Tages — drei Mochen halte man jetzt Krieg —
kam Marcel sehr blaß nach Lause und rührte sein Essen
nicht an. „Last du schon unterwegs etwas gegessen?"
fragte die Mutter. Das war eine unzweckmäßige Frage.
Marcel pflegte sehr oft unterwegs etwas zu genießen, aber
er hatte trotzdem zu Lause immer noch einmal gegessen.
„Nein," sagte er. Aber er hätte heute keinen Appetit.
Dann ging er in sein Zimmer und überließ sich ganz dem
furchtbaren Grausen, das ihn befallen hatte. Das war ja
entsetzlich. Aus ganz zuverlässtger Quelle hatte er es
erfahren: Frankreich würde noch mehr Soldaten brauchen,
noch viel mehr Kanonenfutter; es wäre ganz sicher, daß
die früher untauglich Befundenen noch einmal gemustert
werden würden. Marcel ging hungrig zu Bett. Vorher
sah er stch im Spiegel an. Psui Teufel, hatte er sich in
den letzten zwei Iahren angefressen! Einfach ekelhaft!

Am nächsten Tage kaufte er sich Entfettungspillen und
der Gründlichkeit halber auch gleich ein entsprechendes
Mineralwasser. Das Wasser war so ziemlich das einzige
Getränk und die Pillen beinahe die einzige Nahrung, die

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