Zeitschrift für Humor und Kunst 139
Die Nache
— „Der Müller hat also wegen seiner ungewöhnlich großen Ohren keine Frau gekriegt?"
— „Nein. And nun setzt er sich aus Rache immer an Tische, an denen Liebespärchen sitzen."
Edwards Stellvertreter
je nachdem hatte Edward Nesbitt
sein Budget für das nächste Jahr
mit einem größeren oder kleineren
Biß in das Kapital aufgestellt.
Mit der Zeit waren es aber der
Bisse so viele geworden, daß er
sehnlichst wünschen mußte, der alte
Lord möchte nun auch einmal beißen,
nämlich ins Gras. Beziehungen
zwischen dem gegenwärtigen und
dem künftigen Lord bestanden nicht.
Edward Nesbitt hatte den alten
Lerrn nie gesehn; er hatte keine
Ahnung, ob er groß oder klein, dick
oder dünn war. Nur las er hin
und wieder, was Lord Leitrim im
Oberhause gesagt hatte; danach
hatte er sich gewöhnt, ihn den alten
Esel zu nennen.-
Es war also ein Brief für „Sir
Edward" angekommen. Das in der
äußeren Aufmachung tadellose, im
übrigen aber ungemein mangelhaste
Schreiben rührte von Lilian Rosee
her, die eigentlich Betsy Lickup
hieß. Sie war eine der zwölf jun-
gen Damen, die allabendlich im
Criterion Theatre in Marineuni-
formen austraten und dem Publi-
kum mittels einer gesangartigen
Anstrengung die beruhigende Ver-
sicherung gaben, daß Britannien
die Wogen beherrsche. Dabei hiel-
ten sie einander untergefaßt, eine
lange Kette vorn an der Rampe
bildend, und schlenkerten im Takt
Rascher Fall
einmal das rechte und einmal das
linke Bein. And zum Schluß zogen
sie jede mit der Rechten ein pappe-
nes, mit Staniol beklebtes Schwert
und mit der Linken, wie ein Schnupf-
tuch, eine britische Flagge; die eine
wurde geschwenkt, das anderewurde
geschwungen, und so auf das nach-
drücklichste die Lerrschaft Britan-
niens bestätigt.
Edward Nesbitt hatte Lilian
Rosse, alias Betsy Lickup vor einem
halben Iahre angenehm kennenge-
lernt. Diese Bekanntschaft hatte
für ihn das Erfreuliche, daß er jetzt
nicht mehr der einzige Mensch in
der Welt war, dcr ein Interesse
am Ableben seiner Lordschaft hatte,
des alten Lerrn von Leitrim Castle;
er hatte nämlich Lilian das Ver-
sprechen gegeben, sie zur Lady zu
erheben, sobald er selbst Lord sein
würde. Damit konnte er sich dann
auch gleich auf das beste in die
Nobility einführen. Denn ein eng-
lifcher Lord macht bekanntlich am
sichersten von sich reden, wenn er
ein Chorusgirl irgendeines minder-
wertigen Theaters heiratet.
Lilians Brief lief auf die flehent-
liche Bitte hinaus: Komm', flieh'
mit mir! Betsy Lickup, die schwert-
schwingendeundflaggenschwenkende
Lilian Rosee zitterte. Sie bangte
um ihr junges Leben und ihre ari-
— „Wie heißt, bin stokratische Zukunft. Schuld waren
ich ä Schwindelaktie?" natürlich die deutschen Zeppeline,
Die Nache
— „Der Müller hat also wegen seiner ungewöhnlich großen Ohren keine Frau gekriegt?"
— „Nein. And nun setzt er sich aus Rache immer an Tische, an denen Liebespärchen sitzen."
Edwards Stellvertreter
je nachdem hatte Edward Nesbitt
sein Budget für das nächste Jahr
mit einem größeren oder kleineren
Biß in das Kapital aufgestellt.
Mit der Zeit waren es aber der
Bisse so viele geworden, daß er
sehnlichst wünschen mußte, der alte
Lord möchte nun auch einmal beißen,
nämlich ins Gras. Beziehungen
zwischen dem gegenwärtigen und
dem künftigen Lord bestanden nicht.
Edward Nesbitt hatte den alten
Lerrn nie gesehn; er hatte keine
Ahnung, ob er groß oder klein, dick
oder dünn war. Nur las er hin
und wieder, was Lord Leitrim im
Oberhause gesagt hatte; danach
hatte er sich gewöhnt, ihn den alten
Esel zu nennen.-
Es war also ein Brief für „Sir
Edward" angekommen. Das in der
äußeren Aufmachung tadellose, im
übrigen aber ungemein mangelhaste
Schreiben rührte von Lilian Rosee
her, die eigentlich Betsy Lickup
hieß. Sie war eine der zwölf jun-
gen Damen, die allabendlich im
Criterion Theatre in Marineuni-
formen austraten und dem Publi-
kum mittels einer gesangartigen
Anstrengung die beruhigende Ver-
sicherung gaben, daß Britannien
die Wogen beherrsche. Dabei hiel-
ten sie einander untergefaßt, eine
lange Kette vorn an der Rampe
bildend, und schlenkerten im Takt
Rascher Fall
einmal das rechte und einmal das
linke Bein. And zum Schluß zogen
sie jede mit der Rechten ein pappe-
nes, mit Staniol beklebtes Schwert
und mit der Linken, wie ein Schnupf-
tuch, eine britische Flagge; die eine
wurde geschwenkt, das anderewurde
geschwungen, und so auf das nach-
drücklichste die Lerrschaft Britan-
niens bestätigt.
Edward Nesbitt hatte Lilian
Rosse, alias Betsy Lickup vor einem
halben Iahre angenehm kennenge-
lernt. Diese Bekanntschaft hatte
für ihn das Erfreuliche, daß er jetzt
nicht mehr der einzige Mensch in
der Welt war, dcr ein Interesse
am Ableben seiner Lordschaft hatte,
des alten Lerrn von Leitrim Castle;
er hatte nämlich Lilian das Ver-
sprechen gegeben, sie zur Lady zu
erheben, sobald er selbst Lord sein
würde. Damit konnte er sich dann
auch gleich auf das beste in die
Nobility einführen. Denn ein eng-
lifcher Lord macht bekanntlich am
sichersten von sich reden, wenn er
ein Chorusgirl irgendeines minder-
wertigen Theaters heiratet.
Lilians Brief lief auf die flehent-
liche Bitte hinaus: Komm', flieh'
mit mir! Betsy Lickup, die schwert-
schwingendeundflaggenschwenkende
Lilian Rosee zitterte. Sie bangte
um ihr junges Leben und ihre ari-
— „Wie heißt, bin stokratische Zukunft. Schuld waren
ich ä Schwindelaktie?" natürlich die deutschen Zeppeline,