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Meggendorfer-Blätter, München
Bubenstreich
— „Ein hübscher kleiner Ofen, den Sie da haben."
— „Ia, ich habe ihn billig auf dem Trödelinarkt gekauft. und
voll Äolz ist er auch noch."
— „Das ist ja sehr schön. Lostentlich raucht er nicht."
— „O bewahre, das ist ganz —
Erstaunliche weibliche Leistung
— „Jch kenne eine Dame, die hat ihr Doktorexamen oum lauäe
gemacht."
— „Pah, ich habe sogar eine Cousine, die ist noch niemals von
der Straßenbahn nach der falschen Seite abgesprungen."
Der Maulwurf Ein° ing°Ese G°schichi°
Wir hatten wieder einmal alle Möglichkeiten
durchgedacht, wie diesem England beizukommen sei.
Wir hatten von dem großen Kran gesprochen, der
an der Kanalküste aufgestellt werden sollte, mit einer
Spannweite gleich der des Aermelkanals und einer
Tragkraft von 40000 Mann, sodaß ein ganzes Armee-
korps wie mit einem Landgriff von Frankreich nach
England hinübergesetzt werden könnte. And wir
hatten berechnet, wie groß die Magneten sein müßten,
die an der Küste aufgestellt werden sollten, damit
fie die großen englischen Panzerschiffe wie ein willen-
loses Spielzeug herüberzögen, so wie die Blechenten,
mit denen die Kinder am Wafsertrog spielen.
Krackel Kühne, der Radierer, wußte etwas Neues.
An den britischen Inseln sollte einfach eine große
Säge angesetzt werden, wenig unterhalb der Wasser-
linie, und damit das unangenehme Volk von seiner
Insel abgesägt werden wie ein Raupennest von
seinem Ast. Wenn der Schnitt geführt sei, würde
die Oberschicht schon von den Wellen davongetragen
werden wie ein Butterbrot.
„Also gewissermaßen ein Tod durch Wasser-
spülung!" rief Fritze Burian, der „Baron". „Sicher
lich das einzig angemessene Ende für dieses Volk,
das soviel von Kultur redet und im Grunde für die
Kultur nichts weiter erfunden hat als das W. C."
(Wir nannten ihn übrigens den Baron, weil er
einmal in eine baltische Baronesse verliebt gewesen
war; da hatte er uns angestiftet, damit er Chancen
habe, sollten wir ihn alle „Baron" anreden.)
Aber Carlo Medicus, der stämmige, untersetzte
Bildhauer, hatte den ganzen Abend geschwiegen.
Carlo Medicus, der sich doch für einen Nachkommen
der Medicäer und den geistigen Erben Leonardo da
Vincis hielt und einen Göschenband über „Ingenieur-
wissenschaften" besaß!
„Nun, edler Meister aller technischen Künste,
wiffen Sie heute gar nichts Neues?" zog ich ihn auf.
„Lacht ihr nur, redet ihr nur. Ihr kommt ja
alle über eure Kaffeehausideen nie hinaus. Aber ihr
sollt noch alle über mich staunen. So hoch wie der
Marmortisch hier solltihr springen über den Medicus."
Weiter war an diesem Abend nichts aus ihm
herauszukriegen. Aber auf dem Nachhausewege
nahm mich der kleine blonde Ieffen beiseite. Klaus
Iessen, der Modellierschüler, war der einzige, der
öfter mit Carlo Medicus zusammenkam, weil er ihm
half den Modellierton anfeuchten und überhaupt
eine Art Stubenbursch bei ihm war.
„Sie müffen ihn einmal besuchen. Glauben Sie
mir, es lohnt sich. Er ist komplett verrückt geworden."
Ich ging sehr ungern zu Medicus. Denn erstens
wohnte er wie all dieses Künstlervolk über vier
Stiegen, und hatte man die erklommen. so war er
nicht zu Lause, und wenn er doch zu Lause war, so
war noch lange nicht gesagt, daß er die Tür ausmachte.
Wenn er sich an irgend einer Arbeit oder Idee fest-
gebissen hatte, so konnte ihn kein Mensch bewegen,
die Tür zu öffnen, mochte dieser Mensch nun ein
Gerichtsvollzieher oder ein Geldbriefträger sein.
Aber heute hatte ich Glück. Er war zu Lause,
und er öffnete. Allerdings sagte er nur: „Ach, Sie
Meggendorfer-Blätter, München
Bubenstreich
— „Ein hübscher kleiner Ofen, den Sie da haben."
— „Ia, ich habe ihn billig auf dem Trödelinarkt gekauft. und
voll Äolz ist er auch noch."
— „Das ist ja sehr schön. Lostentlich raucht er nicht."
— „O bewahre, das ist ganz —
Erstaunliche weibliche Leistung
— „Jch kenne eine Dame, die hat ihr Doktorexamen oum lauäe
gemacht."
— „Pah, ich habe sogar eine Cousine, die ist noch niemals von
der Straßenbahn nach der falschen Seite abgesprungen."
Der Maulwurf Ein° ing°Ese G°schichi°
Wir hatten wieder einmal alle Möglichkeiten
durchgedacht, wie diesem England beizukommen sei.
Wir hatten von dem großen Kran gesprochen, der
an der Kanalküste aufgestellt werden sollte, mit einer
Spannweite gleich der des Aermelkanals und einer
Tragkraft von 40000 Mann, sodaß ein ganzes Armee-
korps wie mit einem Landgriff von Frankreich nach
England hinübergesetzt werden könnte. And wir
hatten berechnet, wie groß die Magneten sein müßten,
die an der Küste aufgestellt werden sollten, damit
fie die großen englischen Panzerschiffe wie ein willen-
loses Spielzeug herüberzögen, so wie die Blechenten,
mit denen die Kinder am Wafsertrog spielen.
Krackel Kühne, der Radierer, wußte etwas Neues.
An den britischen Inseln sollte einfach eine große
Säge angesetzt werden, wenig unterhalb der Wasser-
linie, und damit das unangenehme Volk von seiner
Insel abgesägt werden wie ein Raupennest von
seinem Ast. Wenn der Schnitt geführt sei, würde
die Oberschicht schon von den Wellen davongetragen
werden wie ein Butterbrot.
„Also gewissermaßen ein Tod durch Wasser-
spülung!" rief Fritze Burian, der „Baron". „Sicher
lich das einzig angemessene Ende für dieses Volk,
das soviel von Kultur redet und im Grunde für die
Kultur nichts weiter erfunden hat als das W. C."
(Wir nannten ihn übrigens den Baron, weil er
einmal in eine baltische Baronesse verliebt gewesen
war; da hatte er uns angestiftet, damit er Chancen
habe, sollten wir ihn alle „Baron" anreden.)
Aber Carlo Medicus, der stämmige, untersetzte
Bildhauer, hatte den ganzen Abend geschwiegen.
Carlo Medicus, der sich doch für einen Nachkommen
der Medicäer und den geistigen Erben Leonardo da
Vincis hielt und einen Göschenband über „Ingenieur-
wissenschaften" besaß!
„Nun, edler Meister aller technischen Künste,
wiffen Sie heute gar nichts Neues?" zog ich ihn auf.
„Lacht ihr nur, redet ihr nur. Ihr kommt ja
alle über eure Kaffeehausideen nie hinaus. Aber ihr
sollt noch alle über mich staunen. So hoch wie der
Marmortisch hier solltihr springen über den Medicus."
Weiter war an diesem Abend nichts aus ihm
herauszukriegen. Aber auf dem Nachhausewege
nahm mich der kleine blonde Ieffen beiseite. Klaus
Iessen, der Modellierschüler, war der einzige, der
öfter mit Carlo Medicus zusammenkam, weil er ihm
half den Modellierton anfeuchten und überhaupt
eine Art Stubenbursch bei ihm war.
„Sie müffen ihn einmal besuchen. Glauben Sie
mir, es lohnt sich. Er ist komplett verrückt geworden."
Ich ging sehr ungern zu Medicus. Denn erstens
wohnte er wie all dieses Künstlervolk über vier
Stiegen, und hatte man die erklommen. so war er
nicht zu Lause, und wenn er doch zu Lause war, so
war noch lange nicht gesagt, daß er die Tür ausmachte.
Wenn er sich an irgend einer Arbeit oder Idee fest-
gebissen hatte, so konnte ihn kein Mensch bewegen,
die Tür zu öffnen, mochte dieser Mensch nun ein
Gerichtsvollzieher oder ein Geldbriefträger sein.
Aber heute hatte ich Glück. Er war zu Lause,
und er öffnete. Allerdings sagte er nur: „Ach, Sie