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Zeitschrift für Humor und Kunst 0-000-2-2 187

Warum Iohn Mackie Soldat wurde
seinem zahnlosen Gaumen am angenehmsten war.

Er hätte sich freilich ein künstliches Gebiß machen
lassen können. Es gibt ja viele Leute, die dergleichen
tragen, und Iohn hätte sich nicht im geringsten zu
schämen brauchen, zu einer so nützlichen Imitation
seine Zuflucht zu nehmen. Aber ein Gebiß kostet
Geld, und Iohn Mackie war ein Schotte. Die Eng-
länder behaupten, die Schotten seien die geizigsten
Leute der ganzen Welt. Freilich, die Engländer sage»
sehr oft andern Leuten Böses nach, aber in diesem
Fall, das muß zugegeben werden, haben sie ganz recht.

Iohn Mackie besaß diese Eigentümlichkeit seines
Stammes in besonders hohem Grade. Melleicht
war cr ein Verwandter jenes Schotte», von dem die
Geschichte mit dem Automaten erzäh^ wird. Dieser
Schotte hatte auf einem Geschäftswege furchtbaren
Lunger bekommen, wollte aber natürlich kein Speise-
lokal aufsuchen. weil er zu Äause seine Abendmahlzeit
vorfinden mußie. Deshalb gedachte er mit dem
Opfer eines Penny davon zu kommen. Er warf diesen
Penny in einen Automaten, von dem er ein Stück
Schokolade zu erhalten erwartete. Aber er hatte sich
in der Eile geirrt; der Automat verkaufte überhaupt
nichts. Es war ein Kraftmesser, und wenn man an
einem Landgriff so tüchtig zog, daß eine bestimmte
Energiemenge aufgewendet wurde, dann gab dcr
Apparat den Penny zurück. Nun, cs war sechs Ahr
abends, als jener Schotte seinen Penny hineinge-
worfen hatte. Am nächsten Morgen um sechs Uhr
fand man ihn der Länge nach vor dem Apparat
liegend. Er war tot, dahingerafft durch die Llnstren-
gungen, seinen Penny wieder zu ergattern.

Nein, Iohn Mackie wollte stch kein Gebiß mache» lassen.
Zehn Pfund, hattc man ihm gesagt, würde eins kosten, das
seinen Zweck richtig und anständig ersüllte. Zehn Pfund?

„Doch Mutti, Tante Friedel hat gestern, als ich
sie fragte, was ein Flirt sei, gesagt: Etwas, wobei
nichts herauskommt!"

Nein, da ernährte er sich lieber weiter durch Pudding. Und
das bekam ihm auch sehr gut. In einen englischen Pudding
geht, wie in ein englisches Gewissen, alles mögliche hinein;
man kann ih» prächtig nahrhast gestalten. Kitty ver-
stand das sehr gut, und Iohn gedieh und war ein
strammer Kerl. Er war sogar eine Größe des „Fuß-
ballklubs der Gewerbetreibenden von Surbiton." Der
beanspruchte freilich einen Iahresbeitrag, aber das
machte nichts; dieses Geld rentierte sich, denn alle
Mitglieder mußten natürlich ihren Tabak und ihre
Zeitungen von ihm beziehn.

Nur etwas gab es, was Iohns Wohlbefinden
hi» und wieder störte. Manchmal befielen ihn Schmer-
zen, einmal schwächere, einmal stärkere, immer aber
ihm unerklärliche und deshalb umso unangenehmere
Schmerzen in der rechten Bauchseite. Wenn er Pork-
shire Pudding gegeffen hatte, der sehr breiig ist und
die Neigung hat, lange bei dem zu verweilen, der
ihn genossen, stellten sich diese Schmerzen am nächsten
Tage besonders stark ein.

„Geh zum Doktor, Iohnny!" sprach Kitty
wiederholt.

Aber Iohnny schüttelte den Kopf. Der Doktor
von Surbiton war Nichtraucher, und seine Zeitungen
ließ er sich von dem Zeitungsmann auf dem Bahn-
hof holen. Es wäre geradezu Wahnsinn gewesen,
wenn Iohn Mackie diesem Menschen etwas zu ver-
dienen gegeben hätte.

Aber die rätselhaften Schmerzen in der rechten
Seite kamen immer wieder, und zu dem körperlichen
Anbehagen, das sie Iohn verursachten, weckten sie
den ihn noch viel mehr peinigenden Gedanken, daß

Amständlich "Wo willst du denn mit dem Stuhl

hin, Peperl?"

— „A Bries soll ich in 'n Kasten wer-
sen, und da kann ich sonst nicht 'ran!"
 
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