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Meggendorfer-Blätter, Miinchen

Gut gemeint V°n e. A. sennig

Es gibt Leute, namentlich Frauen, welche in rührender
Lerzenseinfalt ständig bemüht sind, Personen ihrer Zunei-
gung Gutes und Liebes zu erweisen, und in der blinden
Läufung und dem Aebermaß ihrer Guttaten, ja sogar in
fühlbaren Opfern glauben sie die Größe ihrer liebevollen
Gefühle einzig richtig zum Ausdruck zu bringen. Ihr Gebe-
eifer ist unerschöpflich und nichts kann sie tiefer verwunden,
als selbst der sansteste Versuch, den sprudelnden Born ihrer
naiven Güte auf ein vernünstiges Maß zurückzuführen.

„Es war ja doch so gut gemeint," seufzen sie wehmütig
und schelten uns lieblos und undankbar.

Doch ich wollte ja eine kleine Geschichte erzählen und
keine moralischen Betrachtungen anstellen.

Eines Tages ging ich über den Viktualienmarkt, als
ich mich plötzlich meiner guten alten Kinderfrau, meiner
treuen Kathinka, gegenüber sah.

„Kaninchen!"

„Männchen!"

,Männchen' und ,Kaninchen' waren Koseformen, wech-
selseitig erfunden und ausgetauscht in der Zeit goldener
Iugendtage. !lnd die Zahre hatten daran nicht rütteln können.
„Das ist ja eine unverhoffte Freude,Kaninchen," sagteich.
„O, du mein liebes, liebes Männchen," erwiderte mit
einem Freudentränchen in ihren rundlichen Augen die sorg-
liche Lüterin meiner jungen Tage.

Lätte nicht ein schwerer Marktkorb einerseits, sowie ein
baumwollener Regenschirm andrerseits die alte Dame an
dem Gebrauch ihrer Arme gehindert, so wäre sie mir wohl
stehenden Fußes um den Lals gefallen; so aber begnügte
ste sich, nach einigen einleitenden Fragen und Antworten
mir in fliegender Eile zu etwa dreihundert Worten in der
Minute einen Aeberblick über die Vorgänge der letzten zehn
Iahre zu geben. Denn so lange etwa hatten wir einander
nicht gesehen. Aus dieser gedrängten Revue erfuhr ich, daß
sie nach Ellbach geheiratet hatte, daß ihr
Mann aber vor etlichen Iahren gestor-
ben sei und ihr ein kleines Läuschen
hinterlaffen hatte, daß sie, wenn sich
Gelegenheit fand, an Sommergäste ver-
mietete und dabei ein ganz behagliches
Leben führte.

Plötzlich aber geriet die Maschine
ihrer Beredsamkeit ins Stocken, sie sah
mir mit einer Miene forschender Teil-
nahme ins Gesicht und sagte: „Mein
Gott, Männchen, da stehe ich hier und
schwätze und sehe erst jetzt, wie bleich
und angegriffen du aussiehst. Du bist
doch nicht etwa krank?"

„Krank gerade nicht, Kaninchen,"
gab ich zurück, „aber strenge Ar-
beit und Stadtluft haben mich etwas
heruntergebracht und so, wie ich kann,
nehme ich mir paar Wochen Arlaub
und suche mir ein stilles, abgelegenes
Plätzchen in den Bergen, wo ich ohne
Rücksicht auf Menschen und Verkehr
ganz meiner Erholung leben kann. Ruhe,
Ruhe und wieder Ruhe, das ist's, was
ich brauche."

Kaninchens Augen leuchteten.

„Da kommst du zu mir," rief ste
triumphierend aus.

Ich erschrak ein wenig. Das war's
eigentlich nicht, was ich gewollt hatte.

„Liebes Kaninchen," sagte ich daher
so diplomatisch wie mögltch, „wte könnte
ich dir eine solche Last aufbürden? Das
Gefühl, dir Anruhe und Sorge um mich
ins Laus zu tragen, würde mich peinigen
und mich nicht die gehoffte Ruhe finden
laffen." „Ach papperlapapp," protestierte
Kaninchen. „Ich bin die Nächste dazu,
dich zu Pflegen, wenn du krank bist, und
ich bin ganz andere Anruhe im Laus
gewöhnt, wenn ich Fremde habe, und
für dich wäre mir außerdem kein Opfer
zu groß. Auch ist es mir sogar eine Er-
leichterung, dich bei mir zu haben, denn
ich nehme dann keine anderen Sommer-
gäste ins Laus."

Der Vereinsherkules

— „Das nennen Sie anzapfen, Mann? Geben Sie 'mal den Schlegel her! So etwas

muß mit Schwung
 
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