Zugeständnis Mutter: „Der Äerr kann es doch unmög-
lich aufrichtig mit dir meinen; er ist ja völlig
fremd hier."
Tochter: „Vielleicht gerade deshalb, Mama."
Was mit den Galoschen während des Krieges geschah
Von Peter Robinson
Wir wissen, daß es ein Paar sehr merkwürdiger
Galoschen gibt. Sie haben die Eigenschaft, daß ein
jeder, der sie anzieht, augenblicklich an die Stelle und
in die Zeit versetzt wird, wo er am liebsten sein will;
ein jeder Wunsch in Bezug auf Zeit, Ort oder Exi-
stenz wird sogleich erfüllt. Wenigstens hat das, und
zwar genau mit diesen Worten, Lans Christian
Andersen berichtet, und das ist ein Mann, dem man
wohl glauben kann. Einem alten Kanzleirat in
Kopenhagen sind mit diesen Galoschen sonderbare
Dinge geschehen, so sonderbare, wie sie gerade Kanzlei-
räten sonst nicht passieren. Auch noch einige andere
Leute haben ihre Erlebniffe damit gehabt, wie dies
alles Lans Christian Andersen erzählt hat. Er sagt
auch, daß schließlich die Sorge die Galoschen an sich
genommen hat. Sie muß sie wohl nicht mehr unter
die Leute haben kommen laffen, denn man hat seit-
dem nichts wieder von ihnen gehört. Bis vor eini-
gen Tagen.
Ietzt nämlich, in diesem großen Krieg, hat die
Sorge, die sich ja auch sonst nicht gerade über Mangel
an Beschäftigung beklagen kann, ganz schrecklich viel
zu tun. Tag und Nacht muß sie unterwegs sein;
sie kann ihre Arbeit kaum noch bewältigen, ganz
nervös ist sie schon geworden. Deshalb scheint sie
auf die Galoschen nicht ordentlich aufgepaßt zu haben;
auf einmal sind sie wieder zum Vorschein gekommen
und haben ihre noch immer ungeschwächte Wirksam
keit an einigen Leuten bewiesen.
In Paris sind die Galoschen zuerst wieder auf-
getaucht. Da hat nämlich die Sorge gegenwärtig
am meisten zu tun, womit aber beileibe nicht gesagt
sein soll, daß sie nicht auch anderwärts hinkommt.
O nein, sie macht sich auch an manchen andern Orten
recht unliebsam bemerkbar.
In einem kleinen Caföhause an der Vlaeo äo8
Vietoii68 hatte die Sorge geseffen und den Stamm-
gästen, die ihre Gegenwart nicht bemerkten und sich
gerade über die politische Lage unterhielten, ein wenig
die teils grauen, teils kahlen Scheitel gestreichelt.
Dann war ihr eingefallen, daß sie ja dringend gleich
nebenan zu tun hätte, nämlich in der Bank von Frank-
reich, und sie war schnell dorthin gelausen. Dabei
aber hatte sie die Galoschen unter dem Tisch stehn
gelaffen.
Kein Mensch sah sie zuerst. Die Stammgäste
unterhielten sich nur noch schleppend; an die Stelle
der Worte traten viele Seufzer. Anfangs, als sie
sich hier getroffen hatten, waren sie ganz vergnügt
gewesen. Sie hatten davon gesprochen, wie grausig
es jetzt in Berlin aussehn müßte; jeder hatte zu diesem
schönen Thema noch eine besondere Einzelheit mit-
teilen können, die er aus dem „Matin", dem „Temps",
dem „Iournal", oder gar dem „Pelit Parisien" oder
aus sonst einem der Mistbeete der öffentlichen Mei-
nung gepflückt hatte, die oft die sonderbarsten Früchte
in erstaunlich kurzer Zeit reifen laffen. Dann aber
war die Sorge gekommen, und die zuversichtliche
Stimmung war mählich geschwunden. „Weiß der
Teusel, ob das alles wahr ist!" sagte der Eine. „Schwin-
del ist es, um uns einzulullen! meinte ein Zweiter.
„Erstunken und erlogen!" gar ein Dritter. „An allen
Ecken und Enden werden wir betrogen," rief ein Vierter.
Der Lausbesitzer Barbedienne aber meinte: „Wenn
Mißglücktes Experiment
— „Warum schaut denn der Grundhuber auf dem
Bild, das er für den Stammtisch hat machen lassen,
gar so grimmig aus?"
— „Er hat sich von dem Photogrophen ein Glas
Bier und eine Virginia holen laffen, aber das Bier
war fchlecht und die Virginia hat nicht gezogen."
s
llrid
dq
lich aufrichtig mit dir meinen; er ist ja völlig
fremd hier."
Tochter: „Vielleicht gerade deshalb, Mama."
Was mit den Galoschen während des Krieges geschah
Von Peter Robinson
Wir wissen, daß es ein Paar sehr merkwürdiger
Galoschen gibt. Sie haben die Eigenschaft, daß ein
jeder, der sie anzieht, augenblicklich an die Stelle und
in die Zeit versetzt wird, wo er am liebsten sein will;
ein jeder Wunsch in Bezug auf Zeit, Ort oder Exi-
stenz wird sogleich erfüllt. Wenigstens hat das, und
zwar genau mit diesen Worten, Lans Christian
Andersen berichtet, und das ist ein Mann, dem man
wohl glauben kann. Einem alten Kanzleirat in
Kopenhagen sind mit diesen Galoschen sonderbare
Dinge geschehen, so sonderbare, wie sie gerade Kanzlei-
räten sonst nicht passieren. Auch noch einige andere
Leute haben ihre Erlebniffe damit gehabt, wie dies
alles Lans Christian Andersen erzählt hat. Er sagt
auch, daß schließlich die Sorge die Galoschen an sich
genommen hat. Sie muß sie wohl nicht mehr unter
die Leute haben kommen laffen, denn man hat seit-
dem nichts wieder von ihnen gehört. Bis vor eini-
gen Tagen.
Ietzt nämlich, in diesem großen Krieg, hat die
Sorge, die sich ja auch sonst nicht gerade über Mangel
an Beschäftigung beklagen kann, ganz schrecklich viel
zu tun. Tag und Nacht muß sie unterwegs sein;
sie kann ihre Arbeit kaum noch bewältigen, ganz
nervös ist sie schon geworden. Deshalb scheint sie
auf die Galoschen nicht ordentlich aufgepaßt zu haben;
auf einmal sind sie wieder zum Vorschein gekommen
und haben ihre noch immer ungeschwächte Wirksam
keit an einigen Leuten bewiesen.
In Paris sind die Galoschen zuerst wieder auf-
getaucht. Da hat nämlich die Sorge gegenwärtig
am meisten zu tun, womit aber beileibe nicht gesagt
sein soll, daß sie nicht auch anderwärts hinkommt.
O nein, sie macht sich auch an manchen andern Orten
recht unliebsam bemerkbar.
In einem kleinen Caföhause an der Vlaeo äo8
Vietoii68 hatte die Sorge geseffen und den Stamm-
gästen, die ihre Gegenwart nicht bemerkten und sich
gerade über die politische Lage unterhielten, ein wenig
die teils grauen, teils kahlen Scheitel gestreichelt.
Dann war ihr eingefallen, daß sie ja dringend gleich
nebenan zu tun hätte, nämlich in der Bank von Frank-
reich, und sie war schnell dorthin gelausen. Dabei
aber hatte sie die Galoschen unter dem Tisch stehn
gelaffen.
Kein Mensch sah sie zuerst. Die Stammgäste
unterhielten sich nur noch schleppend; an die Stelle
der Worte traten viele Seufzer. Anfangs, als sie
sich hier getroffen hatten, waren sie ganz vergnügt
gewesen. Sie hatten davon gesprochen, wie grausig
es jetzt in Berlin aussehn müßte; jeder hatte zu diesem
schönen Thema noch eine besondere Einzelheit mit-
teilen können, die er aus dem „Matin", dem „Temps",
dem „Iournal", oder gar dem „Pelit Parisien" oder
aus sonst einem der Mistbeete der öffentlichen Mei-
nung gepflückt hatte, die oft die sonderbarsten Früchte
in erstaunlich kurzer Zeit reifen laffen. Dann aber
war die Sorge gekommen, und die zuversichtliche
Stimmung war mählich geschwunden. „Weiß der
Teusel, ob das alles wahr ist!" sagte der Eine. „Schwin-
del ist es, um uns einzulullen! meinte ein Zweiter.
„Erstunken und erlogen!" gar ein Dritter. „An allen
Ecken und Enden werden wir betrogen," rief ein Vierter.
Der Lausbesitzer Barbedienne aber meinte: „Wenn
Mißglücktes Experiment
— „Warum schaut denn der Grundhuber auf dem
Bild, das er für den Stammtisch hat machen lassen,
gar so grimmig aus?"
— „Er hat sich von dem Photogrophen ein Glas
Bier und eine Virginia holen laffen, aber das Bier
war fchlecht und die Virginia hat nicht gezogen."
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