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Zeitschrift für Hirmor und Kunst 91

— „Es gibt fast koan oanzig'n Burschen mehr im Dorf, der wo dir net nachsteigt. Dös tät i net leiden."

— „Dann kannst mir leicht du fagen, wie ma dös macht."

Boshaft

Was mit den Galoschen während des Krieges geschah
einmal erleben? Aber dazu müßte es denen da drüben
erst sehr dreckig gehn. Llnd das glaube ich nicht, und wir
alle im Cafe haben es heute nicht geglaubt. Ich gäbe
was darum, wenn ich jetzt einmal mit eigenen Augen sehen
könnte, wie es in Berlin eigentlich zugeht!"

„Paffen Sie doch auf, oller Duffel!" klang es da rauh
an Monsieur Barbediennes Ohren. Beinahe hätte ihn
eine Droschke umgefahren, eine Droschke, die genau über
den Fleck fuhr, wo eben noch das Denkmal des vierzehnten
Ludwig gestanden hatte. Das Denkmal aber, das mächtig
schwere Bronzemonument war fort, ganz und gar ver-
schwunden; nicht ein Bröckchen mehr war davon da. Ia,
zum Donnerwetter, wie sah denn überhaupt die .Llaee äes
Vi6toir68 aus? Soviel Wagen fuhren doch sonst nie darüber,
und solche Läuser hatten doch sonst nicht darum gestanden!
Was war denn das da an der Ecke? Für—sten—hof buch-
stabierte Monsieur Barbedienne mühsam. Blödsinn! So
etwas gab es doch überhaupt nicht in Paris.

Wie man sieht, hatten die Galoschen ihre Schuldigkeit
vollauf getan: Monsieur Emile Barbedienne, Äausbesitzer
in Paris, war sosort nach Berlin versetzt worden, gerade
mitten auf den Potsdamer Plah. „Ich träume!" dachte
er. „Wenn ich aber noch weiter träume, werde ich hier
überfahren werden." — Da ihm dies ein selbst im Traüme
unangenehmer Vorgang erschien, flüchtete er aus dem
Wagengewimmel in die Leipzigerstraße, die er ganz mecha-

nisch hinunter trottete. „Ich muß einen Fehler im Gehirn
haben," überlegte er. „So blödsinnig kann man doch nicht
träumen! So kann einem doch selbst im Traum Paris nicht
erscheinen. Dies muß doch hier die I^u6 Mieuns Naresl
sein, und hier müßte die Lauptpost stehn. Aber das ist
ja ein Porzellanladen — übrigens mit ganz ausgezeichnetem
Porzellan." — Monsieur Barbedienne stand nämlich gerade
vor der Königlichen Porzellanmanufaktur. Er sah aus die
andere Seite der Straße. „Was ist denn das da für ein
merkwürdiges Äaus? Es scheint ein großes, ein ganz ge-
waltig großes Kaufhaus zu sein. Aber hier ist doch nie
eins gewesen. Der Lon iVlaroüo hat auch so große Fenster,
aber der ist doch ganz wo anders, in der I^uo äu Lao, auf
der andern Seite der Seine. Äalt — da steht ja ein
Name!" — Monsieur Barbedienne buchstabierte. „A. Wert-
heim. — Das ist doch ein Kaufmann in Berlin, aber er
hat doch keine Filiale in Paris, und wenn er eine hätte,
dann wäre sie doch längst geschloffen oder ganz und gar
verwüstet und demoliert. Aber da laufen ja die Menschen
wie wild hinein. And mit Paketen kommen sie wieder
heraus, als ob gar kein Krieg wäre und man noch ganz
sidel sein Geld ausgeben könnte. And da -- nein, das ist
aber doch wahrhastig zu toll — was für ein Kerl steht
denn da mitten auf der Straße? Das ist ja, zum Donner-
wetter, das ist ja ein Berliner Schutzmann. Oft genug
habe ich solche Schutzleute auf Bildern in illustrierten
Zeitschriften gesehen. Sie sind übrigens ein Segen, die
 
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