Zeitschrift für Humor und Kunst
9Z
Nr. 1285
Was mit den Galoschen während des Krieges geschah
illustrierten Zeitschriften; die ganze Welt lernt man da-
durch kennen.
Ich träume also wahrhaftig, daß ich in Berlin bin.
Aber selbst im Traum dürfte mir dies verdammte Berlin
doch nicht so erscheinen. Ist hier etwas von Krieg zu merken?
Nicht die Spur. Die Leute sehen ja alle ganz vergnügt aus.
Aber halt, — da kommt doch wirklich ein Soldat daher;
den linken Arm hat er in der Binde. Aber vergnügt sieht
er auch aus und ganz und gar nicht verhungert. Das ist
doch etwas ganz Anmögliches. Mein Gehirn muß wirklich
in Llnordnung sein, sonst könnte ich nicht so scheußlich, so
geradezu ekelhaft träumen. Das kommt aber nur von dem
wahnsinnigen Absinthverbot unserer Regierung. Deshalb
habe ich mir den Vorrat von hundert Litern iy meinen
Keller gelegt, deshalb habe ich zu viel von dem Zeug ge-
nofsen, deshalb sind meine Nerven zerrüttet, und deshalb
peinigt mich jetzt dieser fürchterliche Traum." —
Monsieur Barbedienne wanderte die Leipzigerstraße
hinunter, bis er an das Speiselokal von Kempinski kam.
„Gott sei Dank," dachte er, „jetzt hat der verfluchte Traum
gleich ein Ende. Ietzt werde ich noch träumen, daß ich in
dieses Restaurant hineingehe und mir etwas Gutes zu effen
bestelle, und dann werde ich aufwachen. Denn ich bin noch
jedcsmal aufgewacht, ehe ich im Traum etwas Gutes essen
konnte. Das geht übrigens vielen Leuten so."-
Monsieur Emile Barbedienne behielt recht, — er kam
nicht dazu, etwas bei Kempinski zu essen. Aber nicht, weil
dies alles, wie er meinte, nur ein Traum war, denn es war ja
keiner, sondern die richtige, durch die Galoschen ermöglichte
Wirklichkeit, — nein, aus anderen, den Umständen ganz na-
türlich entspringenden Gründen. Er setzte sich also an einen
freien Tisch und sah die Speisekarte an. „Na also, — ich
träume wirklich mit einer ganz außerordentlichen Konsequenz.
Die Speisekarte ist tatsächlich deutsch. Wenn ich sie nur
verstände. Aber jedenfalls stehen eine Tlnmenge Gerichte
darauf, und die Preise dahinter sind so billig, wie man sie
eigentlich sich nicht träumen lassen sollte. Ein zu blödsin-
niger Traum; in Wirklichkeit haben die Berliner gar nicht
mehr so viel zu essen und das Wenige überhaupt nur noch
zu fast unerschwinglichen Preisen. Aufgepaßt, — jetzt träume
ich, daß der Kellner kommt, und dann werde ich weiter
träumen, daß ich mir etwas bestelle."
Dazu kam Monsieur Barbedienne nicht. Der Kellner
brachte den Korb mit den Kriegssemmeln und bat um die
Brotkarte. Monsieur Barbedienne verstand nicht und ant-
wortete französisch. Die in der Nähe sitzenden Gäste, die
ihn schon mit Mißtrauen betrachtet hatten, schlugen Lärm.
Ein Franzose! Ein Spionl hieß es, und zwei Minuten
später wurde der Fremde auf die nächste Polizeiwache ge-
bracht, die dem Polizeileutnant Oskar Lehmkuhl unterstand.
„Morgen, sowie ich ausgewacht bin," dachte Monsieur Bar-
bedienne, ,gehe ich sofort zum Nervenarzt. Dieser Traum
kann nur auf einer schweren Nervenstörung beruhen, er ist
ganz und gar nicht normal. Ich müßte jetzt doch träumen,
daß mich diese Deutschen mißhandeln Aber sie sind ja
ganz anständig zu mir. Der normale Mensch ist zu einem
feindlichen Zivilisten so unanständig wie möglich." —
Der Polizeileutnant Oskar Lehmkuhl konnte mit dem
verdächtigen Fremden kein Verhör zustande bringen und
ließ ihn deshalb vorläufig in die Zelle der Polizeiwache
sctzen. Lier ließ sich Monsieur Barbedienne aus der Pritsche
nieder. „Donnerwetter, ist das hart!" dachte er. „Am Ende
schlafe ich gar nicht zu Lause in meinem Bett; vielleicht
bin ich nur im Cafe ein bischen eingenickt. Äalt, — wahr-
scheinlich sind die Galoschen daran schuld, die ich vorhin
angezogen habe; sie haben mir zu warm gemacht." — Ganz
mechanisch zog er die Galoschen aus und fand sich im selben
Augenblick in der gleichen Laltung, die er auf der Pritsche
der Berliner Polizeiwache eingenommen hatte, halb sitzend,
halb liegend neben dem Denkmal Ludwigs XIV. auf der
I'laee 668 V1etoir68 in Paris. „Gräßlich!" sagte er, „ich
muß einen Schwindelanfall gehabt haben. Aber was mir
in dem Moment alles durch's Gehirn gezuckt ist! Ich habe
wahrhaftig n it eigenen Augen zu sehen geglaubt, wie gut
es den Deutschen zu Lause geht. Das ist natürlich eine Ver-
rücktheit. Oder sollte doch etwas daran sein? Diese ver-
fluchtcn Zweifel, — ganz wahnsinnig können sie einen
machen." —
-i- -i-
*
Das war ja eine schöne Geschichte! Eine Schweinerei
war das sogar! Aus einer Berliner Polizeiwache war
ein Arrestant spurlos verschwunden. Nur ein Paar Ga-
loschen hatte er da gelassen; neben der Pritsche standen sie.
Polizeileutnant Lehmkuhl untersuchte sie: eine Fabrikmarke
war nicht daran. Fluchend setzte er einen Bericht über
Din. Lpriielilein. Mr clle LüeliS »Zei'Ir,
LLLiZ nur von. HeuKstenkieL-Z'.
Niek. täon^stonbsi X. bloN., Xsslin^on A I^oekar.
2
Ä)
2
!lnentüel>r>lclikiirklil!lel«leiille!
Sustsv Zseciiclce's 5uMc»i'Lell
Ksinen 8enl<ful!!
Kslns ^rmüciung
cisr ssüüs metir!
Oa; ärrtl. begut-
Zcbt.u.empjoblerie
biljt 5icber bei 8enkjuh. 56iriht vor krmöcliirig cler bühe. ver^cbosjl leicb-
teri. 5cbmerrIo5en rmcl gro^iö5eri Qorig. kequeme'ttsnclksbung «
Xeine /^enciei'ung cler ZctiukwenkL!
Kei 6e5teIIrmg i5t mir clie 3pounvvei!e cle5 l^uste5 onrugeberi.
bjelljorbig ocl.5cbvvorr Z. . geg. I^Isämsbme?1. Z.Z0 jiircto^ pnor.
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Xnt^iinäunA boitt obno Naebtoil it violsn
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^.lleiniAe kucloii IVlo886, ^.LQOQeen-LxpeckitioQ.
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Nr. 1285
Was mit den Galoschen während des Krieges geschah
illustrierten Zeitschriften; die ganze Welt lernt man da-
durch kennen.
Ich träume also wahrhaftig, daß ich in Berlin bin.
Aber selbst im Traum dürfte mir dies verdammte Berlin
doch nicht so erscheinen. Ist hier etwas von Krieg zu merken?
Nicht die Spur. Die Leute sehen ja alle ganz vergnügt aus.
Aber halt, — da kommt doch wirklich ein Soldat daher;
den linken Arm hat er in der Binde. Aber vergnügt sieht
er auch aus und ganz und gar nicht verhungert. Das ist
doch etwas ganz Anmögliches. Mein Gehirn muß wirklich
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wahnsinnigen Absinthverbot unserer Regierung. Deshalb
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Monsieur Barbedienne wanderte die Leipzigerstraße
hinunter, bis er an das Speiselokal von Kempinski kam.
„Gott sei Dank," dachte er, „jetzt hat der verfluchte Traum
gleich ein Ende. Ietzt werde ich noch träumen, daß ich in
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bestelle, und dann werde ich aufwachen. Denn ich bin noch
jedcsmal aufgewacht, ehe ich im Traum etwas Gutes essen
konnte. Das geht übrigens vielen Leuten so."-
Monsieur Emile Barbedienne behielt recht, — er kam
nicht dazu, etwas bei Kempinski zu essen. Aber nicht, weil
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türlich entspringenden Gründen. Er setzte sich also an einen
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träume wirklich mit einer ganz außerordentlichen Konsequenz.
Die Speisekarte ist tatsächlich deutsch. Wenn ich sie nur
verstände. Aber jedenfalls stehen eine Tlnmenge Gerichte
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eigentlich sich nicht träumen lassen sollte. Ein zu blödsin-
niger Traum; in Wirklichkeit haben die Berliner gar nicht
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ich, daß der Kellner kommt, und dann werde ich weiter
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