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136 Meggendorfer-Blätter, München

Mißglückte Abwehr

So, jetzt stecke ich mir aber eine Peitsche daher, ich will doch
sehen, ob ich vor den übermütigen Rangen meine Ruhe
kriege oder nicht! —

— Au — Mordio!-

§Ä^teH0 Von C. A. Lennig

Mr. Kaylor war ein Deutschamerikaner. Vor mehr als
dreißig Jahren war er als schlichter Gottlieb Köhler mit
dem Leinwandsacke auf dem Rücken über das große Wasser
nach dem Lande der goldenen Verheißungen gegangen, und
heute kam er als Mr.Kaylor mit einem angemästeten Bäuch-
lein und einer ebenso strotzenden Brieftasche wieder zurück.

Mr. Kaylor war in irgend einem Grade, der sich nicht
mehr genau nachweisen ließ, mit mir verwandt und leitete
aus diesen Beziehungen das Recht her, sich mit seinen Schiffs-
koffern und einer zahmen Schildkröte bei mir einzuquartieren.

Na, ich freute mich nichtsdestoweniger des exotischen
Vetters und machte es ihm in einer Linterstube meiner
Iunggesellenwohnung so bequem als möglich. And er er°
kannte das auch an.

„Ihr habt eine ganz eigene Art, eure vier Pfähle so
zurecht zu stutzen, daß man sich darin behaglich fühlen kann,"
sagt er. „Ein alter Lehnstuhl mit einem Kupferstich darüber
wird zu einem sicheren Lort der Wohlgeborgenheit mitten
in den brandenden Wogen der geschäftigen Anrast. Wenn
ihr die Tür eurer Wohnstube zumacht, so schließt ihr her°
metisch die tobende Welt da draußen von euch ab und ist
erst die lange Pfeife im Gang, könnten selbst die Trompeten
von Iericho euch nicht aus eurer Ruhe stören."

„Das mag dir wohl im Gegensatz zu eurer Lebensweise
dort drüben so scheinen, Vetter," wandte ich ein.

„Es ist auch so, mein Lieber," fuhr er eifrig fort. „Ra,
und siehst du, alter Bursche, das ists, was mich herüber-
getrieben hat. Solange man im Taumel der Geldmacherei
und der Spekulationswut dahintreibt, hat man keine Zeit
für sentimentale Gefühle und würde auch nicht weit damit
kommen; hat man aber erst sein Schäfchen geschoren und
kommt ein wenig mehr zu sich selbst, da gelangt das deutsche
Gemüt eben doch wieder zum Durchbruch. Man hungert
förmlich nach einem ehrbaren deutschen Spießergesicht, nach
einem saubergebürsteten Bratenrock und dem, Leben und
Verkehr regulierenden Schutzmannn an der Marktplatzecke.
Ich möchte mir hier einen beschaulichen Winkel ausmachen,
wo ich Rosen und Levkoien züchten kann, und vielleicht fin-
det sich mit der Zeit eine tugendsame Wittib mit roten
Bäckchen und einem halben Dutzend silbernen Kaffeelöffeln
dazu. Lurra, alter Bursche, das soll dann einen Polter-
abend geben, daß die Wände wackeln und Smart L Co.
samt Busineß und Occasion zum Teufel gehn."

„Wozu ich dir im Voraus von Lerzen Glück wünsche,"
gab ich zur Antwort. „Doch wenn du nichts dagegen hast,
machen wir mit der Akklimatisation einen würdigen Anfang
und begeben uns an unsern Stammtisch im ,Rostigen
Schlüffel'. Es gibt dort ein vorzügliches Kulmbacher Bier
oder ein helles Erlanger, wenn dir das lieber ist. And da-
zu eine Gesellschaft, wie sie deinem heimatdurstigen Lerzen
wohl tun wird."

„Gut, versäumen wir keinen Augenblick unnötig. Echtes
bayrisches Bier, du lieber Gott, wie lange habe ich das
nicht getrunken."

Ich brannte selbst daraus, meinen Stammtischgenoffen
den Deutschamerikaner zuzuführen, das war doch einmal
eine Abwechslung in unserer öden Stammtischperspektive,
eine kleine Sensation, eine wohltuende Ausfrischung unserer
stumpfen Lebensgeister. And wiedieÄerren alledie Augenauf-
riffen, als ich ihnen mit etlichen bio- und ethnographischen
Notizen meinen amerikanischen Vetter vorstellte. Sie mach-
ten einige linkische steife Verbeugungen und rieben sich die
Kände, weil sie nicht wußten, was sie damit ansangen sollten.

Vetter Kaylor aber machte wenig Umstände.

„Ach nix da, Ansinn meine Äerren," sprudelte er ge-
räuschvoll hervor, „nur keine Förmlichkeiten und Etiketten-
tänze, geben wir uns wie wir sind, denn ich denke doch, ich
bin unter Freunden, unter Landsleuten. Llnter Fremden
habe ich mich lange genug herumgetrieben."

„Ia, das sind Sie, Mr. Kaylor, und Sie sollen uns
herzlich willkommen sein," schwirrte es durcheinander und
alle drückten ihm herzlich die Land.

„Na, dann einmal fürs erste einen Topf bayrisch, heda,
Sie blitzsauberes Ding da hinten! And dann einen tüch-
tigen Schluck auf Ihr Wohl meine Lerren; bis zum Grunde!
So, jetzt ist mir erst ordentlich wohl! Ganz famoser Stoff
das. Wir haben drüben wohl auch Exportbiere, aber die
sind pasteurisiert und wollen mehr als Medizin genossen
sein. Auch die heimischen Biere sind nicht zu verachten,
 
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