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174

Meggendorfer-BlätLer, München

Nr. 1290

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Der Fingerabdruck

„Na," lachte Prosessor Müller, „weit davon war ich
gerade nicht, wenn auch erst sozusagen in letzter Stunde,
an der Grenze. Denn ihr glaubt gar nicht, wie umständlich
es jetzt ist, von einem Land irls andere zu kommen. Die
geringste scheinbare Ordnungswidrigkeit im Paß und man
fliegt erbarmungslos aus dem Zug. Bei mir schien der
Fingerabdruck in meinem Passe nicht ganz zur Zusrieden-
heit der Kontrollorgane ausgefallen zu sein, oder es hatte
sich vielleicht ein Druckfehler in diesen eingeschlichen, kurzum,
ich kriegte Schwierigkeiten."

„Fingerabdruck?" forschte Tante Beate etwas unsicher.
„Was hat denn ein solcher in Ihrem Paß zu tun?" Sie
hatte dergleichen bisher nur ouf Suppentellern und in
Büchern aus der Leihbibliothek kennen gelernt.

Da aber riß nun Vetter Richard, der Iurist, das Thema
air sich. Äier befand er sich in seinem Fahrwasser, und es
ist ihm nicht zu verübeln, wenn er die Gelegenheit beim
Schopfe zu packen suchte, um auch einmal zu glänzen.

„Das Fingerabdruckversahren," erläuterte er, „ist eines
der wichtigen Äilfsmittel im polizeilichen Erkennungsdienst.
Der Fingerabdruck einer Person ermöglicht es wie kein
anderes Merkmal, deren Identität festzustellen, namentlich
da er durch Iahre und Amstände keine Veränderung erleidet."

„Das will mir nicht recht einleuchten," erwiderte Tante
Beate ungläubig, „ein Finger sieht doch aus wie der andere."

„Oho," widersprach mit Feuer Vetter Nichard, „da irrst
du aber gewaltig. Freilich gehört ein eigenes Studium
dazu, sich in dieser Spezialwissenschaft sicher auszukennen,
aber auch dem Laien müssen die Anterschiede zwischen ver-
schiedenen Fingerabdrücken deutlich ins Auge fallell. Doch
wir können das ja gleich einmal probieren," suhr er mit
gesteigertem Eifer sort. „Es ist jedenfalls die originellste
Unterhaltung, die jemals gelegentlich einer Verlobungsfeier
aufgetischt wurde, und belehrend dazu. Ein Löffelchen voll
Ruß, ein paar Tropfen Oel, ein Teller, der schon zerbrochen
sein darf, und ein unschuldiges Blatt Papier — das ist der
ganze Apparat, und der Lokuspokus kann beginnen."

„Ich finde, wenn Sie mir den Einwand erlauben wollen,"
nahm Baron von Äackelberg mit etwas gezwungenem
Lächeln das Wort, „einen solchen Scherz doch eher unziem-

lich als originell, und was seine belehrende Seite anbelangt,
so sind wir doch in solchen Dingen keine Kinder mehr."

Aber Vetter Richard war von seiner Idee nicht mehr
abzubringen und verteidigte sie mit allen juristischen Kniffen,
die ihm momentan zu Gebote standen. „ilnd vielleicht,"
schloß er im Aebermut des genossenen Sektes, „ist es auch
gar kein Scherz, teurer Onkel 8xs. Denn wenn Sie
einmal unsrer guten Tante durchbrenneir sollten, können
wir Sie doch gleich wieder einfangen."

Ohne eine Erwiderung abzuwarten, flürmte Vetter
Richard in die Küche, um sich das Nötige zu verschaffen.

Baron von Lackelberg biß ärgerlich an seinen Schnurr-
bartspitzen herum und wandte sich um Sukkurs an seine
Braut.

„Man sollte meinen, der junge Lerr fühle sich in seine
Studentenzeit zurückgesetzt, wo man in vorgerückter Stunde
an einem Bierulk Gefallen findet."

„Ach lassen Sie den guten Iungen doch, teurer Freund,"
replizierte Tante Beate. „Die Sache ist doch ganz harm-
los, und ich bin selbst neugierig, ob er mit seiner Behauptung
recht hat."

Im selben Moment kam Richard auch schon wieder zur
Türe hereingefegt, in der Äand seinen „Apparat".

„So, meine Äerrschaften," lachte er, ,jetzt kann die
Prozedur beginnerr. Bitte recht sreundlich! Bei Tante
Beate wird angefangen."

Er nahm Tantes Zeigefinger, tauchte ihn in die schwarze
Masse, die er aus einem Tellerscherben aufgerieben hatte,
und drückte ihn dann auf das Papier. Dort stand er nun
als scharfer Abdruck und Tante Beate betrachtete staunend
das seltsame und krause Liniengewirr.

„Nun kommt der gute Professor dran," fuhr Vetter
Nichard in seiner Demonstration fort, „das wird schon einen
hübschen Kontrast geben."

Als Dritter kam ich an die Reihe, und nach mir hätte
es den Baron getroffen. Dieser aber wehrte ab.

„Mein bester Äerr Richard," sagte er zwar lächelnd,
aber mit sichtlichem Verdrusse, „haben Sie die Güte, inich
zu überspringen. Der Spaß hat seinen Zweck erreicht und
mir sehlt die Gabe, an Belufligungen solcher Art Geschmack
zu finden."

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