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ZeiLschrift für Humor und Kunst 185

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Nette Abhilse Nervöser Nachbar: „Um Limmelswillen, Frau Bormann,

wie können Sie Ihrem Söhnchen nur ein so furchtbares Lärm-
instrument wie diese Kindertrompete geben!"

— „Das tu ich doch nur, wenn es weint, damit es ruhig sei."

Die Rasierklingen

Sinn. Es gibt ja so sehr viele Bücher, in denen schönes
Wetter anerkennend erwähnt und beschrieben wird. Zum
Beispiel hat doch jeder von uns schon einmal Zeilen gelesen
wie etwa die folgenden: „Komm', einzig Geliebte meines
Äerzens," sprach der stattliche blonde Riese mit den Kinder-
augen im bärtigen Antlih zu Agathe, „laß uns ins Freie
eilen und diesen selten schönen Sommertag genießen. Kein
drohendes Wölkchen steht am azurnen Äimmel, die Sonne
sendet zwar ihre Strahlen hernieder, aber eine würzige
Brise spendet erquickende Kühlung und umfächelt die heiße
Stirn." — Aebrigens: warum sagt man nur vom schönen
Wetter, daß es im Buch stände? Es gibt doch auch Bücher,
in denen ganz gemeines Sauwetter vorkommt. Da sieht
man es, wie das Volk mit seinem gesunden Sinn eigent-
lich doch nur das Gute aus den Büchern schöpft. Das ist
ein großes Glück.

„Ia ja, jeht gehen wir auf den Äochsommer zu," sagte
der fremde Mann.

„Freilich, freilich," bestätigte ich. Aber eigentlich hatte
der fremde Mann unrecht oder wenigstens sich falsch aus-
gedrückt, denn es ist der Sommer, der herankommt, und
nicht die Menschheit, die auf ihn zugeht. Die Menschheit

muß sich völlig passiv dabei verhalten; sie kann in solchen
Dingen nicht das geringste tun. Das ist auch ein großes
Glück.

Der fremde Mann streichelte seine glatt rasierten
Wangen. „Sehr merkwürdig ist es doch," begann er nach-
denklich, „daß man sich im Sommer öfter und nachdrück-
licher rasieren muß als im Winter. Wenigstens habe ich
an mir diese Beobachtung gemacht. Tatsächlich, mein Bart
wächst in der warmen Iahreszeit viel stärker. Eigentlich
müßte doch gerade das Gegenteil der Fall sein. Die Tiere
bekommen doch zum Winter das dichtere Fell. Sehr sonder-
bar ist das. Rasieren Sie sich auch im Sommer öfter als
im Winter?"

„Das weiß ich wirklich nicht, ich glaube aber, es ist
immer gleich."

„So, so. Sie rasieren sich aber selbst, nicht wahr?
Womit, wenn ich fragen darf? Ah so, mit einem gewöhn-
lichen Rasiermesser."

Der fremde Mann schien enttäuscht zu sein. Er holte
aus einer Westentasche ein Päckchen, das er zwischen den
Fingern drehte und traurig ansah. Dann warf er es auf
den Tisch und tippte darauf. Er seufzte: „Rasierklingen
sind darin, diese ganz dünnen Klingen zu dem bekannten
 
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