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Zeitschrift für Humor und Kunst

203

Merkwürdig

Der Praktikant Baßmeier zog den Äausschlüs-
sel aus der Losentasche und fing an, auf seinem
Maßkrug leise, doch vernehmlich den Takt mit-
zuklopfen. Verschiedene warnende Blicke suchten
ihn aus das Vermeffene seines Betragens auf-
merksam zu machen. Aber er ließ sich nicht einmal
durch ein allgemeines Gehüstel und Gemurmel
beeinfluffen, sondern „hielt durch," bis das Lied
zuEnde war. Lerr Schladenhaufew Oberrevisor
und Tenor und mit ihm seine Quartettbrüder
waren natürlich innerlich empört und der erstere
verfehlte nicht, in versteckten Andeutungen auf
das unpassende derartiger Exkneipenmanieren
in anständiger Gesellschaft hinzuweisen. Prak-
tikant Baßmeier aber war zu sehr an derlei
Rüffel von seiten seines Vorgesehten gewöhnt,
um sich auch nur ein einziges graues Äaar des-
wegen wachsen zu laffen; auf der andern Seite
wußte er aber auch, daß man ihn insgeheim
seiner Boshaftigkeit wegen viel zu sehr fürch-
tete, um ihn offen zu maßregeln. Er machte
deshalb ein Gesicht, als ob es sich um einen
vortrefflichen Spaß gehandelt habe und hatte
sogar noch die Frechheit, dem Lerrn Oberre-
visor Schladenhaufen zuzutrinken.

Die ganze Gesellschaft war jetzt zu Tode
froh, daß sie der Äerr Visitationskommiffär
heute im Stich gelaffen hatte, denn: Was hätte
dieser Lerr für einen Begriff bekommen müssen
von einem Amt, das einen solchen Praktikanten
aufweist? Da wurde plötzlich die Türe auf-
gemacht und zwar, wie sich sofort herausstellte,
vom Lerrn Visitationskommiffär Käsbohrer.

Denn dieser trat nun ein. Er entschuldigte sich
auf das Angelegentlichste wegen seiner Verspätung, weil
er in seiner Anbefangenheit glaubte, daß die Leichenbitter-
mienen der Beamten damit zusammenhingen. Mit einem
einzigen Scherz gelang es ihm aber dann, die Gesellschaft

Beruhigend

Drohung Doktor: „Wenn Sie mir heute wieder den Bock
vertreiben, Apotheker, dann können Sie sich auf
was gefaßt machen. Vier Wochen lang verschreib
ich meinen Patienten nichts als Fliedertee."

Mama: „Rudi, was fällt dir ein, in den
nüchternen Magen solch einen unreifen Apfel
zu effen?"

— „Aber, Mama, ich bin ja gar nicht mehr
nüchtern, ich habe schon vier Aepfel gegessen!"

in die ausgelassenste Leiterkeit zu versetzen. Llnd als er
ersuhr, daß vor seinem Eintritt ein Lied gesungen worden
war, bat er selbstverständlich um dessen Wiederholung. Die
Bitte eines derart hohen Lerrn kann natürlich nicht anders
als sofort erfüllt werden. Deshalb traten die vier
Sänger wieder zusammen, machten eine artige Ver-
beugung vor dem Lerrn Visitationskommiffär und —
bekamen, wie wenn sie es vertragsmäßig abgemacht
hätten, einen gemeinsamen, sehr heftigen Lustenan-
fall. Daran war nicht etwa eine plötzliche Reizung
der Lalsschleimhäute schuld, sondern bloß ein einziger
Blick des Praktikanten Baßmeier, der mit seinen
Augen so deutlich sagte, daß man es fast zu hören
schien: „Wenn du glaubst, Schladenhaufen, daß mich
die Anwesenheit des Käsbohrer davon abhalten kann,
für eure Grobheiten von vorhin Rache zu nehmen,
so bist du auf dem Lolzweg! Im Gegenteil: Ietzt
erst recht! Iawohl, daß du es weißt, du ausgelrocknete
Kanzleischnur!"

Diese Augensprache hatte zur Folge, daß die vier
Sänger bald rot und bald blaß wurden und sich eben-
falls mit Lilfe ihrer Augen verständigten, lieber nicht
zu singen, sondern dafür einen Lustenansall zu be-
kommen.

Der Lerr Visitationskommiffär Käsbohrer aber
ließ das auf die Dauer nicht gelten und wiederholte
nach einiger Zeit seine Bitte. Also blieb ihnen nichts
anderes übrig als das Lied doch zu singen. Sie be-
gannen mit klopfendem Lerzen. Schon nach einigen
Takten trat das Gefürchtete ein. Der Praktikant
 
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