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44 LXIX^II7eL^^III/LX Meggendorfer-Blätter, München

— „Wenn ich gewußt hätt', daß sie mich nachher zum
Garnisondienst schreiben, hätt' ich draußen nicht so
viel Gefangene gemacht. Ietzt kann ich sie bewachen."

Ein merkivurdiger Griinder

„Einen Augenblick, mein Lerr," unterbrach ich ihn.

„Ich möchte nicht, daß Sie sich meinetwegen Mühe machen
und angestrengt die mannigfachen Vorzüge Ihres im
Entstehen begriffenen Vereins schildern. Wollen Sie
deshalb zur Kenntnis nehmen, daß ich unter keinen !lm-
ständen irgend einem Verein beitrete, und wenn er mir
die größten irdischen Vorteile verspricht." Das sprach ich
mit großer Festigkeit und des nachhaltigen Eindruckes
wegen schloß ich mit der aus der Zeit geborenen und in
vielen Fällen mit Nutzen verwendeten Ablehnungsformel:

„Ueberhaupt kann so etwas in dieser schweren Kriegszeit
schon gar nicht in Frage kommen."

Der biedere Mann war jetzt
wirklich entmutigt. „Ach ja, der
Krieg! Sie haben recht, mein
Lerr, ich will nicht weiter in Sie
dringen. Schrecklich ist das! So
viele, viele haben darunter zu leiden.

Auch ich, mein Lerr. Anbarmherzig
hat dieser Krieg in mein Leben ge-
griffen, das früher auf Amsicht und
Erfindungskrast heiter sich aufbaute.

Auf ein totes Gleis hat er mich ge-
führt. Nichts mehr zu machen! Ich
will Sie nicht mit meinen Klagen
belästigen, mein Lerr, aber sehen
Sie: wenn ich mir jetzt einen Schop-
pen Echtes bestellen wollte, — ja, da
würde meine Börse wohl passiven
Widerstand leisten. ttnd dabei ist
gerade in dieser Wirtschaft ein so
vorzügliches Bier zu haben." Der Verliebte Teufel

Man kann sich selbst unberechtigten Forderungen manchmal
nicht entziehen; es gehört oft eine zu große Anstrengung dazu.
Ich ließ also dem biederen Manne ein volles Glas bringen. Er
nahm einen großen Stärkungsschluck, und dann erzählte er:

„Wie gesagt, mein Lerr, mit rauher Land hat der Krieg
in so manche, glücklich und anscheinend ganz gesichcrt bestehende
Verhältniffe eingegriffen. Leider auch in unser Berliner Vereins-
leben, das vor dem Kriege so herrlich in Blüte ftand. Es ist
nichts mehr zu wollen. Es gibt keine frischen Blüten mehr; es
werden keine neuen Vereine gegründet, wenigstens nicht in nennens-
werter Zahl, und dann auch nur solche, die einen der heiteren
Seite des Lebens abgekehrten Zweck verfolgen. Es entstehen
keine richtigen Vergnügungsvereine mehr. Diese aber machten
mein Leben aus, oder, richtiger gesagt: ihr Entstehen und Wachsen.
Ich gründete Vereine, mein Lerr. Das war mein Beruf und
zwar ein schöner Beruf. Zu diesem Beruf passe ich und der
Beruf zu mir. Das findet man nicht fo oft. Die meisten
Menschen entscheiden sich doch schon, wenn sie dte Schulbank ver-
lassen, sür die Krippe, aus der sie ihre Nahrung nehmen wollen,
und aus Stumpfsinn bleiben sie dann ihr Leben lang bei dieser
Krippe stehn. Ich, mein Lerr, bin nicht stehngeblieben.

Ich war Kaufmann, — Buchhalter, wenn Sie es genauer
wiffen wollen. Vor achtzehn Iahren trat icb, der ich bis dahin
mich um gar keinen Verein bekümmert hatte, durch Kollegen auf-
gefordert, in einen solchen ein, der sich „Nach Kontorschluß" nannte.
Ein hübscher Name, nicht wahr? Er klingt so behaglich und ge-
mütlich, und deshalb zog er auch viele Leute an. Schließlich hatte
der Verein zweihundert Mitglieder. Viele Köpfe, vüle Sinne,
— ein Spalt begann sich zu zeigen. Bei einer Besprechung der
Vorbereitungen zum Stiftungsfest vertiefte sich der Spalt; es gab
einen Riß, — hundert Mitglieder traten aus und gründeten
einen neuen Verein. Anter meiner Führung, denn ich war
damals schon ein gewaltiger Redner. Fünfzehn Iahre ist
das jetzt her.

Der neue Verein brauchte natürlich ein neues Vereins-
lokal. Mir wurde der ehrenvolle Auftrag, eines ausfindig
zu machen. Nun, daran haben wir ja in Berlin Aeber-
fluß. Es gibt eine Anmasse Vereinszimmer, die keine Vereine
haben; jeder Gaftwirt, jeder Budiker hat ein Zimmer, das
gerade noch „für einen Tag in der Woche frei ist", wie es
immer heißt. Wenn man dann aber fragt, hat man meistens
noch die Wahl zwischen drei oder vier Tagen. Nun kam
ich zu einem Gastwirt, der sein Lokal erst vor vierzehn Tagen
aufgemacht hatte. Der Mann war ganz wild, einen Verein
zu kriegen. Mir gefiel sein Ver-
einszimmer eigentlich nicht beson-
ders, aber er hielt mich beim Rock
fest und suchte mich mit aller Gewalt
zu überreden. Na, und schließlich
sagte er rundheraus: „Lundert
Mann stnd Sie, und die Lälfte
kommt regelmäßig, — was soll ich
Ihnen zahlen, wenn Sie mir den
Verein bringen? Lundert Mark gebe
ich Ihnen."

„Geben Sie zweihundert!" sagte
ich mit einer Geistesgegenwart, die
mich heute noch freut. Denn ich be-
kam die zweihundert Mark. And
sehen Sie, mein Lerr, — da erkannte
ich meinen Beruf. FUr zweihundert
Mark mußte ich sonst einen ganzen
Monat lang auf dem Kontorstuhl
hocken, und hier hatte ich sie im Land-
umdrehen verdient. Ein Narr wäre
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