Meggendor^er-Blätter, München
Der Schauspielerbräutigam
Von C. A. S ennig
Wenn einer eine Geschichte von
heute erzählen will, so tut er am
besten, in schlichter Realistik die han-
delnden Personen aufmarschieren zu
lassen und ohne jede Ueberschwäng-
lichkeit zu sagen, was fie dachten
und taten.
An der Land dieses Schemas
mag nun der Leser erfahren, daß
es fich bei dieser Geschichte in der
Lauptsache um drei Personen han-
delt, nämlich um einen V ater in vor-
gerückten Iahren, eine Tochter von
stark heiratslustigem Charakter und
einen Liebhaber mit Neigungen zur
höchsten Staffel der Kunst und Ver-
anlagung zum schamlosesten Pech.
D<r Vater hieß Rindstalker und
hatte sich als ehemaliger Metzger
ein hübsches Vermögen aus dem
Fleisch herausgehauen, das er un-
ter dem Titel „Privatiöh" in einer
hübschen Villa an der äußeren
Peripherie der Stadt verzehrte.
Seine Gehilsin bei diesem Ge-
schäst war seine Tochter. Die ein-
zige, wie das bei den meisten Metz-
gern der Fall ist. Ihr Voiname
war Kolika. Somit im ganzen:
Kolika Rindstalker.
Fräulein Kolika war keine Schön-
heit im herlömmlichen Sinne und
'Hock
IKit 'n biusbsr spuün, ciss is s Q'lrett,
Oer bs> nst gHnnt, ns lreut'8 ssbn nst,
llnci bsi sr g'vinnt. rnscbt sr s O'kriss,
0ssrvsgn, wsii'8 net no msbrsr is!
llnci gsbt's net 80, s>8 cvis er rnecbt,
dis >8 ssbm 8<äic> gisi gsr nix rsckt.
5l jscis Ksrten bsut er bsr,
kl>8 c>b äsr Ii8cb s biscicblock vsr.
üinci mscbt cisr sncier gsr sn Liicb.
bis 8<bimptt er nocb recbt türcbtsriicb:
„0u liscisriump — cis Ks8t sn /lll!
^S 18 ÜeNN 80 VVS8 S N0 1VS8?"
^iveng cism g'treut'8 ssbn js ciocb 80 vuii,
llnci blscbt für discbt kimmt er rum 0'8puii
2um llntsrivirt im „bisuen 8ock"
Kuf sn — gsmüstiicben 'fsrocic!
Der Grund
— „And warum pumpen denn Sie nicht mit?"
— „Bitt schön, ich bin bloß Ehrenmitglied
der Feuerwehr!"
aus diesem Grunde auch nicht der
Gegenstand hertiger Begehrlichkeit
seitens der Männerwelt von Durch-
schnittsgeschmack. Ihr Körper zer-
fiel in zwei ausfallend ungleiche
Teile; einen sehr großen und einen
sehr kleinen. Der sehr große war
der Oberkörper, den sehr kleinen
bildeten ihre Beine, was ihr indes
gestattete,ungemein zierlicheSchritte
zu machen.
So unansehnlich somit ihre Fi-
gur war, so entschieden wurde dies
ausgeglichen durch ihre Kleidung.
Diese war ein einziger jauchzender
Farbenschrei. Den Austakt hier-
zu bildete ein mäcbtig figurierender
Lut von oranggelbem Samt, ga-
niert mit Fliederdolden und afri-
kanischem Farnkraut. Ihre Bluse
war von einem Blau, gegen das
Segantinis Limmel als Feldgrau
angesprochen werden muß, während
ihr Rock, der wie ein Vorhang
von einem kleinen Kasperltheaker
aussah, in flammendem Rot er-
strahlte.
Mit dieser außergewöhnlichen
Aeußerlichkeit ging auch ein außer
gewöhnlicher Geist sozusagen Land
in Land; jemehr ihr mit zunehmen-
der Reife die Welt mit ihren realen
Aussichten entschwand, desto mehr
versenkte stch ihr Geist in diejenige
der Illusionen, und diese Neigung
hatte sie mit einem jungen Manne
zusammengebracht, dessen inneres Auge
sehnsuchtsvoll auf die gleißenden Er-
folge in Thalias Tempel gerichtet war.
Er hieß Ferdinand Kußmaul und war
Konditorgehilfe. Aber nur nach außen.
Im stillen Kämmerlein opferte er der
dramatischen Muse und berechnete da-
neben die Löhe seiner künftigen Gagen
und Spielhonorare. !ind Fräulein Ko-
lika Rindstalker war gewissermaßen die
Welle, die den Auftrieb dieses kühn
strebenden Geistes vermittelte und seiner
zaghaften Seele Mut und Zuversichk
einflößte. „Ferdinand," sagte sie eines
Sonntag nachmittags, als sie im Volks-
garten bei einer Maß Doppelbier saßen,
„du mußt dich endlich aufraffen und vor
ein kunstverständiges Pubiikum treten.
And an demselben Abend, wo du deinen
ersten Triumph auf der Bühne feierst
ist unsere Verlobung."
„Der Teufel soll mich holen," ries
Ferdinand, „wenn ich nicht noch heute
abend an den Intendanten schreibe."
„And ich gebe dir mein Wort, Fer-
dinand," bekräftigte auch ihrerseits Fräu-
lein Kolika, „daß ich noch heute abend
mit meinem Papa spreche."
„Abgemacht, teuerste Kolika!"
Der Schauspielerbräutigam
Von C. A. S ennig
Wenn einer eine Geschichte von
heute erzählen will, so tut er am
besten, in schlichter Realistik die han-
delnden Personen aufmarschieren zu
lassen und ohne jede Ueberschwäng-
lichkeit zu sagen, was fie dachten
und taten.
An der Land dieses Schemas
mag nun der Leser erfahren, daß
es fich bei dieser Geschichte in der
Lauptsache um drei Personen han-
delt, nämlich um einen V ater in vor-
gerückten Iahren, eine Tochter von
stark heiratslustigem Charakter und
einen Liebhaber mit Neigungen zur
höchsten Staffel der Kunst und Ver-
anlagung zum schamlosesten Pech.
D<r Vater hieß Rindstalker und
hatte sich als ehemaliger Metzger
ein hübsches Vermögen aus dem
Fleisch herausgehauen, das er un-
ter dem Titel „Privatiöh" in einer
hübschen Villa an der äußeren
Peripherie der Stadt verzehrte.
Seine Gehilsin bei diesem Ge-
schäst war seine Tochter. Die ein-
zige, wie das bei den meisten Metz-
gern der Fall ist. Ihr Voiname
war Kolika. Somit im ganzen:
Kolika Rindstalker.
Fräulein Kolika war keine Schön-
heit im herlömmlichen Sinne und
'Hock
IKit 'n biusbsr spuün, ciss is s Q'lrett,
Oer bs> nst gHnnt, ns lreut'8 ssbn nst,
llnci bsi sr g'vinnt. rnscbt sr s O'kriss,
0ssrvsgn, wsii'8 net no msbrsr is!
llnci gsbt's net 80, s>8 cvis er rnecbt,
dis >8 ssbm 8<äic> gisi gsr nix rsckt.
5l jscis Ksrten bsut er bsr,
kl>8 c>b äsr Ii8cb s biscicblock vsr.
üinci mscbt cisr sncier gsr sn Liicb.
bis 8<bimptt er nocb recbt türcbtsriicb:
„0u liscisriump — cis Ks8t sn /lll!
^S 18 ÜeNN 80 VVS8 S N0 1VS8?"
^iveng cism g'treut'8 ssbn js ciocb 80 vuii,
llnci blscbt für discbt kimmt er rum 0'8puii
2um llntsrivirt im „bisuen 8ock"
Kuf sn — gsmüstiicben 'fsrocic!
Der Grund
— „And warum pumpen denn Sie nicht mit?"
— „Bitt schön, ich bin bloß Ehrenmitglied
der Feuerwehr!"
aus diesem Grunde auch nicht der
Gegenstand hertiger Begehrlichkeit
seitens der Männerwelt von Durch-
schnittsgeschmack. Ihr Körper zer-
fiel in zwei ausfallend ungleiche
Teile; einen sehr großen und einen
sehr kleinen. Der sehr große war
der Oberkörper, den sehr kleinen
bildeten ihre Beine, was ihr indes
gestattete,ungemein zierlicheSchritte
zu machen.
So unansehnlich somit ihre Fi-
gur war, so entschieden wurde dies
ausgeglichen durch ihre Kleidung.
Diese war ein einziger jauchzender
Farbenschrei. Den Austakt hier-
zu bildete ein mäcbtig figurierender
Lut von oranggelbem Samt, ga-
niert mit Fliederdolden und afri-
kanischem Farnkraut. Ihre Bluse
war von einem Blau, gegen das
Segantinis Limmel als Feldgrau
angesprochen werden muß, während
ihr Rock, der wie ein Vorhang
von einem kleinen Kasperltheaker
aussah, in flammendem Rot er-
strahlte.
Mit dieser außergewöhnlichen
Aeußerlichkeit ging auch ein außer
gewöhnlicher Geist sozusagen Land
in Land; jemehr ihr mit zunehmen-
der Reife die Welt mit ihren realen
Aussichten entschwand, desto mehr
versenkte stch ihr Geist in diejenige
der Illusionen, und diese Neigung
hatte sie mit einem jungen Manne
zusammengebracht, dessen inneres Auge
sehnsuchtsvoll auf die gleißenden Er-
folge in Thalias Tempel gerichtet war.
Er hieß Ferdinand Kußmaul und war
Konditorgehilfe. Aber nur nach außen.
Im stillen Kämmerlein opferte er der
dramatischen Muse und berechnete da-
neben die Löhe seiner künftigen Gagen
und Spielhonorare. !ind Fräulein Ko-
lika Rindstalker war gewissermaßen die
Welle, die den Auftrieb dieses kühn
strebenden Geistes vermittelte und seiner
zaghaften Seele Mut und Zuversichk
einflößte. „Ferdinand," sagte sie eines
Sonntag nachmittags, als sie im Volks-
garten bei einer Maß Doppelbier saßen,
„du mußt dich endlich aufraffen und vor
ein kunstverständiges Pubiikum treten.
And an demselben Abend, wo du deinen
ersten Triumph auf der Bühne feierst
ist unsere Verlobung."
„Der Teufel soll mich holen," ries
Ferdinand, „wenn ich nicht noch heute
abend an den Intendanten schreibe."
„And ich gebe dir mein Wort, Fer-
dinand," bekräftigte auch ihrerseits Fräu-
lein Kolika, „daß ich noch heute abend
mit meinem Papa spreche."
„Abgemacht, teuerste Kolika!"