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Meggendorfer-Blätter, München
Ein armer Teufel
Köchin (dem Dienstmädchen einen Liebesbrief vorlesend, den sie bekommen hat):
„Was hältst du von dem Menschen, überschwenglich ist der Brief ge-
rade nichl?"
— „Das ist mir auch aufgefallen, den hat er ganz sicher selbst auf-
gesetzt — der scheint nicht mal soviel Geld zu haben, daß er sich einen
Liebesbriefsteller kaufen kann!"
Auf der Parforce-Zagd
Der Armensefsel Von Percr Robinson
Wilhelm Tornseiffer, Kolonialwarenhand-
lung, stand über dem Laden zu lesen. Das
Geschäft ging gut, Eine Goldgrube, wie die
Leute sagen, die ein Geschäft zu verkaufen
haben, war es gerade nicht, aber eine sehr
anständige Silbergrube. Wilhelm Tornseiffer
hatte es zu etwas gebracht im Leben. Als
er — das ist nun schon hübsch lange her —
den Laden in dem zu diesem Zwecke käuflich
erstandenen Lause eröffnet hatte, war dieses
mit Lypotheken ungebührlich belastet gewesen.
Nach ein paar Iahren war aus der ungebühr-
lichen Belastung durch Auszahlung einer vierten
und dritten Lypothek, die der Vorbesitzer nur
auf äußerst Psiffige Weise ergattert haben
konnte, eine ganz normale geworden. Wieder
nach ein paar Iahren war dann die zweite
und schließlich, aber das dauerte länger, auch
die erste Äypothek getilgt worden, und dann
hatte Wilhelm Tornseiffer angefangen, Pfand-
briefe, Stadtobligationen und Konsols zu
kaufen, die er in einem kleinen, aber sehr so-
liden Geldschrank unter seinem Bett aufstapelte.
Es gibt Leute, die von solchen Papieren nie
genug bekommen können. Der Kolonialwaren-
händler Tornseiffer gehörte nicht zu ihnen.
Als der Stapel im kleinen Geldschrank jene
Löhe erreicht hatte, die ihm ein genügender
Lohn für sein Wirken in seinem btsherigen
Leben und eine sichere Bürgschaft für einige
bescheidene Annehmlichkeiten in dem noch kom-
menden Rest erschien, da sagte er mit fröh-
licher Entschiedenheit: Lalt! — Wilhelm Torn-
seiffer zog sich aus dem Landel mit Kolonial-
waren zurück.
Zwei Geschwisterkinder waren da, ein
Neffe und eine Nichte: Albert und Grete
Tornseiffer. Sie hatte der Onkel, da er keine
besseren wußte, zu seinen Erben ausersehen.
Albert sollte das Geschäft, Grete das Laus,
das Barvermögen beide zu gleichen Teilen
erben, — das war eine gerechte Teilung. Vor-
läufig wurde Albert Tornseiffer in den Laden
gesetzt, und da Grete zu diesem Zeitpunkt ge-
rade heiratete — den Lerrn Registrator Katsch-
ky — wurde zum Ausgleich dem jungen Ehe-
paar das Obergeschoß des Lauses, das ihnen
einmal ganz gehören sollte, mietssrei über-
lassen. Onkel Tornseiffer behielt im Erdge-
schoß die beiden Zimmer, in denen er schon
immer gehaust hatte; die zu den Geschäfts-
räumen führende Tür aber ließ er vermauern,
— was dort drüben geschah, ging ihn jetzt
nichts mehr an. Es waren zwei nette, behag-
liche Zimmer. Das Schlafzimmer war vielleicht
gar zu einfach eingerichtet, aber dafür stand
ja auch der Geldschrankdarin, der allen sonstigen
Mangel gewiß reichlich auswog. Das Wohn-
zimmer, dessen Fenster nach der Straße hin-
ausgingen, auf die Onkel Tornseiffer jetzt im
Ruhestande zu seiner Beschäftigung hinauszu-
schauen liebte, war mit schönen Möbeln aus
Birnbaumholzausgestattet.AufeinerKommode
Meggendorfer-Blätter, München
Ein armer Teufel
Köchin (dem Dienstmädchen einen Liebesbrief vorlesend, den sie bekommen hat):
„Was hältst du von dem Menschen, überschwenglich ist der Brief ge-
rade nichl?"
— „Das ist mir auch aufgefallen, den hat er ganz sicher selbst auf-
gesetzt — der scheint nicht mal soviel Geld zu haben, daß er sich einen
Liebesbriefsteller kaufen kann!"
Auf der Parforce-Zagd
Der Armensefsel Von Percr Robinson
Wilhelm Tornseiffer, Kolonialwarenhand-
lung, stand über dem Laden zu lesen. Das
Geschäft ging gut, Eine Goldgrube, wie die
Leute sagen, die ein Geschäft zu verkaufen
haben, war es gerade nicht, aber eine sehr
anständige Silbergrube. Wilhelm Tornseiffer
hatte es zu etwas gebracht im Leben. Als
er — das ist nun schon hübsch lange her —
den Laden in dem zu diesem Zwecke käuflich
erstandenen Lause eröffnet hatte, war dieses
mit Lypotheken ungebührlich belastet gewesen.
Nach ein paar Iahren war aus der ungebühr-
lichen Belastung durch Auszahlung einer vierten
und dritten Lypothek, die der Vorbesitzer nur
auf äußerst Psiffige Weise ergattert haben
konnte, eine ganz normale geworden. Wieder
nach ein paar Iahren war dann die zweite
und schließlich, aber das dauerte länger, auch
die erste Äypothek getilgt worden, und dann
hatte Wilhelm Tornseiffer angefangen, Pfand-
briefe, Stadtobligationen und Konsols zu
kaufen, die er in einem kleinen, aber sehr so-
liden Geldschrank unter seinem Bett aufstapelte.
Es gibt Leute, die von solchen Papieren nie
genug bekommen können. Der Kolonialwaren-
händler Tornseiffer gehörte nicht zu ihnen.
Als der Stapel im kleinen Geldschrank jene
Löhe erreicht hatte, die ihm ein genügender
Lohn für sein Wirken in seinem btsherigen
Leben und eine sichere Bürgschaft für einige
bescheidene Annehmlichkeiten in dem noch kom-
menden Rest erschien, da sagte er mit fröh-
licher Entschiedenheit: Lalt! — Wilhelm Torn-
seiffer zog sich aus dem Landel mit Kolonial-
waren zurück.
Zwei Geschwisterkinder waren da, ein
Neffe und eine Nichte: Albert und Grete
Tornseiffer. Sie hatte der Onkel, da er keine
besseren wußte, zu seinen Erben ausersehen.
Albert sollte das Geschäft, Grete das Laus,
das Barvermögen beide zu gleichen Teilen
erben, — das war eine gerechte Teilung. Vor-
läufig wurde Albert Tornseiffer in den Laden
gesetzt, und da Grete zu diesem Zeitpunkt ge-
rade heiratete — den Lerrn Registrator Katsch-
ky — wurde zum Ausgleich dem jungen Ehe-
paar das Obergeschoß des Lauses, das ihnen
einmal ganz gehören sollte, mietssrei über-
lassen. Onkel Tornseiffer behielt im Erdge-
schoß die beiden Zimmer, in denen er schon
immer gehaust hatte; die zu den Geschäfts-
räumen führende Tür aber ließ er vermauern,
— was dort drüben geschah, ging ihn jetzt
nichts mehr an. Es waren zwei nette, behag-
liche Zimmer. Das Schlafzimmer war vielleicht
gar zu einfach eingerichtet, aber dafür stand
ja auch der Geldschrankdarin, der allen sonstigen
Mangel gewiß reichlich auswog. Das Wohn-
zimmer, dessen Fenster nach der Straße hin-
ausgingen, auf die Onkel Tornseiffer jetzt im
Ruhestande zu seiner Beschäftigung hinauszu-
schauen liebte, war mit schönen Möbeln aus
Birnbaumholzausgestattet.AufeinerKommode