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108 Meggendorfer-Blätter, München

Bayrisches Postenhäuschen vor Etain

Der gerade Eugt-ne und der bucklige Iean

„Nein, zu anständig," verstcherte der Gatte. And als
wollte er das bekräftigen, meinte er: „Vielleicht könnte
Eugene kurz vor der Musterung irgend ein Medikament
einnehmen. Anser Lausarzt würde ihm stcher etwas geben."

„Ansinn. Der alte Trottel, der nicht einmal einen
Schnupfen kurieren kann."

„Das kann kein Arzt."

„Unterbrich mich nicht! Der alte Trottel würde ihn
töten. Solche Manöverchen stnd zu gefährlich; mit der
Gesundheit soll man nicht spielen. Da ist der Krieg am
Ende noch weniger riskant. Ach Gott, dieser Krieg! And
zu denken, daß Eugöne da auch hinein soll! Ausgeschlossen,
ganz ausgeschlossen!"

In zorniger Aufregung lief Madame Nicollerat ei«ge-
male durch das Zimmer. Schließlich blieb sie am Fenster
stehn und sah in den hübschen kleinen Garten hinaus, der
hinter dem Lause lag. Dort war gerade Madame Brise-
barre, die Wäscherin, tätig. Seit über zwanzig Iahren
schon wusch sie für Madame Nicollerat. Diese hatte auch

keine andere Wäscherin nehmen
wollen, als man nach Passy
hinausgezogen war, aus Furcht,
eine neue möchte ihr Wäsche
stehlen. Madame Brisebarre,
die in Batignolles wohnte, machte
aber gern und getreulich den Weg.
Sie war jetzt gerade dabei, die
letzten Wäschestücke von der Leine
zu nehmen. Ihr Sohn Iean,
der gekommen war, die Mutter
abzuholen, nahm dann die Leine
ab, — mit einiger Mühe, da er
mit dem Mißgeschick eines Buckels
behaftet war. Der hatte sich bei
ihm seit seinem fünften Iahre her-
ausgewachsen, nachdem er einen
schlimmen Fall getan hatte. Er
hatte auf dem Treppengeländer
herunter rutschen wollen, weil
ihn der gleichaltrige Eugsne, den
er als den Sohn einer Lerrschaft
respektierte, dazu aufgefordert
hatte. Deshalb hatte Madame
Nicollerat damals auch die Kur-
kosten bezahlt. Aber der Buckel
war trotzdem gekommen.

Madame Mcollerat sah auf
Iean und seinen Buckel. Sie
nickte nachdenklich. „Da, dieser
Iean Brisebarre, — der kann
jetzt lachen mit seinem Buckel.
Er muß jetzt auch zur Musterung,
aber natürlich müssen sie ihn
laufen lassen. O, ich wünschte —"
Monsieur Nicollerat erschrak.
„Doch nicht, daß damals an Ieans
Stelle unser Eugsne gefallen
wäre!"

„Ach, Blödsinn! Aber daß
unser Eugsne den Buckel da für
den einen Tag hätte, wo er ge-
mustert wird."

„Ia, das sind so Wünsche.
Ebensogut könnte ich mir Laare
auf meine Glatze wünschen."

„Oder Verstand in deinen Kopf," sagte Madame
Nicollerat rauh. „Aber ich habe welchen in dem meinen.
Ich weiß, was zu geschehen hat. Iean geht für Eugsne
zur Musterung."

Das verstand der Gatte nicht. „And was wird mit
Iean's Musterung? Soll da etwa Eugsne hingehn?"

„Du bist entsetzlich beschränkt. Iean geht natürlich
zweimal; er wird doch wohl an einem andern Tage heran-
kommen, da er in einem ganz anderen Bezirk wohnt.
Außerdem hal sein Name einen andern Anfangsbuchstaben.
And derselbe Arzt wird es auch kaum sein. And wenn
schon, -- bei den vielen Tausenden kann stch der Mann
einen einzelnen nicht merken."

„Aber bitte, — wie soll dadurch Eugsne frei werden?"
„Mit dir kann man kaum reden," sagte Madame Nicolle-
rat ungeduldig. Paß auf! Eugsne bekommt den Befehl,
zur Musterung zu erscheinen. Das Papier muß er mit-
bringen, das allein legitimiert ihn doch vor den Leuten
dort. Es kennt ihn doch keiner. Gut, Iean Brisebarre
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