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Kriegschronik der Meggendorfer-Blätter, Miinchcn

N4

— „Wir haben die Zeit für uns, Gentlemen, wir können warten.
Der Feind kann das nicht. Das sehen Sie fchon daraus, daß er
immer was Neues anfängt, ehe wir noch einen Plan fertig haben."

Ein neuer Kriegsplan der Entente

Der naive Ze tungsleser muü sich immerwieder wundern,
woher die Ententepresse nur den Mat nimmt zu ihren ewigen
Prophezeiungen des endlichen Siegcs. Anaufhörlich wird
da versichert, der Friede wcrde kommen, sobald Belzien
zuri ckgcwonnen, Elsaß-Lothringen „befreit" sei und Deutsch-
land überhaupt ganz jämmeilich winselnd am Voden läge.
Jur selben Stunde entwickeln sich die Dinge auf dem Balkan
mil einer unhe ml chen Sicherheit des Programmes. Ietzt
ist der dritte König ins Exil gegangen, die montenegrinischen
Soldaten sind froh, daß sie ihre Waffcn abgeben dürfen,
und unsere Truppen sind schon wieder über Montenegro
hinaus in Skutari. Lilft n ch s, die Ententejournalisten
flöten die alteu Siegeslieder. Man fragt sich immer wieder,
ob die Leute das in aller Welt nur alles selbst glauben.

Dies Gebahren der feindlichen Presse ist nur zu ver-
stehen, wenn man erfährt, daß hinter dem unenttvegten
Zurückweichen der feindlichen Truppen ein neuer Kriegs-
plan der Sntente verborgen ist. Dieser Kriegsplan ist selbst
in der gegnerischen Presse niemals bekannt gegeben worden,
und nur wir sind auf Grund unserer ganz besonderen ge-
heimen Verbindungen in dcr Lage, ihn zum erstcnmal in
der Oeffentlichkeit mitzuteilen.

Der große Kriegsrat der Entente argumenticrt folgen-
dermaßen: Nachdem es sich herausgestellt hat, daß die

deutsche Armee weder durch militärische
Mittel, noch durch Äunger überwindbar
ist, bleibt nur noch ein einziges Mittel:
sie zu schwächen, indem man sie durch
Besatzung über ein ungeheueres Okkupa-
tionsgebiet auseinanderzieht. „Ieder
Quadratkilometer Land, den wir der
deutschen Armee zu besetzen geben" (so
lautet dieInformation unseresGewährs-
manns) „trägt dazu bei, den deutschen
Kordon dünner zu machen. Wir wiffen
genau, wir werden den Deutschen noch
ungeheuer viel Land zu schlucken geben
müssen, aber der endliche Sieg ist un-
entrinnbar. Die deutsche Armee wird
eines Tages verschwunden sein, wie der
Tropfen Wasser auf einem Löschpapier
verschwindet, lediglich getrieben von
seiner Gier, weil er nicht viel genug von
dem Löschpapier erhaschen kann. Wenn
der Tropfen mäßiger wäre, so könnte er
sich auf dem Löschpapier behaupten; so
aber wird ihm sein eigener ungestümer
Expansionsdrang zum Verderben. Dann
wird der Tag des Friedens gekommen
sein."

Präsident Poincare, der von seinem
Bruder sich den mathematischen Iargon
angeeignet hat, hat den Plan noch durch
ein arithmetisches Bild anschaulich ge-
macht. „Die deutsche Armee," so äußerte
er sich zu unserem Gewährsmann, „wird
sich verflüchtigen wie eine unendliche
Reihe, deren Glieder immer kleiner
werden. Wenn die Truppen der Entente
sich erst weit genug zurückgezogen haben,
so wird eines Tages der Fall eintreten,
daß die deutsche Besatzung am dichtesten
sein wird an ihrem Anfangsglied: an
der Schloßwache in Berlin. Von diesem
Ausgangspunkt an wird sie immer dün-
ner und dünner werden, bis sie sich in
der Anendlichkeit verläust. Dann wird der Krieg beendet
sein, weil es keinen fühlbaren Gegner mehr geben wird."

Dies ist zur Zeit der maßgebende Kriegsplan in Paris
und London. Wer's nichk glaubt, kann sich die Bestätigung
selbst holen. Er braucht nur zu beobachten, wie die gegnerische
Presse in ihren Siegesverkündigungen immer dreister wird,
je weiter wir vordringen.

Inzwischen sollen freilich über die Durchführbarkeit
dieses Planes im Kriegsrat der Entente selbst Zweifel ent-
standen sein. Man hat die Mathematiker des Generalstabes
beaustragt, auszurechnen, wieviel Territorium man der dcut-
schen Armee noch zu freffen geben müffe, bis ihre Expansions-
fähigkeit „gesättigt und neutralisiert" (satnree st neutralisee)
sei. Es hat sich herausgestellt, daß die Oberfläche der Erde
n-cht genügt. Man müsse vielmehr noch ein paar Planeten
aus dem Weltall herbeiholen, und als Filialen an die Erde
ankekten. Murr (m.)

Kerr <zu den irindern des Nachbars, die mit den seinigen Soidatcn
spielew: „Mir scheint, bei euch zu Lause da dürft ihr gar
nicht Soldaten spielen?"

— „Ach ja, aber Papa ist so nervös, da möchten wir nur
immer — Schleichpairouille spielen!"
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