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Zeitschrift für Humor und Kunst 139

Die Verbrecherkolvnie

Sie wurde noch einige Abende durchgehechelt, wobei der
Lehrer auffallend still blieb. Dann boten eine Lochzeit und
eine Fahnenweihe befferen Anterhaltungsstoff.

Da brachte die Zeitung wieder einmal eine interessante
Nachricht: jenen Bankdieb hatte doch noch sein Schicksal
erreicht; er war verhaftet worden, als er den Fuß auf
amerikanischen Boden setzen wollte. Ietzt erfuhr man auch
Genaueres: Fingerabdrücke waren doch noch gefunden
worden, vor der Einschiffung hatte er Verwandten noch
chiffrierte Nachricht gegeben, wo er die Lälfte des Geldes

Der Liebesgabentransport

vergraben habe, auf dem Dampfer war er durch seine Geld-
ausgaben aufgesallen und anderes mehr.

Natürlich wurden alle Einzelheiten des interessanten
Falles am Stammtische eifrig durchgesprocben. Der Lehrer
saß dabei am Tische hinter der Zeitung, aus der er immer
wieder noch neue Züge des Verbrechers zur Anterhaltung
beisteuerte.

Der Kriminalfall war schon wieder vergessen, da erhob
sich eines Abends der Doktor feierlich von feinem Sitze:

„Meine Lerren! Leute stnd es vier Wochen, daß hier
die denkwürdige Wette abgeschlossen wurde, die jetzt bei-
nahe in Vergeffenheit geraten wäre. Anscheinend hat der
Lerr Lehrer die Wette ebenfalls vergessen!" (Stürmisches
Gelächter.) „Wenigftens scheint er die Beweise für seine
beleidigende Behauptung nicht gefunden zu haben. Lerr
Ochsenwirt, lassen Sie das bewußte Faß anzapfen!"

Allgemeines Bravo! Die schäumenden Gläser wurden
gebracht. „Prost, Lerr Lehrer!" hieß es von allen Seiten.

Der Angeprostete räusperte sich umständlich. Dann
hub er an:

„Da heute letzter Termin ist, so muß ich nun doch die
Beweise erbringen ... (Oho-Rufe) jawohl, und zwar von
sämilichen Lerrn am Tische."

Er zog langsam ein Zeitungsblatt aus der Tasche:

„Lier habe ich auf den Rand stenographiert, was die
Lerren bei der Verhaftung des Bankräubers bemerkt haben.

Zuerst der Lerr Kurat: Daß der blöde Mensch Finger-
abdrücke zurückgelassen hat, kann ich gar nicht begreifen!
Ieder Verbrecherlehrling weiß doch schon, daß es dagegen
Gummihandschuhe gibt!

Dann der Lerr Förster: Wenn a Fuchs a Lenne holt,
stellt er sich net so saudumm an wie der Kerl da! And
wenn i spurlos verduften will, schreib i doch net noch vor-
her Ansichtskarten!

!lnd der Lerr Privatier Luber: Mich hättens net er-
wischt, ganz g'wiß net! Ganz bescheiden hatt' ich mich auf
dem Schiff aufg'führt, nachher wär ich gar net anfg'fallen!

!l»ser Lerr Doktor: And nach Amerika durchzubrennen!
Eine solche Schnapsidee! Es gibt doch Länder, die nicht
ausliefern! Aeberdies mußte der elende Stümper doch
wissen, daß alle großen Schiffe durch Funkenspruch mit Europa
verbunden sind!

Dazu hat unser Wirt bemerkt: Iesses, das schöne,
viele Geld! Keinem Menschen hätt' ichs g'sagt, wo ichs
Geld vergraben hab! 's schönste Leben könnt er haben,
wenn er vom Zuchthaus 'rauskommt!

Der Lerr Amtsrichter aber..."

„Lalt!" rief der Amtsrichter, „Psstü Wollen Sie mir
die ganze Karriere verderben?? Wir glauben alle ohne-
dies, daß Sie den Wahrheitsbeweis glänzend gesührt
haben.

Prosit, allseits! Es lebe die Verbrecherkolonic!" Buhl
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