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Meggendorfer-Blätter, München
Der gelehrige Pavian
Der Fischelhof Von C.L L-nnig
Der Fischelhof war ein Konglomerat von Läusern, Durchgängen, Löfen
und Winkeln, der, wie es schien, einer ganz absonderlichen architektonischen
Laune seine Entstehung verdankte. Er machte den Eindruck, als sei er für
eine einzige große Familie geschaffen worden, denn zahlreiche schmale Ter-
rassen, Balkons und Aeberqänge verbanden, wie unten die Passagen und
Löfe, die Läuser in ihren oberen Stockwerken mileinander, und man konnte
bequem im Schlafrock und mit der langen Pfeife von einem Nachbarn zum
andern spazieren und ihm guten Tag sagen.
Vor alten Zeiten war der Fiichelhof ein großer öder Platz gewesen,
auf tem lediglich ein einziges langgestrecktes Laus stand, das ebenso öde
und verlassen schien. Man hätte es für menschenleer halten können, wenn
es nicbt am Abend ein gewisses Leben bekommen hälte. Nämlich, wenn das
grüne Rouleau, wie man damals noch sagte, an dem Fenster des Ervge-
schosses heruntergelassen und ein Licht dahinter angezündet wurde. Dann
blickte es wie ein großes grünes Auge starr in die nächtliche Stille hinaus.
Wäre man allerdings ctwas näher an das Laus heranaegangen, so hätte
man gesehen, daß das grüne Auge ein wahrhaftiges transparentes Gemälde
war von einer stofflichen Mannigfaltigkeit, daß wenigstens zwei Künstler da-
zu gehört haben mußten, um diesen Phantafiereichtum zu ersinnen.
Da brauste ein dampfender Eisenbahnzug über einen schwindelnd hohen
Viadukt, ein schäumender Wasserfall stürzte sich tosend von einem zerklüfteten
Felsen in ein liebliches Tal, wo er eine stattliche Mühle trieb. Auf der
halben Löhe des Felsens wohnte ein ehrwürdiger Eremit, der stch auf einem
Kanonenöfchen einen duftenden Kaffee kochte, wobei ihn sämtliche Tiere des
Waldes lüstern schnuppernd umstanden. Auf der linken Seite rollte eine
mit lustigen Insassen vollgepfropfte Postkutsche einher, die aus einer in der
Ferne sichtbaren Stadt kam und auf ein feudales Schloß zustrebte, das hoch
in den Wolken, die wie Federbetten aussahen, tdronte. In dem Mühlbach
angelte ein Mann, eine Knasterpfeife rauchend; hinter dem lauschigen Baum-
dickicht ging die hübsche Müllerstochter mit dem gräflichen Iäger heimlich
spazieren, und auf dem Mühlenwehr saß ein spitzhutiger Maler, der die
romankische Szenerie abkonterfeite, um das Gemälde seinem schwerreichen
Mäzen zu verkaufen. Schnitter tranken aus bauchigen Lolzflaschen Essig-
wasser mit Zucker, und ganz im Vordergrunde brach ein Weidmann einen
Feisthirsch auf, der die Zunge heraushängen hatte zum Zeichen, daß er tot
war. Das Ganze war mit einer Kante ä Is, Ai-eogus stilvoll umrahmt und
machte einen herrlichen Eindruck.
Der Bestyer das Platzes, des Lauses und des grünen Nouleaus war
ein ehemalrger Kohlenhändler, namens Fischel, der hier einsam den Rest
seiner Tage verbrachte, bis seinem beschaulichen Dasein die natürliche
Grenze gesetzt wurde. Nach seinem Ableben ging das Besitztum an einen
Meggendorfer-Blätter, München
Der gelehrige Pavian
Der Fischelhof Von C.L L-nnig
Der Fischelhof war ein Konglomerat von Läusern, Durchgängen, Löfen
und Winkeln, der, wie es schien, einer ganz absonderlichen architektonischen
Laune seine Entstehung verdankte. Er machte den Eindruck, als sei er für
eine einzige große Familie geschaffen worden, denn zahlreiche schmale Ter-
rassen, Balkons und Aeberqänge verbanden, wie unten die Passagen und
Löfe, die Läuser in ihren oberen Stockwerken mileinander, und man konnte
bequem im Schlafrock und mit der langen Pfeife von einem Nachbarn zum
andern spazieren und ihm guten Tag sagen.
Vor alten Zeiten war der Fiichelhof ein großer öder Platz gewesen,
auf tem lediglich ein einziges langgestrecktes Laus stand, das ebenso öde
und verlassen schien. Man hätte es für menschenleer halten können, wenn
es nicbt am Abend ein gewisses Leben bekommen hälte. Nämlich, wenn das
grüne Rouleau, wie man damals noch sagte, an dem Fenster des Ervge-
schosses heruntergelassen und ein Licht dahinter angezündet wurde. Dann
blickte es wie ein großes grünes Auge starr in die nächtliche Stille hinaus.
Wäre man allerdings ctwas näher an das Laus heranaegangen, so hätte
man gesehen, daß das grüne Auge ein wahrhaftiges transparentes Gemälde
war von einer stofflichen Mannigfaltigkeit, daß wenigstens zwei Künstler da-
zu gehört haben mußten, um diesen Phantafiereichtum zu ersinnen.
Da brauste ein dampfender Eisenbahnzug über einen schwindelnd hohen
Viadukt, ein schäumender Wasserfall stürzte sich tosend von einem zerklüfteten
Felsen in ein liebliches Tal, wo er eine stattliche Mühle trieb. Auf der
halben Löhe des Felsens wohnte ein ehrwürdiger Eremit, der stch auf einem
Kanonenöfchen einen duftenden Kaffee kochte, wobei ihn sämtliche Tiere des
Waldes lüstern schnuppernd umstanden. Auf der linken Seite rollte eine
mit lustigen Insassen vollgepfropfte Postkutsche einher, die aus einer in der
Ferne sichtbaren Stadt kam und auf ein feudales Schloß zustrebte, das hoch
in den Wolken, die wie Federbetten aussahen, tdronte. In dem Mühlbach
angelte ein Mann, eine Knasterpfeife rauchend; hinter dem lauschigen Baum-
dickicht ging die hübsche Müllerstochter mit dem gräflichen Iäger heimlich
spazieren, und auf dem Mühlenwehr saß ein spitzhutiger Maler, der die
romankische Szenerie abkonterfeite, um das Gemälde seinem schwerreichen
Mäzen zu verkaufen. Schnitter tranken aus bauchigen Lolzflaschen Essig-
wasser mit Zucker, und ganz im Vordergrunde brach ein Weidmann einen
Feisthirsch auf, der die Zunge heraushängen hatte zum Zeichen, daß er tot
war. Das Ganze war mit einer Kante ä Is, Ai-eogus stilvoll umrahmt und
machte einen herrlichen Eindruck.
Der Bestyer das Platzes, des Lauses und des grünen Nouleaus war
ein ehemalrger Kohlenhändler, namens Fischel, der hier einsam den Rest
seiner Tage verbrachte, bis seinem beschaulichen Dasein die natürliche
Grenze gesetzt wurde. Nach seinem Ableben ging das Besitztum an einen