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Meggendorfer-Blätter, Müncheu
Geringere Verpflichtung — „Das Lerz wird ja doch gegeffen, da müffen Sie dem Fräu-
lein Braut noch ein richtiges Andenken kaufen, Lerr Soldat."
— Das braucht's nicht; ich bin ja nur garnisondiensttauglich."
Der Fischelhvf
Es kam freilich auf diese Weise mit seinen neuen Nachbarn
arg ins Gedränge, doch hatte das wenigstens den Borteil,
daß es nicht umfallen konnte. Dort wohnte nun der Post-
bote, der natürlich stolz seinen Dienst quiitiert hatte, mit den
Seinigen, bis nach gar nicht langer Zeit das Anglück über
ihn hereinbrach. Es ging ihm wie den meisten Spekulanten,
die mit fremdem Gelde arbeiten. Die Spekulaiion schlug
fehl und sein Lab und
Gut ging flöten. Bis auf
das Fischelhaus und das
grüne Rouleau. Er
nahm sich sein Mißge-
schick so zu Lerzen, daß
er sich dem Trunke er-
gab und damit sich und
sein Weib unter die
Erde trank.
Nun hatte das alte
Laus nur noch zwei
Bewohner, eine alte
Magd nicht mitgerech-
net. Das war die schon
ziemlich bejahrte Mut-
ter Fischels und sein
Töchterchen Erna, deren
Erziehung nunmehr der
Großmutter oblag.
Erna war ein schmuk-
kes Mädchen von etwa
zweiundzwanzig Iah-
ren;was aberdie „Mut-
ter Fischeln," wie sie
allgemein genannt wur-
de, anbetrisft, so wußte
man eigentlich recht
wenig von ihr. Denn
sie hatke seit dem Tode
ihres Sohnes das Laus
nicht mehr verlassen,
und das grüne Rou-
leau,dasTag undNacht
herniedergezogen blieb,
verschloß das Fenster
hermetisch vor jedem
neugierigen Blick. Was
Wunder, daß die Nach-
barn zu zischeln und zu
tuscheln begannen und
der Mutter Fischeln
nachsagten, fie triebe am
Ende gar Lexenkünste
oder sonstige unerlaub-
te Sachen, was durch
gelegentliche geheimnis-
volle Besucher, die im-
mer zur Dämmerstunde
kamen, eine gewisse Be-
stätigung zu erhalten
schien.
Solch ein geheimnis-
voller Besucher betrat
auch an einem regneri-
schen Märzabend den
Fische'.hof. Spähend
wand er sich durch das Labyrinth von Durchgängen und
Löfchen, guckte hierhin und dahin und schritt wieder wei-
ter, dis er in den eigentlichen Kern des Fischelhofes kam,
der zugleich der Lebensnerv des Riesenanwesens war.
Denn Laden reihte sich hier an Laden und bot so ziem-
lich alles, was der Fischelhof brauchte. Da war zuerst ein
Laden mir Allerlei, daneben ein svlcher mit Käse und Butter.
Ringsherum schlossen sich daran an: eine Nudelfabrik, eine
Meggendorfer-Blätter, Müncheu
Geringere Verpflichtung — „Das Lerz wird ja doch gegeffen, da müffen Sie dem Fräu-
lein Braut noch ein richtiges Andenken kaufen, Lerr Soldat."
— Das braucht's nicht; ich bin ja nur garnisondiensttauglich."
Der Fischelhvf
Es kam freilich auf diese Weise mit seinen neuen Nachbarn
arg ins Gedränge, doch hatte das wenigstens den Borteil,
daß es nicht umfallen konnte. Dort wohnte nun der Post-
bote, der natürlich stolz seinen Dienst quiitiert hatte, mit den
Seinigen, bis nach gar nicht langer Zeit das Anglück über
ihn hereinbrach. Es ging ihm wie den meisten Spekulanten,
die mit fremdem Gelde arbeiten. Die Spekulaiion schlug
fehl und sein Lab und
Gut ging flöten. Bis auf
das Fischelhaus und das
grüne Rouleau. Er
nahm sich sein Mißge-
schick so zu Lerzen, daß
er sich dem Trunke er-
gab und damit sich und
sein Weib unter die
Erde trank.
Nun hatte das alte
Laus nur noch zwei
Bewohner, eine alte
Magd nicht mitgerech-
net. Das war die schon
ziemlich bejahrte Mut-
ter Fischels und sein
Töchterchen Erna, deren
Erziehung nunmehr der
Großmutter oblag.
Erna war ein schmuk-
kes Mädchen von etwa
zweiundzwanzig Iah-
ren;was aberdie „Mut-
ter Fischeln," wie sie
allgemein genannt wur-
de, anbetrisft, so wußte
man eigentlich recht
wenig von ihr. Denn
sie hatke seit dem Tode
ihres Sohnes das Laus
nicht mehr verlassen,
und das grüne Rou-
leau,dasTag undNacht
herniedergezogen blieb,
verschloß das Fenster
hermetisch vor jedem
neugierigen Blick. Was
Wunder, daß die Nach-
barn zu zischeln und zu
tuscheln begannen und
der Mutter Fischeln
nachsagten, fie triebe am
Ende gar Lexenkünste
oder sonstige unerlaub-
te Sachen, was durch
gelegentliche geheimnis-
volle Besucher, die im-
mer zur Dämmerstunde
kamen, eine gewisse Be-
stätigung zu erhalten
schien.
Solch ein geheimnis-
voller Besucher betrat
auch an einem regneri-
schen Märzabend den
Fische'.hof. Spähend
wand er sich durch das Labyrinth von Durchgängen und
Löfchen, guckte hierhin und dahin und schritt wieder wei-
ter, dis er in den eigentlichen Kern des Fischelhofes kam,
der zugleich der Lebensnerv des Riesenanwesens war.
Denn Laden reihte sich hier an Laden und bot so ziem-
lich alles, was der Fischelhof brauchte. Da war zuerst ein
Laden mir Allerlei, daneben ein svlcher mit Käse und Butter.
Ringsherum schlossen sich daran an: eine Nudelfabrik, eine