Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Zeitschrift sür Humor und Kunst

Auch etn Kriegsspekulant

„Kindermädchen kommen wenig in den Park," meinte
ich; „sie spazieren lieber in belebten Straßen, wo sie mehr
Spaß und die Kinder weniger frische Luft haben."

„So ist es leider, — sie haben meistens so wenig Pflicht-
gefühl. Aber es könnten doch welche kommen, nicht wahr?
And dann würden sie sich vielleicht auf die Bank dort
setzen, und ich würde aufstehn, weil mich kleine Kinder
stören. And überhaupt: an dieser Bank hier steht nun ein-
mal: Nur für Erwachsene. Solche Anordnungen soll man
beachten."

Aus diesem war zu entnehmen, daß der kleine Lerr
ein Mann von Ordnungssinn war und durchaus geneigt,
in die Maßregeln dieser Welt mit freudiger Bereilschaft
sich zu schicken. Er las weiter in seiner Zeitung, hin und
wieder den Kopf schütielnd. Nach einem besonders starken
Schütteln ließ er das Blatt sinken und wandte sich an
mich. „Ein bißchen happig, diese geplante Kriegsgewinn-
steuer, nicht wahr? Ich finde, man gehl da doch gar zu
stramm ins Zeug. Gewiß, eine Gewinnsteuer ist ja durch
aus gerechtfertigt, aber solche Sätze, wie sie da geplant
werden, — nein, das ist denn doch zu viel."

Das war eiue überraschende Bemerkung. „Dann wer-
den Sie vielleicht selbst von der Kriegsgewinnsteuer ge-
troffen?" erkundigte ich mich, wurde mir aber gleich darauf
der Ueberflüssigkeit dieser Frage bewußt. Nein, der kleine
Äerr war sicher kein Kriegslieferant. Sonst hälte er auch
nicht so still und sriedlich hier in der Sonne gesessen, son-
dern an einem Kontortisch gehockt, oder er wäre mit einem
Notizbuch in der Land herumgelaufen, oder er hätte in
einem Jntendanturamt herumgelungert oder gerade Zei-
tungsinserate aufgegeben oder Lebensmittel aufgespeichert
oder sonst etwas getan, was Leute tun, die Gewinnsteuer
zu zahlen haben werden, soweit sie stch ihr nicht geschickt
entziehen können.

Der kleine §>err bestätigte meine Vermutung auch.
„Ob ich am Kriege verdient habe?" sagte er, und seine eben
noch so zufrieden blickenden Augen wurdeN ein wenig traurig.
„O nein, mein Lerr, verdient nicht — eher verloren. Ich
hätte gern verdient, sehr gern sogar. Aber das ist nicht
so leicht. Glauben Sie mir: dazu gehört sichere Aeberlegung,
Kombinationsgabe, scharf zupackender Verstand, der d>e
Gelegenheit ergreift, nationalökonomische Schulung und was
nicht sonst noch alles. And wer über solche hervorragenden
Gaben versügt, — nun, gebührt dem nicht auch für ihre
geschickte Anwendung der wohl verdiente Lohn? Ich habe
Respekt vor glücklichen Kriegsspekulanten, — vorausgesetzt
natürlich, daß sie nicht unanständige Geschäfte gemacht haben.
Ganz gehörige Achtung habe ich vor solchen Leuten. Ein-
fach, weil sie mehr können als ich, und weil ihnen gelungen
ist, was ich auch gern vollbracht hätte. Aber mir ist es
nicht geglückt; ich habe es ganz vergeblich versucht. Iawohl,
mein Lerr, ich habe Kriegsspekulationen unternommen, —
durchaus solide Geschäfte, keine wucherischen. Behüte! Aber
es ist nichts daraus geworden. Schade! So gern hätte
ich mir zu dem, was ich besitze, noch etwas zu hübscher
Abrundung hinzu verdient."

Der kleine Lerr seufzte. „Ich habe eben das Verdienen
nicht gelernt. Mein Geld habe ich von meinem Vater
geerbt, und das einzige, was ich tun konrtte, war, mein
Kapital sorgsam zu behandeln und vor jeder Schmälerung
zu behüten. Aber sehen Sie: so um 1870 herum konnte
sich mein Vater mit dem Gelde, das er später mir hinter-
ließ, fast als einen reichen Mann betrachten. Mit derselben
Summe bin ich heute kaum wohlhabend. Der Wert des

Die boshaften Schreiber

x

So, leben Sie wohlund seien Sienichtzu fleißig, mein altei- <?^o >"

— „So, diese Gliederpuppe wird vortrefflich Ersatz für
mich leisten, wenn ich beim Frühschoppen bin und der Lerr
Nat mich durch das Fenster kontrollieren will.
Image description
There is no information available here for this page.

Temporarily hide column
 
Annotationen