Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
8 Meggendorfer-Blätter, München

— ,Du, Karl, schau' mal, wie die da in das Rennen verrieft sind,
da können wir mit unseren faulen Acpfeln ein Geschäft und auch —

-einen Spaß machen!"-

Der verfolgte Brief V°n-v-«-r Rorins»»

Mein Freund Adam hatte mich am Nachmittag besucht,
um die Kaffeestunde herum. Ich hatte erwähnt, daß ich
eine Berliner Adresse brauchte, und er hatte liebenswürdig
fich erboten, ins Cafä Luikpold zu gehn und dort für mich
im Berliner Adreßbuch nachzusehn. Spätestens um acht
Ahr wollte er wieder bei mir sein und mir die Adreffe
bringen.

Daß Adam aus Neigung und Gewohnheit sowieso jeden
Tag ins Kaffeehaus geht, konnte den Wert seiner Gefällig-
keit für mich nicht verringern. Ich hatte also nicht nein
sagen können, als er mich bei dieser ihm vortrefflich passenden
Gelegenheit wieder einmal um ein Darlehen ersucht hatte.
„Ich sehe mich leider, wie schon so oft, dem abscheulich
grinsenden Nichts gegenüber," hatte er gesagt. „Alle meine
Quellen in der Wüste dieses Lebens scheinen verfiegt. Wenn
in der richtigen, der heißen afrikanischen Wüste der Kara-
wanenreisende keine Quelle findet, dann kann er wenigstens

noch sein Kamel schlachten und auS dessen

Magen-Aber nein, ich rede ja dummes

Zeug!" Adam hatke seine Rede unterbrochen;
die Erwähnung des Kamels als letzter Lilfe
war ihm doch wohl als eln etwas unpassender
Vergleich erschienen, da er ja im nächsten
Augenblick von mir Beistand erbitten wollte.
Also, seit vierzehn Tagen schon hatte er eine
größere Geldsendung von einer Tante erwartet,
der er in einem ausführlichen Schreiben seine
augenbliclliche Notlage, aber auch seine herr-
lichen Aussicl ten für eine nicht zu ferne Zukunft
und seine darauf gegründete Würdigkeit, mit
einigen hundert Mark unterstützt zu werden,
packend und überzeugend dargelegt hatte. Aber
die Tanke hatte nichts von sich hören laffen, und
das wäre eine Gemeinheit von ihr gewesen, be-
hauptete Adam, denn sie könnte nicht einmal den
vierten Teil ihrer Zinsen verzehren, wobei unter
dcm „verzehren" nicht nur die Ausgaben sür die
Nahrung zu verstehen waren. sondern auch die
fllr Wohnung und Kleider, Bedienung, Theater,
Konzerte, Leihbibliothek und den Schoßhund.

Adam war sehr böse auf diese Tante ge-
wesen. Er hatte mein Geld in die Tasche
gesteckt und gesagt: „So, jetzt schreibe ich ihr
noch einmall Wenn fie nichts hergibt, soll
sie sich wenigstens ärgern. Oho, ich werde
ihr gründlich die Wahrheit schreiben!" — Da
Adam von der Tante hatte Geld haben wollen,
hatte er ihr bisher natürlich noch nicht die
Wahrheit geschrieben.

Am acht Ahr also hatte Adam wieder
kommen wollen. Er kam aber nicht, und ich
aß mein Abendbrot allein. Es wurde neun
Ahr, es schlug zehn, — Adam blieb aus. Ich
nahm an, daß er durch einen der in seinem
Leben so zahlreichen Zwischenfälle verhindert
worden wäre, und daß ich am nächsten Morgen
brieflich das Resultat seiner Nachforschungen
im Berliner Adreßbuch erfahren würde. Aber
der Briefträger brachte nichts von Adam. Der
Bormittag ging herum, und der Anzuverlässtge
zeigte sich nicht. Am Nachmittag ging ich aus,
und da ich an dem Lause vorüber kam, in
dem Adam zur Jeit Miete schuldig blieb, stieg
ich die drei Treppen hinauf.

Adam war nicht zu Lause, seine Zimmerwirtin aber
sehr in Aufregung. Etwas Merkwürdiges war vorgefallen.
Adam hatte sich gestern am späten Nachmittag etwa eine
halbe Stunde lang zu Lause aufgehalten. Dann war er
wieder ausgegangen. gegen Abend aber — die Frau meinte,
es müßte bald nach steben Ahr gewesen sein — in furchtbarer
Last zurückgekommen, hatte die zur Aufbewahrung seiner
Labe dienenden Behältnisse durchstöbert und dabei den In-
halt auf den Fußboden geworfen und war dann wieder fort-
gelaufen, — so eilig,daß er nicht einmal seinen Lut aufgesetzt
hatte. Den hatte die Wirtin heute in einer Ecke des Zimmers
gefunden. Wahrscheinlich hatte Adam beim Kommen ihn
achtlos dorthin geschleudert und nachher nicht mehr daran ge-
dacht; so wenig Zeit mußte er dann gehadt haben, daß er sich
auf Suchen gar nicht mehr eingelassen hatte. Die Wirtin
hatte gehört, wie er die Treppen hinunter gesaust war, — als
wenn diePolizei hinterihm gewesen wäre, sagte sie, und dieser
Vergleich war gerade nicht sehr schmeichelhaft für Adam. —
 
Annotationen