Zeitschrift für Huvror uud Kuust
Wvhl möglich — „Bedaure, mein Lieber, ich hab' mir mein Vermögen selbst verdient, und ich bin der Meinung,
daß mein künftiger Lerr Schwiegersohn auch selber arbeiten soll!"
— „Glauben Sie nicht, daß es eine Arbeit sein wird, mit Ihrer Tochter verheiratet zu sein?"
Der verfolgte Brief
Ia, und seitdem hatte Adam sich nicht wieder blicken
lassen. Barhaupt war er davongeeilt und die ganze Nacht
und jetzt schon über einen halben Tag sortgeblieben. Wirk-
lich und wahrhaftig: er war nicht wieder nach Lause ge-
kommen. Sein Bett war unberührt geblieben. Das frei-
lich war schon manches Mal geschehn, aber dann war Adam
doch wenigstens um acht Ahr morgens spätestens nach Kause
gekommen. Auch hatte er doch immer seinen Lut mitge
habt. Wenn jemand ohne Äut aus dem Lause läuft, hat
er zweifellos die Absicht, bald wieder zurück zu sein. Was
also war Adam an Unerwartetem, ja vielleicht Gräßlichem
geschehn? „Ich möchte am liebfien auf die Polizei gehn,"
meinte die Zimmerwirtin. Ich riet ihr, damit noch zu warten;
an die Polizei muß man stch immer erst wenden, wenn gar
nichts anderes übrig bleibt, und auch dann hat es gewöhn-
lich wenig Zweck. Auch von dem Entschluß, gleich einen
Zettel hinauszuhängen: „Elegant möbliertes Zimmer an
soliden Lsrrn zu vermieten!" brachte ich ste ab. Adam
würde sich schon wieder einstnden, und wenn ste inzwischen
das Zimmer vermietet hätte, wllrde das sehr peinlich für
sie sein; auch würde sie nie wieder solch einen Mieter be-
kommen. Das stimmte schon, meinte die Frau; so lange
wäre ihr noch niemand die Mieke schuldig geblieben.
Ich ging nach Lause und dachte an meinen Freund
Adam. Was mochte ihm geschehen sein? War er ver-
unglückt, von einem Dachziegel erschlagen worden, unter
ein Automobil gekommen? Das hätte schon in der Zeitung
gestanden. War er ermordet worden? Von Räubern, die
sein Geld, das von mir geborgte Geld hatten haben wollen,
in welchem Fall Adam, so leicht er sonst auch Geld her-
gibt, sich natürlich bis zum leyten gewehrt haben würde.
Aber mitten in München! Nein, das hätten gewiß Slraßen-
passanten gemerkt, am Ende sogar die Polizei. Sder war
ihm gar nichts Unangenehmes, sondern etwas Freundliches
begegnet? Vielleicht halte er eine russtsche Fürstin kenncn
gelernt und mit ihr soupiert. Und nachher eine Auslands-
reise mit ihr angeiretcn. Sder hatte er sich in einer seiner
plötzlichen Entschließungen einer wandernden Seiltänzergc-
sellschaft angeschlossen? Was, zum Teufel, war mit Adam
geschehn!
Gerade hatte es acht Abr geschlagen, da wurde meine
Klingel so anhaltend gezogen, wie nur ein unverschämter
Mensch oder ein guter Bekannter das zu tun Pflegt. Der
unverschämte Mensch — oder nein, ich wollte natürlich sagen:
der gute Bekannte war Adam. Er trug bei sich und setzte
dann in eine Ecke des Zimmers ein Paket m'ttlerer Größe,
das die Buchstaben 0. ?. auf der LLlle als aus dem Waren-
hause Oberpollinger herrührend kennzeichneten. Einen Lut
hatte er nicht auf. Sein Laar war wirr und bestaubt,
sein Antlitz sah sehr ungewaschen aus, sein Kragen war
schwärzlich, sein Anzug hätte energische Behandlung durch
Klopfer und Bürste verdient.
Adam schien große Anstrengungen hinter sich zu haben;
der Druck seiner Land war kläglich schwach. Er reichte
mir ein Papierblättchen. „Lier, Verehrtester, die gewünschte
Wvhl möglich — „Bedaure, mein Lieber, ich hab' mir mein Vermögen selbst verdient, und ich bin der Meinung,
daß mein künftiger Lerr Schwiegersohn auch selber arbeiten soll!"
— „Glauben Sie nicht, daß es eine Arbeit sein wird, mit Ihrer Tochter verheiratet zu sein?"
Der verfolgte Brief
Ia, und seitdem hatte Adam sich nicht wieder blicken
lassen. Barhaupt war er davongeeilt und die ganze Nacht
und jetzt schon über einen halben Tag sortgeblieben. Wirk-
lich und wahrhaftig: er war nicht wieder nach Lause ge-
kommen. Sein Bett war unberührt geblieben. Das frei-
lich war schon manches Mal geschehn, aber dann war Adam
doch wenigstens um acht Ahr morgens spätestens nach Kause
gekommen. Auch hatte er doch immer seinen Lut mitge
habt. Wenn jemand ohne Äut aus dem Lause läuft, hat
er zweifellos die Absicht, bald wieder zurück zu sein. Was
also war Adam an Unerwartetem, ja vielleicht Gräßlichem
geschehn? „Ich möchte am liebfien auf die Polizei gehn,"
meinte die Zimmerwirtin. Ich riet ihr, damit noch zu warten;
an die Polizei muß man stch immer erst wenden, wenn gar
nichts anderes übrig bleibt, und auch dann hat es gewöhn-
lich wenig Zweck. Auch von dem Entschluß, gleich einen
Zettel hinauszuhängen: „Elegant möbliertes Zimmer an
soliden Lsrrn zu vermieten!" brachte ich ste ab. Adam
würde sich schon wieder einstnden, und wenn ste inzwischen
das Zimmer vermietet hätte, wllrde das sehr peinlich für
sie sein; auch würde sie nie wieder solch einen Mieter be-
kommen. Das stimmte schon, meinte die Frau; so lange
wäre ihr noch niemand die Mieke schuldig geblieben.
Ich ging nach Lause und dachte an meinen Freund
Adam. Was mochte ihm geschehen sein? War er ver-
unglückt, von einem Dachziegel erschlagen worden, unter
ein Automobil gekommen? Das hätte schon in der Zeitung
gestanden. War er ermordet worden? Von Räubern, die
sein Geld, das von mir geborgte Geld hatten haben wollen,
in welchem Fall Adam, so leicht er sonst auch Geld her-
gibt, sich natürlich bis zum leyten gewehrt haben würde.
Aber mitten in München! Nein, das hätten gewiß Slraßen-
passanten gemerkt, am Ende sogar die Polizei. Sder war
ihm gar nichts Unangenehmes, sondern etwas Freundliches
begegnet? Vielleicht halte er eine russtsche Fürstin kenncn
gelernt und mit ihr soupiert. Und nachher eine Auslands-
reise mit ihr angeiretcn. Sder hatte er sich in einer seiner
plötzlichen Entschließungen einer wandernden Seiltänzergc-
sellschaft angeschlossen? Was, zum Teufel, war mit Adam
geschehn!
Gerade hatte es acht Abr geschlagen, da wurde meine
Klingel so anhaltend gezogen, wie nur ein unverschämter
Mensch oder ein guter Bekannter das zu tun Pflegt. Der
unverschämte Mensch — oder nein, ich wollte natürlich sagen:
der gute Bekannte war Adam. Er trug bei sich und setzte
dann in eine Ecke des Zimmers ein Paket m'ttlerer Größe,
das die Buchstaben 0. ?. auf der LLlle als aus dem Waren-
hause Oberpollinger herrührend kennzeichneten. Einen Lut
hatte er nicht auf. Sein Laar war wirr und bestaubt,
sein Antlitz sah sehr ungewaschen aus, sein Kragen war
schwärzlich, sein Anzug hätte energische Behandlung durch
Klopfer und Bürste verdient.
Adam schien große Anstrengungen hinter sich zu haben;
der Druck seiner Land war kläglich schwach. Er reichte
mir ein Papierblättchen. „Lier, Verehrtester, die gewünschte