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40 Meggendorfer-Blätter, München

Die Werbung

— „Wie, Sie wollen meine Tochter heiraten? Glauben Sie
doch nicht, daß ich jeden hergelaufenen Gimpel meiner Tochter

an den Lals werfe!

Der Gummimantel Do» Oscar L-arslcm

Meine Kusine Amalie wollte einen Gummimantel habcn.

Da sie die einzige mir verbliebene Verwandte war und
außerdem meinem Iunggesellendasein sehr viel Aufmerksam-
keit schenkte, so erklärte ich ihr eines Tages, daß ich ein
sehr schönes Stück gesehen hätte und unter Llmständen nicht
abgeneigt wäre, es sür sie zu erwerben.

„Am Gottes willen," sagte meine Kustne, „du und einen
Mantel für mich kaufen, das könnte ein Geschäst werden."

„Nanu! Ich kenne jetzt langsam deine Takkik, und ich
weiß einen Gummimantel, weit unter Preis, weißt du, in
dem Geschäft am Markte, das immer die großen Gelegen-
heitskäufe veranstaltel."

Wie meine Kusine das Wort Gelegen-
heitskauf hörte und den Namen des Geschäftes,
das jahraus, jahrein unter Preis verkaufte,
das handeln ließ und doch Geld verdiente,
da erhellte sich ihr Gesicht, und sie schien Zu-
trauen zu meiner fortschreitenden Entwicklung
als Einkäuser zu bekommen.

„Gut," sagte sie herablassend, „gehe mal
hin, sehe dir das Stück genau an. handle um
dcn äußerstcn Preis und lasse den Mantel
sür mich zurücklegen. Aber kaufe ja nicht fest,
ich will erst nach dem rechten sehen."

So spazierte ich also im Bewußtsein meiner
Wichtigkeit zu dem Wirtschaftskünstler, der
immer unter Preis verkaufte und doch reich
dabei wurde, und fragte nach dem Gummi
mantel, der schon einige Tage ohne Preis im
Erker hing.

„Was kostet der Mantel?"

Der Chef selber kam mir entqeqen: „Der
Mantel kostet. .

„L>alt," rief ich, „reden Sie noch nicht.
Sie lassen handeln, Sie geben Prozente, ver-
schenken Rabattmarken, die Sie bares Geld
kosten, Sie tauschen um. Von alledem will
ich nichts haben und umtauschen will ich auch
nicht, ich weiß, daß der Mantel paßt. Nun
sagen Sie mir den äußersten Preis. Ein
Pfennig zu viel und das Geschäft ist futsch.
Besinnen Sie sich also erst, ehe Sie reden."
„Der Mantel kostet . . ."

Ich unterbrach ihn nochmal: „Aeberlegen
Sie sich die Sache zweimal, ich mache kein
Antergebot. Wenn Sie zu viel fordern, gehe
ich weg."

Wieder besann sich der Mann. Legte die
Land über die Augen, als ob er ein schweres
Rätsel zu lösen hätte. Dann sagte er refig-
niert, aber mit Fassung:

„Der Mantel kostet 22 Mark und keinen
Groschen weniger."

„Gut," sage ich, „legen Sie den Mantel zu-
rück, hier zahle ich 10 Mark an, meine Kusine
wird ihn ahholen."

Stolz komme ich zu meiner Kusine und
erzähle ihr, daß ich das Stück für 22 Mark
gekauft, 10 Mark anbezahlt hätte, und daß es
ihr frei stände, es gegen den Rest abholen
zu lassen.

Ie länger ich sprach, desto länger wurde
das Gesicht meiner Kusine. „Bist du von
Sinnen," sagte sie endlich, „erst wollte ich das Ding doch
sehen. Nun haben wir den Salat. Wer hat dich denn
geheißen, fest zu kaufen. Das wird ja ein netter Reinfall
sein. Gleich muß ich hin, vielleicht ist die Situation noch
zu retten. Du gehst mit."

Na, das Theater hätten Sie sehen sollen. Natürlich
war der Mantel nichts, rein nichts, und sie wollte einen
andern haben. Nun türmten sich Berge von Gummimänteln
auf dem Ladentische, und wenn die obersten abgetan waren,
wurden die untersten wieder herausgezogen. Endlich schien
einer seine Gefährten geschlagen zu haben.

„Was kostet der Mantel?" fragte meine Kusine den
Geschäftsinhaber.

„ZA Mark," erwiderte dieser, ohne sich zu besinnen.
 
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